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Pressestimmen von Samstag, 20. Mai 2006

Martin Muno 19. Mai 2006

Erhöhung der Mehrwersteuer

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Der Bundestag hat mit den Stimmen der Großen Koalition die Erhöhung der Mehrwersteuer beschlossen. Die Reaktion in den Kommentarspalten der Presse ist fast einhellig negativ.

So schreibt die in Regensburg herausgegebene MITTELBAYERISCHE ZEITUNG:

"Wie selbstverständlich hat die große schwarz-rote Mehrheit im Bundestag die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht. (...) Die große Koalition wählt damit den scheinbar einfachen, aber in seinen Wirkungen deutlich schlechteren Weg zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Neben der riskanten Steuererhöhung bescherten sich die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD obendrein noch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Eine große Koalition der Steuererhöher haben die Wähler nicht gewollt."

Der Berliner TAGESSPIEGEL bemerkt kurz und bündig:

"Man muss keinen Einser in Volkswirtschaft vorweisen können, um zu ahnen, dass diese Mehrwertsteuererhöhung ein Fehler war."

Die OFFENBACH-POST kommt zum gleichen Urteil, formuliert es aber drastischer:

"Gestern haben sie die Konjunktur vergiftet. Sie haben die größte Steuererhöhung seit Bestehen der Republik, harmlos Haushaltsbegleitgesetz genannt, durch den Bundestag gepeitscht, obwohl reihenweise wirklich echte Experten bis zur letzten Sekunde vor den wahrscheinlich verheerenden Folgen gewarnt hatten. Auf dem bislang von der Bruch und Murks AG vorwiegend aus Steuererhöhungen und gebrochenen Wahlversprechen zusammengestoppelten Fundament jedenfalls wird man keine sonderlich stabile, zukunftsträchtige Politik aufbauen."

Die Münchner ABENDZEITUNG kritisiert:

"Keine Regierung hat den Bürgern je zuvor so ungeniert in die Taschen gegriffen. Der Kaufkraft - der entscheidenden Größe für das Wirtschaftswachstum - entzieht das Steuerpaket in den kommenden drei Jahren rund 100 Milliarden Euro. Leider fehlt das Gegenstück. Eine vergleichbare Spar-Orgie bei den 145 Milliarden schweren Subventionen wagt das Trio Merkel, Steinbrück, Glos nicht. Die Schmerzensschreie der Lobbyisten wollen sie sich nicht antun. Da quälen sie lieber uns Bürger."

Die HEILBRONNER STIMME bemerkt:

"Für Deutschland ist dieser 19. Mai ein Trauertag. Die auf 19 Prozent angehobene Mehrwertsteuer lastet fortan wie eine Grabplatte auf dem Volk. Die Argumente für die drastische Anhebung sind allesamt nicht stimmig. Die Wahrheit ist: Auch bei der großen Koalition ist der Spar- und Reformmut nur klein ausgeprägt. Und die SPD stimmt sogar einer um 50 Prozent erhöhten Merkel-Steuer zu, die sie im Wahlkampf rigoros verteufelt hat. Für die Genossen ist dieser 19. Mai ein Tag der Schande."

Auch die CHEMNITZER FREIE PRESSE geht auf die Haltung der Sozialdemokraten bei diesem Thema ein:

"Sie waren es nämlich, die im Herbst vergangenen Jahren mit dem Versprechen auf Stimmenfang gingen, dass es mit ihnen keine Merkel-Steuer geben werde."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER meint:

"Mit etwas weniger Ausgabenfreude im Koalitionslager, mit einem stärken Willen zum Durchforsten der Staatsausgaben und mit einem Konjunkturaufschwung ließen sich die Finanzen weit besser, vor allem aber nachhaltiger in Ordnung bringen als mit stupiden Steuererhöhungen."

Und in der AACHENER ZEITUNG lesen wir:

"Steuererhöhungen dokumentieren (...) lediglich den größten gemeinsamen Nenner dieser Koalition: Einfallslosigkeit. Sie fördern Schwarzarbeit, dämpfen die ohnehin nicht starke Konjunktur und schaffen bei dem geringen Effekt an Senkung von Lohnzusatzkosten kaum neue Arbeits- und Ausbildungsplätze. Schwach!"

Die OSTSEE-ZEITUNG wägt Pro und Kontra der Steuererhöhung ab:

"Die Furcht der Firmen, dass die sich erholende Binnennachfrage abgewürgt wird, scheint berechtigt. Vor allem Handwerker geraten in noch schwereres Fahrwasser. Drehen doch viele ihrer Kunden bereits jeden Zehnt drei Mal um. (...) Andererseits bleibt dem Staat nur das Ziehen der Reißleine. Denn wie bei jedem Haushalt kann auch er nicht immer neue Kredite aufnehmen."

Das MAIN-ECHO aus Aschaffenburg sieht dagegen auch positive Aspekte der Entscheidung:

"Zugestanden: Drei Punkte mehr Mehrwertsteuer werden die deutsche Wirtschaft nicht an den Abgrund und die Steuerzahler nicht in den Ruin treiben. Berücksichtigt man außerdem die massiven Entlastungen der rot-grünen Einkommenssteuerreform zwischen 2001 und 2005, zeigt sich, dass die gesamtwirtschaftliche Steuerquote auch nach der Mehrwertsteuererhöhung im kommenden Jahr noch spürbar niedriger liegt als vor sechs Jahren."

Kritik an den Kritikern der Steuererhöhung übt auch die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Der bequemste Weg einer schlechten Haushaltspolitik führt zu immer mehr Schulden. Fast ebenso schädlich ist die billige Flucht in Steuererhöhungen. Aber die bequemste und schlechteste Form von Politik ist das, was den lautstärksten Gegnern der großen Mehrwertsteuer-Koalition einfällt. Bei einem strukturellen Etat- Defizit von 60 Milliarden Euro jährlich versprechen die größten Populisten im Land, sie würden die Mehrsteuer nicht erhöhen, sie würden die Steuern allgemein senken, sie würden keine Einschnitte bei den größten Staatsausgaben - Rentenzuschüsse - vornehmen und trotzdem für alle Milch und Honig verteilen können. Das ist ungefähr so überzeugend wie die Nachricht, Guido Westerwelle habe die Eier legende Wollmilchsau bei der Quadratur des Kreises erwischt."