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Pressestimmen von Samstag, 30. September 2006

Christoph Schmidt 29. September 2006

Pleite von BenQ / US-Senat billigt Antiterrorgesetz

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Der taiwanesische BenQ-Konzern hat die Insolvenz seiner deutschen Handyproduktion bekannt gegeben. Erst im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen die Sparte von Siemens gekauft. Jetzt stehen 3000 Arbeitsplätze vor dem Aus. Außerdem beschäftigt sich die Presseschau mit der Zustimmung des US-Senats zum neuen Antiterrorgesetz.

Die WETZLARER NEUE ZEITUNG schreibt zur Rolle von Siemens:

"Mit dem Verkauf an BenQ ist Siemens juristisch aus dem Schneider. Für die Zukunft der 3000 Mitarbeiter und ihre Familien ist das Unternehmen dennoch mit verantwortlich. Schließlich waren es handfeste Fehler der gut bezahlten Manager, die die Handy-Sparte erst in die roten Zahlen und dann in die Hände der Asiaten getrieben haben. Der deutsche Weltkonzern sollte zeigen, dass Globalisierung und soziale Verantwortung kein Widerspruch sein müssen."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER geht mit dem deutschen Unternhemen härter ins Gericht und meint:

"Fast alles spricht dafür, dass die Taiwanesen nur die Drecksarbeit für Siemens erledigen sollten, vor der sich der rendite-geile Vorstands-Chef Klaus Kleinfeld gedrückt hat. Und deshalb ist der Fall BenQ in Wahrheit ein Skandal Siemens. Offenbar war nicht die Sanierung der Handy-Sparte Ziel, sondern die relativ geräuschlose Entsorgung von 3000 Arbeitsplätzen. Wenn NRW-Ministerpräsident Rüttgers von einer "Sauerei" spricht und der Betriebsrat im Kamp-Lintforter Werk von "arglistiger Täuschung", dann kommen sie der Realität recht nahe."

Im MÜNCHNER MERKUR liest man dazu:

"Die Siemens-Mitarbeiter sind, wie es scheint, Opfer eines brutalen und miesen Handels geworden: Von ihrem Arbeitgeber für ein paar Silberlinge verkauft, vom neuen Eigentümer BenQ verraten und am Ende von skrupellosen Finanzhaien als Wohlstandsmüll der Solidargemeinschaft vor die Tür gekehrt - funktioniert so Globalisierung, Herr Kleinfeld? Ein Mann, der es mühelos schafft, den untadeligen Ruf des renommiertesten deutschen Industrieunternehmens in 18 Monaten restlos zu ruinieren, ist an der Spitze des Weltkonzerns kaum tragbar."

Für die NÜRNBERGER NACHRICHTEN steht die Pleite von BenQ in einem größeren Kontext:

"Zu viele Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik in diesem Lande spielen derzeit ein gewagtes, ein sehr gefährliches Spiel: Sie testen offenbar die Leidensfähigkeit der Bürger aus. Sie zerstören durch ihr Verhalten Vertrauen. Und weil viele Menschen nicht ganz zu Unrecht in den Spitzenmanagern und -politikern auch Repräsentanten dieses Landes sehen, droht das gesamte, jahrzehntelang so stabile System der Bundesrepublik in eine Legitimationskrise zu geraten."

Themenwechsel: Nach dem Repräsentantenhaus hat nun auch der US-Senat das neue Antiterrorgesetz gebilligt. Es erlaubt unter anderem scharfe Verhörmethoden und schränkt Rechtsmittel der Gefangenen ein.

Dazu meint der BERLINER KURIER meint:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar! So steht es in unserem Grundgesetz. Und auch in der US-Verfassung. Präsident George W. Bush liest sie offenbar nicht. Foltern, bis die Knochen brechen. Die Wahrheit ans Licht prügeln. Das scheint die politische Devise des US- Präsidenten zu sein. Er irrt! Denn die Wahrheit kommt nie unter Folter ans Tageslicht. Daher haben humanistische Europäer und Amerikaner die Folter als Wahrheitsinstrument abgeschafft. Weil die Würde des Menschen eben unantastbar ist, darf Folter nie zu einem Mittel der Politik werden. Herr Bush, schämen Sie sich!"

Im WIESBADENER KURIER heißt es:

"Die Zustimmung einer bedrückend großen Mehrheit im Kongress zum so genannten Anti-Terror-Gesetz der Regierung Bush wird als Tag der Schande in die über 200-jährige Geschichte der amerikanischen Demokratie eingehen. Billigung scharfer Verhörmethoden, sprich der Folter, Beweise nach Hörensagen, Geständnisse unter Zwang, Straffreiheit für staatliche Gewalttäter. Damit verabschieden sich die Vereinigten Staaten als Vorkämpfer der Freiheit in der Welt. Auf diese Weise wird der Westen den Kampf gegen die Terroristen verlieren - indem er sich ihren Methoden immer mehr annähert."

Die TAGESZEITUNG, kurz: taz, aus Berlin bemerkt:

"Tatsächlich sind sich auch etliche republikanische Senatoren darüber im Klaren, dass Teile des Gesetzes der erneuten Überprüfung durch den obersten Gerichtshof nicht standhalten werden. Dieses Verhalten einer Legislative, eigentlich im höchsten Grade verantwortungslos, ist nur durch den bevorstehenden Schlussspurt im Kongresswahlkampf zu erklären. Es zeigt, dass die Republikaner noch immer ihre Stärke in der 'harten Hand' gegen den Terror vermuten und zu viele Demokraten - 12 von ihnen stimmten für das Gesetz - noch immer glauben, als Opportunisten besser zu fahren denn als Anwälte der Menschenrechte.'

Und in der NÜRNBERGER ZEITUNG liest man:

"Wenn der republikanische Senator Lindsey Graham meint, das neue Verhör-Gesetz sehe ein System für die Behandlung von Gefangenen vor, auf das, 'die USA stolz sein könnten', zeigt sich, wie weit diese Regierung schon von der Realität entfernt ist. Sollte Georg W. Bush damit fortfahren, systematisch die Grundrechte in den USA auszuhöhlen, fragt man sich, was er am Ende gegen die Terroristen noch verteidigen will."