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Literaturpreise für afrikanische Autoren

Petra Lambeck
5. November 2021

Prix Goncourt für Mohamed Mbougar Sarr, Booker Prize für Damon Galgut: Ist die literarische Vielfalt auf dem europäischen Buchmarkt 2021 angekommen?

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Autor Mohamed Mbougar Sarr winkelt lächelnd in die Kamera, in der Hand hält er ein Exemplar seines Buches "La plus secrete memoire des hommes"
Mohamed Mbougar Sarr erhält den Prix Goncourt für "La plus secrete memoire des hommes"Bild: BERTRAND GUAY/AFP/Getty Images

Lange wurde bemängelt, dass afrikanische Stimmen in Europa nicht ausreichend zur Geltung kommen. Insbesondere der französische Prix Goncourt musste sich zum Vorwurf machen lassen, zu sehr den Fokus auf die Literatur weißer Männer zu legen. In diesem Jahr jedoch wurde mit Mohamed Mbougar Sarr ein junger Mann aus dem Senegal ausgezeichnet.

Der 31-Jährige erhält die Auszeichnung für seinen Roman "La plus secrète mémoire des hommes" (auf Deutsch: "Die geheimste Erinnerung der Menschen"). Darin erzählt er die Geschichte eines jungen senegalesischen Schriftstellers: In Paris entdeckt dieser ein legendäres Buch aus dem Jahr 1938 und macht sich auf die Suche nach den Spuren des Autors, der auf mysteriöse Weise verschwundenen ist.

Ebenfalls in dieser Woche ausgezeichnet wurde der Südafrikaner Damon Galgut. Er erhielt den britischen Booker Prize 2021 für seine Roman "The Promise". Sein Buch erzählt vom Umbruch in Südafrika: weg von der Apartheit - hin zur Demokratie. Es ist eine Geschichte über große Versprechen und enttäuschte Hoffnungen.

Vier wichtige Preis in nur vier Wochen 

Und damit ist der Preisreigen nicht zu Ende. Zwei weitere afrikanische Autoren wurden im Oktober ausgezeichnet: Der tansanische Autor Abdulrazak Gurnah bekam den Literaturnobelpreis zugesprochen und die Aktivistin und Autorin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe nahm den Friedenpreis des Deutschen Buchhandels entgegen.

Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe während ihrer Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.
Tsitsi Dangarembga ist eine der bekanntesten Autorinnen Subsahara-AfrikasBild: Thomas Lohnes/dpa/picture alliance

In diesen Tagen lässt sich daher wohl kaum behaupten, afrikanische Autoren würden in Europa nicht gewürdigt. Allerdings bleibe zu hoffen, dass dies auch dauerhaft der Fall bleibt, sagt der Herausgeber und Übersetzer Manfred Loimeier, der sich seit vielen Jahren mit afrikanischer Literatur beschäftigt. "Wir hatten ja auch mal den Boom lateinamerikanischer Autorinnen und Autoren in Gefolge von Gabriel García Márquez [der 1982 den Literaturnobel-Preis gewann, Anmerk. d. Redaktion], was dann auch eingeschlafen ist." Afrika komme insgesamt noch wenig vor, aber über die Jahrzehnte hinweg sei es immer ein bisschen besser geworden. 

Im Grunde ist er jedoch zuversichtlich, dass das Interesse an Afrika von Dauer ist. In Deutschland finde über die deutsch-afrikanische Bevölkerung ein gewisses Engagement statt, so Loimeier, das es erlauben werde, das Thema dauerhaft anzudocken - gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich Deutschland mehr und mehr mit der eigenen kolonialen Vergangenheit auseinandersetzt. "Ich hoffe, dass das dazu beiträgt, dass wir Afrika eben auch als Teil unserer eigenen Kultur zu verstehen lernen." Viele würden Afrika noch immer sehr separiert sehen, "so als hätte es eigentlich nichts mit uns zu tun. Und da bin ich ganz anders der Meinung, dass die Entwicklung der deutschen Geschichte ja im Grunde genommen auch auf der Kolonialzeit beruht."

Diversität - das neue Normal 

Der Buchmarkt ist nicht der einzige Bereich, in dem der Ruf nach Vielfalt lauter wird. Diversität ist das Gebot der Stunde, sei es in Politik, Wirtschaft oder Kultur. Auch die Film- und Fernsehbranche wird allmählich vielfältiger, doch ist der Weg ein langer, Geduld ist gefragt. "Ich merke, dass sich etwas ändert - aber im kleinen Rahmen", sagt die deutsche Schauspielerin Denise M'Baye, die selbst afrikanische Wurzeln hat. 

Bücher von Abdulrazak Gurnah werden auf einem Tisch ausgestellt
Abdulrazak Gurnah erzählt Geschichten von Migration, in denen ewiger Wechsel und beständiger Umbruch gewiss sindBild: AFP via Getty Images

So mag es also Zufall sein, dass jetzt viermal hintereinander afrikanische Autoren wichtige Preise gewonnen haben. Ein gutes Zeichen ist es allemal. Und ob die Jury des Prix Goncourt nun eine rein literarische Bewertung abgegeben hat oder ob da auch politische Überlegungen mitgespielt haben aufgrund der zuvor geäußerten Kritik an dem Preis, bleibt Spekulation. Fest steht, dass es einem Preis gut tut, wenn er zeigt, dass er offen ist für Diversität. 

Senegals Präsident Macky Sall jedenfalls freut sich öffentlich über die Auszeichnung und Anerkennung für Mohamed Mbougar Sarr, der im Senegal aufgewachsen ist, aber inzwischen in Frankreich lebt: Er gratuliere seinem Landsmann ganz herzlich, so Sall auf Twitter: "Ich bin stolz auf diese hohe Auszeichnung, die die Tradition der herausragenden Leistungen der senegalesischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller verdeutlicht."

Herkunft und Identität  

Eine Sache zeigt sich bei Preisverleihungen wie diesen allerdings auch: Es gibt nach wie vor ein großes Bedürfnis nach Zuordnung. Dass Damon Galgut, der in Kapstadt lebt, ein südafrikanischer Autor ist, mag einfach zu beurteilen sein. Und auch Mohamed Mbougar Sarr lebt erst seit ein paar Jahren in Frankreich und wird daher wohl zurecht als senegalesischer Landsmann bezeichnet. Wie aber steht es es mit Abdulrazak Gurnah: Ist er ein britischer oder ein tansanischer Autor? Er ist in Tansania aufgewachsen, lebt und arbeitet aber seit mehreren Jahrzehnten in Großbritannien.

Manfred Loimeier fällt dazu folgendes ein: "Es gibt einen sehr schönen Roman von Dany Laferrière. Er kommt aus Haiti, lebt in Kanada und hat ein Buch geschrieben mit dem Titel 'Ich bin ein japanischer Schriftsteller'. Darin entwirft sein Protagonist eine Biografie, indem er sagt: 'Mein Publikum ist in Japan, ich schreibe für einen japanischen Verlag, dort sind meine Leser. Also eigentlich ist meine Wahrnehmung eine japanische. Und da ich nur dort in Japan als Schriftsteller wahrgenommen werde, bin ich eigentlich ein japanischer Schriftsteller.' Das fand ich als Ansatz ungewöhnlich, aber gut."

Afropäisch - auf der Suche nach Identität

Der Roman von Mohamed Mbougar Sarr wurde laut Börsenblatt bisher in 22 Sprachen übersetzt. Für die deutsche Ausgabe hat sich der Hanserverlag die Rechte gesichert, sie soll im Herbst 2022 erscheinen.