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Neue Geschäftsmodelle für den Journalismus?

28. April 2010

Im Wiener Rathaus beim "Winners Dinner" des alljährlichen Europäischen Zeitungskongresses: Die Gewinner freuen sich über die Auszeichnung als "Europas beste Zeitung". Aber sie suchen immer noch ein neues Geschäftsmodell.

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Europäischer Zeitungskongress in Wien, 26.04.2010, Festsaal des Wiener Rathauses (Foto: Eleni Klotsikas)
Europäischer ZeitungskongressBild: DW

"Wir wollten alles wegwerfen, was in herkömmlichen Zeitungen nicht funktioniert und eine neue Zeitung bauen", sagt Nick Mrozowski, Art-Director bei "i informacao“. Das versammelte Publikum: Zeitungsmacher aus ganz Europa. Prämiert werden dieses Jahr auf dem Europäischen Zeitungskongress in Wien die vor einem Jahr erst gegründete portugiesische Tageszeitung "i informacao" als beste überregionale Zeitung, die gerade umstrukturierte "Stuttgarter Zeitung“ als beste Regionalzeitung und die südschwedische "Smålandsposten" in der Kategorie beste Lokalzeitung.

Das Konzept der "i informacao" ist innovativ: Ressortgrenzen gibt es nicht, so erhält der Leser auf den ersten Seiten einen so genannten „Radar", einen Überblick mit den wichtigsten Nachrichten aus allen Ressorts. Auf den weiteren Seiten finden sich unter dem Titel "Zoom" Tiefgründiges, Reportagen, Analysen und Essays. Die Zeitung möchte alles andere als langweilig daher kommen, und so werden anstelle von Fotos auch gerne Illustrationen verwendet, bei Politkern auch gerne gezeichnete Comics. Kurz und gut: "i informacao" schwimmt gegen den Mainstream schon allein deshalb, weil sie sich erst vor einem Jahr inmitten einer Medienkrise gegründet hat. Kurzfristig scheint das Konzept aufzugehen. Nach eigenen Angaben haben ein Viertel der Leser vor der "i" gar keine Tageszeitung gelesen. "In fünf Jahren möchten wir den Break Even erreicht haben“, versprüht Chefredakteur Andre Macedo Optimismus vor seinen europäischen Kollegen. Notgedrungen, denn dann endet die Finanzierungshilfe des Sponsors von "i informacao" - und wenn das Unternehmen dann nicht schwarze Zahlen schreibt, wird auch diese Zeitung trotz ihrtes innovativen Konzepts ein Verlustgeschäft.

Wie bleibt Journalismus überhaupt finanzierbar?

Die Zeiten, in denen man mit Zeitungen viel Geld verdienen konnte, scheinen erst einmal vorbei zu sein. Schlimmer noch, es stellt sich sogar die Frage, wie Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter überhaupt noch finanzierbar bleibt. Die Auflagen der Tageszeitungen sinken, bis auf wenige Ausnahmen, in Europa seit einigen Jahren kontinuierlich. Zudem müssen Printprodukte massive Anzeigenverluste in Kauf nehmen. Das Gros des Werbevolumens wandert zunehmend ins Internet ab, jedoch nicht zu den Online-Seiten der Zeitungen und Zeitschriften, sondern zu Suchmaschinen wie Google und anderen Portalen.

Symbolbild Presseschau, Zeitungen, Presse, Journalismus, 2006
Unter massivem Druck aus dem Netz

"Man muss sehen, dass man im Internet Gewinn erzielt, weil sonst das Modell Zeitung nicht mehr funktionieren wird", resümiert Norbert Küpper, Zeitungsdesigner, Gründer und Mitveranstalter des European Newspaper Congress (ENC) die Lage seiner Branche im Interview. So schwebte diese Frage der Monetarisierbarkeit digitaler Inhalte wie ein Damoklesschwert über den diesjährigen ENC. Das spiegelt sich auch im Programm.

Noch vor der offiziellen Begrüßung tritt Romanus Otte, Geschäftführer von Welt-Online, auf die Bühne. Es helfe nichts, wenn man jetzt den Kopf hängen lasse. "Wir sind in einer Übergangszeit mit Chancen und Risiken", so Romanus Otte. Dann gibt er Einblicke in die Experimentierfelder seines Verlages, die darauf hinauslaufen, jenseits der gedruckten Zeitung mit Journalismus Geld zu verdienen. So versucht der Verlag im Internet mit der "Berliner Morgenpost" und dem "Hamburger Abendblatt" mit Online-Abos Einnahmen zu erzielen. Ein Großteil der Artikel bleibt kostenlos, zahlende Abo-Kunden erhalten Zugang zu einem gesonderten Premium-Bereich mit weiteren exklusiven Artikeln.

Romanus Otte, Geschäftsführer von Welt-Online, auf dem Zeitungskongress (Foto: Eleni Klotsikas)
Romanus Otte beim Vortrag über Experimente mit neuen digitalen Geschäftsmodellen im Springer-VerlagBild: DW

"Freemium" heißt dieses Geschäftsmodell, ein Kunstwort - zusammengesetzt aus den Worten "free" und "premium". Erfolg haben mit dieser Strategie bisher nur Wirtschaftszeitungen: Die britische "Financial Times" nimmt jährlich 20 Millionen Euro von mehr als 10.000 Online-Abonnenten ein, auch Rupert Murdochs US-amerikanische Wirtschaftszeitung "Wallstreet Journal" fährt mit Online-Abos hohe Gewinne ein. Doch ob dies Freemium-Modell auch bei regionalen Nachrichten funktioniert? Der Springer Verlag will es jedenfalls herausfinden. "Gerade die regionalen Inhalte haben einen besonderen Wert für die Nutzer, und daher wollen wir dafür einen Preis berechnen", sagt Romanus Otte.

Apps und weitere Geschäfte

Ein weiteres Experimentierfeld sind so genannten "Apps", kostenpflichtige Zusatzprogramme von Apple, mit denen Nutzer Zeitungen auf ihrem IPhone lesen können. 2,99 Euro kostet die "Welt" per App für einen Monat, wer die Bildzeitung für einen Monat auf seinem IPhone lesen will, zahlt 1,59 Euro. Dass man den Kundenkontakt verliere, sei das größte Problem bei Apple's I-Phone oder demnächst auch beim I-Pad sowie bei Amazon's elektronischem Lesegerät Kindle. Die Zahlungen laufen nämlich über die Abrechnungssysteme von Amazon und Apple, die zudem noch einen großen Anteil der Einnahmen für sich einbehalten.

Tageszeitungen aus dem Springer-Verlag. (Foto: dpa)
Tageszeitungen aus dem Springer-VerlagBild: dpa

Neben der Monetarisierung ihrer digitalen Inhalte versuchen inzwischen fast alle Verlage, Journalismus auch mit Nebengeschäften zu finanzieren. Zum Beispiel mit Online-Datingseiten, Onlineshops, Buchreihen oder Konferenzen. Bei der Antwort auf die Frage, welchem der vielen Lösungsansätze, jenseits der gedruckten Zeitung mit Journalismus Geld zu verdienen, er die meisten Zukunftschancen einräumt, wollte sich Romanus Otte beim ENC in Wien nicht festlegen. Für diese Übergangsphase gelte vor allem ein Grundsatz: "Fail early, fail often, fail cheap."

Autorin: Eleni Klotsikas
Redaktion: Hartmut Lüning