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Pressestimmen von Samstag, 4. November 2006

Ursula Kissel3. November 2006

Zusätzliche Steuereinnahmen / Berlusconis Interesse an ProSiebenSat.1

https://p.dw.com/p/9Km4
Die unerwarteten Steuereinnahmen und das Interesse von Berlusconis Mediengruppe Mediaset an ProSiebenSat.1 sind Themen, denen sich die Kommentatoren der deutschen Tagespresse angenommen haben. Zunächst zu den Steuermehreinnahmen:

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN zeigen sich vorsichtig positiv:

"Freuen wir uns, dass es aufwärts geht. Erstmals wird der Staat im kommenden Jahr mehr als eine halbe Billion Euro Steuern eintreiben. Aber werden wir nicht übermütig. Vergessen wir nicht, dass Steinbrück trotz aller zusätzlichen Steuermilliarden lediglich die Neuverschuldung bremst. Von einer Schuldentilgung ist bis auf weiteres nicht die Rede. Vergessen wir nicht, dass die Krankenversicherungsbeiträge in wenigen Monaten spürbar steigen und dass zum Jahresanfang ungeachtet der staatlichen Mehreinnahmen die Mehrwertsteuer erhöht wird. (...) Noch hängt unser neues Glück am seidenen Faden."

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf schreibt:

"Die Debatte über die so genannten Steuerüberschüsse war von Anfang an eine Gespensterdiskussion. Die Koalition hat nun die einzig vernünftige Entscheidung getroffen: Sie will den Löwenanteil des Geldes dazu nutzen, die Neuverschuldung zu senken, wie von Finanzminister Peer Steinbrück gewünscht. (...) Dass Union und SPD nebenbei die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung etwas stärker senken als ursprünglich geplant, ist allenfalls Kosmetik. (...) Entscheidend ist, dass - endlich mal wieder - die Richtung stimmt..."

Warnende Töne kommen von der OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

"Wer unverhofft im Geld schwimmt, kann leicht die Orientierung verlieren. Hier ein paar Haushaltslöcher stopfen, dort ein paar Beitragsprozente senken - das kann doch wohl nicht die Lösung sein und hat mit langfristig orientierter Reformpolitik schon gar nichts gemein. (...) Die große Koalition in Berlin - sie schwingt sich elegant auf die Erfolgswelle des wirtschaftlichen Aufschwungs und zerbröselt sich durch anhaltende parteitaktische Gegnerschaft selbst."

Die KIELER NACHRICHTEN kritisieren:

"Die Steuerquellen sprudeln und trotzdem erhöht der Gesetzgeber die Mehrwertsteuer. Zwar sinken die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, dafür steigen aber die Abgaben an die Renten- und Krankenkassen. Die Leute werden insgesamt nicht entlastet, sondern weiter geschröpft."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München glaubt:

"Angela Merkel hat nun das Glück, dass ihr erstes Jahr als Kanzlerin mit einem erstaunlich kräftigen Aufschwung zusammenfällt. Das Minus in der öffentlichen Kasse schwindet wie von selbst. Merkel hat, ebenso wie ihr Finanzminister, verstanden, dass sie dieses Glück nun nicht durch ein allzu freigiebiges Ausgabegebaren aufs Spiel setzen darf."


Themenwechsel. Die italienische Mediengruppe Mediaset des früheren Ministerpräsidenten Berlusconi prüft die Übernahme von Deutschlands größtem TV-Konzern ProSiebenSat.1.

Dazu bemerkt das COBURGER TAGEBLATT:

"Die Italiener haben Silvio Berlusconi als Ministerpräsidenten los. Was für Italien gut ist, könnte sich aber für Deutschland als schlecht erweisen. Denn dem gelifteten Oligarchen scheint es jetzt derart langweilig zu sein, dass er in den deutschen Fernsehmarkt einsteigen will. Bis Dienstag will sein Medienimperium Mediaset entscheiden, ob es den größten deutschen TV-Konzern ProSiebenSat.1 kaufen soll. Wenn Berlusconi der Deal gelänge, wäre dies eine erhebliche Schwächung der Senderkette und der deutschen Fernsehlandschaft."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam ist der Ansicht:

"Die Nachricht, dass Silvio Berlusconi an ProSieben-Sat1 interessiert ist, kam unerwartet. Ebenso unerwartet blieb die Empörung darüber aus - anders als 2002, als Berlusconi schon einmal Interesse für die Sendergruppe bekundet hatte. (...) Man mag es nicht gerne sehen, dass Berlusconi, der unabhängigen Journalismus mit Füßen tritt und in Italien skrupellos politische Interessen mit seinen TV-Sendern verfolgt, hierzulande Fernsehen machen könnte. Man sollte die Gefahr aber auch nicht überzeichnen."

Die Freiburger BADISCHE ZEITUNG hinterfragt:

"Kämen mit Berlusconi italienische Verhältnisse? Politisch gesehen sicher nicht. Um sich ins wichtigste politische Amt hieven und sich dann stützen zu lassen, rüstete Berlusconi seine Heimatsender zu Propagandamaschinen auf. So etwas nützt ihm hier nichts. Bundeskanzler darf er nicht werden. Berlusconi kann es in Deutschland nur ums Geld gehen. (...) Italienischer könnte mit Berlusconi das Programm werden.

Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf ist sich sicher:

"Nun fürchten alle Berlusconi. Den kann das Kartellamt nicht verhindern. Rechtlich wäre sein Mehrheits-Einstieg wohl nur noch über ein Beteiligungsgesetz wie in Frankreich oder den USA möglich, wo Ausländer maximal 49 Prozent an TV-Konzernen halten dürfen. Aber ein solches ohnehin schwer begründbares Gesetz aus gegebenen Anlass durchzupauken hieße, Berlusconi mit den Mitteln seiner eigenen Regentschaft zu bekämpfen. Dann soll er die Sender doch lieber kaufen."

Ironie kommt von der RECKLINGHÄUSER ZEITUNG:

"Nein, Schund haben wir ohne Berlusconi schon genug im deutschen TV, da brauchen wir nicht auch noch eine neue Tutti-Frutti-Offensive mit Verona-Feldbusch-Intellekt aus dem sonnigen Süden. Das Fernsehen für Bekloppte, wie die Frau des ehemaligen italienischen Staatspräsidenten Ciampi über die Berlusconi- Programme urteilt, möge Deutschland erspart bleiben."