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Proteste als Warnsignal

Iskander Ebadi5. Oktober 2012

Der wütende Protest der Teheraner Händler und Konsumenten gegen den dramatischen Währungsverfall im Iran fordert die Führung heraus. Die Frage ist, ob sie die Zeichen der Zeit erkennt.

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Protest gegen Währungsverfall in Teheran, brennender Container (Foto: DW)
Bild: iran-emrooz

Der dramatische Wertverlust der iranischen Währung - gegenüber dem US-Dollar verlor der Rial in der letzten Septemberwoche um 40 Prozent - hat erstmals zu wütenden Protestaktionen und Zusammenstößen mit der Polizei in den Teheraner Geschäftsbezirken geführt. Motorisierte Einsatzpolizei vertrieb am Mittwoch (03.10.2012) Geldhändler von den Bürgersteigen im zentralen Teheraner Basar, Händler schlossen ihre Läden und demonstrierten mit Basarbesuchern gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung Ahmadineschad.

Die Menge zog zum zentralen Imam-Chomeini-Platz, die Polizei setzte Tränengas ein. Händlerverbände erklärten inzwischen, die Geschäfte würden am Samstag (06.10.2012) in Anwesenheit von Sicherheitskräften geöffnet.

Bedrohter Mittelstand

Fereydun Khavand, Iranexperte an der Pariser Universität, sieht den Protest der Teheraner Händler in einem größeren Zusammenhang. Der Währungsverfall betreffe die ganze Gesellschaft, meint Khavand. "Obwohl die iranische Zentralbank die Inflationsrate im Iran auf 23 Prozent beziffert, muss man in Wirklichkeit von einer 50- bis 60-prozentigen Inflation ausgehen, was auch die Mittelschicht in eine prekäre Lage bringt." Inhaber von Produktionsfirmen seien praktisch nicht in der Lage, Rohmaterial oder Ausrüstung zu importieren, weil sie mit keinem stabilen Preis rechnen könnten, so Khavand. Die Basarhändler stünden vor dem gleichen Problem. Auf Dauer könnte sich hier ein für das Regime gefährliches Protestpotential aufbauen.

Iran-Experte Parviz Khavand (Foto: DW)
Iran-Experte Parviz Khavand sieht wachsendes ProtestpotentialBild: DW

Für den ebenfalls in Paris forschenden Wirtschaftsexperten Shahin Fatemi sind die westlichen Sanktionen gegen den Iran nicht der alleinige Grund für die Zuspitzung der Währungskrise. So sei die Zentralbank des Landes nur nominell unabhängig und von den politischen Entscheidungen Ahmadinedschads abhängig. Dieser habe den Direktor der Bank bereits drei Mal ausgewechselt.

Iranischer Wirtschaftsexperte Shahin Fatemi (Foto: DW)
Wirtschaftsexperte Shahin Fatemi kritisiert die fehlende Unabhängigkeit der iranischen Zentralbank.Bild: Internet

Währungspolitik unter Druck

Fereydun Khavand zufolge konnten die Machthaber der islamischen Republik dank enorm hoher Öleinnahmen die Währung in früheren Jahren stabilisieren. "Sie ließen relativ billige Dollars auf den iranischen Markt fließen und hielten den Wechselkurs des Rial künstlich stabil. Aber das, was wir heute erleben, ist hauptsächlich auf westliche Sanktionen zurückzuführen", sagt Khavand.

Es gibt allerdings auch Experten, die meinen, dass der Teheran immer noch über genügend Devisenreserven verfügt, um die Krise entschärfen zu können.

Genau die gegenteilige Botschaft ging jedoch von einer Maßnahme der iranischen Zentralbank aus: Bei einem neuen "Devisenzentrum" der Zentralbank sollten Importeure von Fleisch, Getreide und Medikamenten günstigere Wechselkurse erhalten. Kurz nach der Ankündigung dieser Maßnahme am 23.09.2012 setzte der Run auf US-Dollars ein.

Bezahlen im Basar in Teheran (Foto: dpa)
Iraner berichten von stündlich steigenden PreisenBild: picture-alliance/dpa

Iran: Heftige proteste gegen Währungsverfall

Ideologische Verbohrtheit

Iran-Beobachter Fatemi hält eine Lösung der Wirtschaftskrise wegen der ideologischen Verbohrtheit des Regimes für schwierig: "Wenn die iranische Regierung nicht so freizügig ihre Gelder ausgeben würde, gäbe es vielleicht eine Lösung für das Problem. Zehn Milliarden US-Dollar sollen allein nach Syrien geflossen sein."

Eben das bringt die Iraner inzwischen in Rage. Die Menge auf dem Imam-Chomeini-Platz hatte unter anderem skandiert: "Lasst endlich die Syrer in Ruhe, denkt statt dessen auch an uns", unter Anspielung auf die Unterstützung des Regimes von Baschir al Assad durch Teheran.

Auch Fereydun Khavand sieht nur eine politische Lösung der Wirtschaftskrise. Er meint, ohne eine Rückkehr des Irans zu einem normalen Mitglied der internationalen Gemeinschaft könne das Land aus dieser Lage nicht herauskommen.