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Prozess gegen früheren KZ-Sanitäter vertagt

29. Februar 2016

Am Landgericht Neubrandenburg hat das Verfahren gegen einen früheren SS-Sanitäter des Vernichtungslagers Auschwitz gerade begonnen, da wird es schon vertagt. Die Anklage lautet auf Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen.

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Das Justizzentrum in Neubrandenburg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Mehr als 70 Jahre nach seinem Dienst im Lager Auschwitz-Birkenau sollte sich ein ehemaliger SS-Sanitäter von diesem Montag an für seine dortigen Taten vor Gericht verantworten. Doch das Landgericht Neubrandenburg vertagte den Prozess gleich zum Auftakt. Der 95-jährige Angeklagte sei krank, teilte das Gericht mit. Er habe unter anderem hohen Blutdruck und denke an eine Selbsttötung.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen SS-Mann Beihilfe zum Mord in mindestens 3681 Fällen vor. Er soll von Mitte August bis Mitte September 1944 im Konzentrationslager (KZ) Auschwitz-Birkenau tätig gewesen sein. Dort kamen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Schwerin in dieser Zeit 14 Deportationszüge mit Häftlingen an, von denen 3681 in den Gaskammern des KZ ermordet wurden.

Vorheriges Urteil in Polen

Die Anklage sollte am 14. März verlesen werden, Zeugen sind bisher noch nicht geladen. Gegen den Mann aus einem Dorf bei Neubrandenburg wird seit zwei Jahren ermittelt. Verteidiger Peter-Michael Diestel bestreitet eine Schuld seines Mandanten. Der war nach dem Krieg in Polen für einen Einsatz im KZ von Oktober 1943 bis Januar 1944 zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Diese Strafe hat er verbüßt. Danach lebte er nahe Neubrandenburg und arbeitete in der Landwirtschaft.

In dem jetzt verhandelten Zeitraum habe der Sanitäter damals SS-Angehörige betreut, erklärte Diestel. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, sich dadurch in die Lagerorganisation "unterstützend eingefügt" und die Vernichtung von Leben befördert zu haben. Als Mitglied der SS-Sanitätsstaffel sei dem Angeklagten bekannt gewesen, dass in dem Lager systematisch und industriell getötet wurde.

Das öffentliche Interesse an dem Prozess ist nach Gerichtsangaben groß. So haben sich rund 50 Medienvertreter angemeldet. Der Verhandlungssaal sei von 50 auf 100 Besucherplätze erweitert worden. Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, will ebenfalls teilnehmen.

Symbol für den Holocaust

Das vom NS-Regime aufgebaute Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gilt weltweit als Symbol für den Holocaust. In dem 1941 von Nazi-Deutschland im besetzten Polen bei Krakau errichteten Stammlager Auschwitz waren zunächst vor allem polnische politische Gefangene inhaftiert. Ab dem Herbst 1942 begann im eigentlichen Todeslager Birkenau der Völkermord in den Gaskammern. Die genaue Zahl der Opfer kann vermutlich nie ermittelt werden, da viele Menschen direkt von der Ankunft an der Rampe von Birkenau in den Gaskammern ermordet wurden. Nach Schätzungen starben in Auschwitz-Birkenau mehr als eine Million Menschen, zumeist Juden. Ferner kamen rund 70.000 Polen, 21.000 Sinti und Roma, 15.000 sowjetische Kriegsgefangene sowie Angehörige anderer Nationen ums Leben.

Soldaten der Roten Armee befreiten das Lager am 27. Januar 1945 und fanden dort unter den Häftlingen noch etwa 7000 Überlebende. SS-Mannschaften hatten Auschwitz zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Mehrzahl der Gefangenen verlassen. Tausende Häftlinge starben auf sogenannten Todesmärschen in den Westen.

kle/as (dpa, afp)