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Präsident Lukaschenko gibt sich judikative Befugnisse

20. Oktober 2005

Laut einem Erlass kann der belarussische Präsident nun persönlich über die Haftbarkeit von Unternehmen entscheiden. Der Experte Jaroslaw Romantschuk erläutert die Folgen für die belarussische Geschäftswelt.

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Noch mehr Macht für Aleksandr LukaschenkoBild: AP

Am 18. Oktober hat die Organisation Transparency International ihren Bericht über die korruptesten Länder der Welt vorgelegt. Belarus nimmt auf der Liste Platz 107 ein. Die Korruption ist – vor allem bei der Schlichtung von Wirtschaftsstreitigkeiten –eines der Haupthindernisse bei der Entwicklung der belarussischen Wirtschaft. Der Erlass des belarussischen Präsidenten Aleksandr Lukaschenko „Über die Vervollkommnung des Verfahrens zur Befreiung von Subjekten der unternehmerischen Tätigkeit von der wirtschaftlichen Haftbarkeit“ soll die Lage nun verbessern. Der Pressedienst des belarussischen Staatsoberhaupts teilte mit, der Erlass sei herausgegeben worden, um nicht gerechtfertigte Pleiten zu verhindern. Ferner solle der Erlass solche Unternehmen schützen und fördern, die für das Land von besonderer Bedeutung seien.

Justiz wird machtlos

An dem Erlass fällt vor allem auf, dass von nun an Präsident Aleksandr Lukaschenko persönlich beschließen kann, ein Unternehmen von dessen Haftbarkeit zu befreien, auch wenn ein Gericht ein Unternehmen bereits verurteilt hat. Auch kann der Präsident Geschäftsleute von Wirtschaftssanktionen befreien, die wegen Steuersünden sowie wegen Verstößen in der Bauwirtschaft, beim Zoll und Handel oder im Bankwesen bestraft wurden.

Der Leiter des Forschungszentrum Mises, Jaroslaw Romantschuk, sagte der Deutschen Welle auf die Frage, ob der Erlass auf eine schlechte Arbeit der Wirtschaftsgerichte zurückzuführen sei, folgendes: „Es liegt nicht an der Justiz. Der Erlass schließt die Krönung des belarussischen Präsidenten ab und verleiht ihm absolut alle Befugnisse, angefangen von exekutiven über legislative bis hin zu judikativen. Sogar Gerichtsurteile können ignoriert werden, wenn die Exekutive meint, dass es für den Staat von Vorteil ist, gewisse Sanktionen aufzuheben.“

Kompliziertes Verfahren

Die Befreiung von der Haftbarkeit sehe, wie jeder Beschluss in Belarus, ein qualvolles Verfahren vor, sagte Romantschuk der Deutschen Welle. Der Leiter des Forschungszentrums Mises betonte: „Um eine Befreiung von der Haftbarkeit zu erreichen, müssen mindestens neun Dokumente vorgelegt werden - Bescheinigungen der Steuerinspektion, vom Zoll und vom Wirtschaftsministerium. Die Buchführung und die Bilanzen müssen offengelegt werden.“ Romantschuk meint, das Verfahren sei so kompliziert, dass es nur große, in erster Linie staatliche Unternehmen bewältigen könnten. Nur gewisse Unternehmen könnten in den Genuss von Vergünstigungen und Privilegien kommen, meint Romantschuk, und zwar nach dem Prinzip des Präsidenten: „Ich begnadige diejenigen, die mich unterstützen.“

Nichts für kleine und mittlere Unternehmen

Dem Experten zufolge wird der Erlass keine Auswirkungen auf kleine private Unternehmen haben, weil es für sie unrealistisch sei, alle notwenigen Dokumente zusammenzutragen und das gesamte Verfahren zu bewältigen. Die kleinen Unternehmen leiden Romatschuk zufolge schon jetzt unter dem Druck der Bürokratie: „Das Verfahren sorgt für noch stärkeres Kopfzerbrechen. Deswegen glaube ich nicht, dass kleine und mittlere Unternehmen den Erlass begrüßen. Ich denke, dass 99 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen von dem Erlass unberührt bleiben werden.“ Romantschuk zufolge werden sich kleine und mittlere Unternehmen aber ärgern, dass großen Staatsunternehmen verziehen wird und Strafen erlassen werden, während kleine Unternehmen das Nachsehen haben werden.

Wladimir Dorochow

DW-RADIO/Russisch, 18.10.2005, Fokus Ost-Südost