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Pressestimmen von Samstag, 2. Dezember 2006

Bernhard Kuemmerling1. Dezember 2006

Rauchverbot / Papst-Besuch in der Türkei

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Das für Juli 2007 geplante Rauchverbot in Deutschland beschäftigt die Kommentatoren der Tageszeitungen. Ein weiteres Thema ist der Papst-Besuch in der Türkei:

Zum Rauchverbot meint der SÜDKURIER aus Konstanz:

"Vermutlich kann selbst ein überzeugter Raucher nicht erklären, warum Rauch in Kneipen und Bars für Nichtraucher weniger schädlich sein soll als in einem Speiselokal. Tabakqualm ist einfach lästig und ungesund. Und er schadet nachgewiesenermaßen auch den Menschen, die sich gegen das Rauchen entschieden haben. Es wäre rechtsstaatliches Prinzip, diese Mehrheit der Nichtraucher zu schützen. Statt sich aber auf ein konsequentes Rauchverbot zu einigen eine radikale und ehrliche Lösung also fehlte den Regierungsparteien der Mumm dazu. Die Kosten im Gesundheitswesen wegen Herz-, Kreislauf- und Krebsleiden werden weiter steigen. Zumindest die Koalition darf sich darüber nicht wundern. Das wäre denn doch zu scheinheilig."

In der BERLINER MORGENPOST heißt es:

"Im seit Jahren tobenden Streit zwischen Rauchern und Nichtrauchern gibt es ein Argument, das schwer wiegt: Raucher gefährden in ihrem Umfeld Mitmenschen, die weder der Sucht noch der Lust des Tabakkonsums anheimgefallen sind. Deshalb ist gegen ein verschärftes Rauchverbot nichts Grundsätzliches einzuwenden. Was die Koalition jetzt erarbeitet hat, geht denn auch in die richtige Richtung. Der Teufel steckt aber auch hier im Detail, und ehe ein Vorschlag durch die Gesetzesmühle gedreht ist, erfährt er noch so manche Wandlung. Hinter allem steht das Ziel des geringeren Tabakkonsums. Das allerdings wird nicht alle freuen. Der Bundesfinanzminister etwa bangt um die Einnahmen aus der Tabaksteuer, 1600 Beschäftigte allein in der Berliner Zigarettenindustrie fürchten um ihre Jobs."

Im MANNHEIMER MORGEN lesen wir:

"Die Einigung auf einen besseren Schutz von Nichtrauchern ist eine jener typischen Sowohl-als-auch-Lösungen der deutschen Konsens- Politik. So schlägt jetzt im Qualm des Koalitionskonklaves die Stunde der Interpreten. Und vermutlich folgt, sollte der Gesetzestext nicht eindeutiger formuliert sein, eine Flut juristischer Scharmützel, die dann Ordnungs- und Gewerbeaufsichtsämter wie auch die Verwaltungsgerichte auf Trab halten. Die vielen Ausnahmen und Widersprüche sind das Ergebnis eines mühsamen Kuhhandels und damit das Markenzeichen der Großen Koalition."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG stellt fest:

"(...) Es geht eben nicht nur um Volksgesundheit. Niemand wird verstehen, warum in Schankwirtschaften das (Passiv-)Rauchen weniger schädlich sein sollte als in Restaurants oder Krankenhäusern. Jedermann wird aber auch verstehen, daß es grotesk wäre, aus einer Kneipe einen Luftkurort machen zu wollen. Der einfache Grund dafür ist, daß Rauchen nicht nur mit Lungenkrebs zu tun hat, sondern auch mit Tabakkollegium, Genußsucht und Frauenemanzipation. Das mag als bürgerliche Nostalgie bezeichnen, wer die Kulturpflanze Tabak mit Stumpf und Stiel aus postmodernem Boden reißen will. Aber Diskotheken sind nun einmal keine Speiserestaurants."


Themenwechsel und damit zum Besuch des Papstes in der Türkei.

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder bilanziert:

"Der Verlauf des Papst-Besuches in der Türkei konnte so nicht unbedingt erwartet werden. Man rechnete mit Massendemonstrationen, befürchtete den Ausbruch von Gewalt und Hass. - Und dann fliegt Benedikt zurück nach Rom als neue türkische Sympathiefigur. 'Wir lieben diesen Papst', titelte eine Zeitung. Wer hätte das für möglich gehalten? ... Als Kreuzfahrer erwartet, hat Benedikt sich als Vertreter eines Dialogs der Religionen und Kulturen empfohlen - ohne jeden Anflug von Arroganz und des sonst nie zu überhörenden römischen Anspruchs auf Suprematie."

Die WESTFALENPOST aus Hagen stellt fest:

"Als wissensdurstiger Gast, nicht als Oberlehrer, ist Joseph Ratzinger in die Türkei gekommen. In Ephesus nahm er eine türkische Fahne in die Hand. In Istanbuls wichtigster Moschee betete er ernst und in sich versunken. Diese Zeichen der Achtung hat die türkische Öffentlichkeit sehr wohl aufmerksam registriert. Dem Papst sind kleine, aber umso wichtigere Schritte auf dem Weg zu einem Dialog gelungen, der sicher für beide Seiten nicht einfach wird, zu dem es aber letztlich keine Alternative gibt."

In der THÜRINGER ALLGEMEINEN heißt es:

"Viele Moslems überraschte es, den Papst zusammen mit dem Istanbuler Mufti gen Mekka beten zu sehen. Wären solche Bilder Normalität, hätten die Hassprediger weniger Zulauf. Doch nach Johannes Paul II. wagte sich erst zum zweiten Mal ein katholisches Oberhaupt in eine Moschee. Es liegt eine große Verantwortung bei den Religionsführern, nicht nur das Eintreten für Frieden zu predigen, sondern selbst voranzugehen. Solange aber die Christenheit selbst in Katholiken, Protestanten und Orthodoxe zerfällt, kann sie keine überzeugenden Zeichen setzen für die Verständigung. Die seltenen Begegnungen wie jetzt in der Türkei reichen nicht aus, um den gewaltbereiten Fanatikern das Wasser abzugraben."

Abschließend noch ein Blick in die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg:

"Jetzt ist der Papst doch noch zum großen Diplomaten geworden. Hart am Rande der Gastfreundschaft behandelte die Türkei den Besucher zuerst als Störenfried des eigenen Beleidigtseins. Dann bequemte sich Regierungschef Erdogan mühsam zum Flughafen. Und gestern reiste Benedikt XVI. als die größte moralische Autorität ab, die der Westen derzeit in einen Dialog mit der islamischen Welt schicken kann. Nach der Spaltung von Regensburg der Friede von Istanbul. Zwar muss nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden, das den türkischen Medien in ihrer Überraschung über den guten Christenmenschen aus Rom aus der Feder fließt. Aber das ist, nach all den tief eingefleischten Missverständnissen, immerhin ein Anfang, der zu mehr einlädt."