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Pressestimmen von Samstag, 1. Dezember 2007

Christian Walz30. November 2007

Koalitionsstreit um Mindestlöhne

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Soll es in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn für alle geben? - Diese Frage spaltet die große Koalition. Die SPD ist klar dafür, die Union ebenso klar dagegen. Nach der Einigung über einen Mindestlohn für Briefzusteller wittern die Sozialdemokraten jedenfalls Morgenluft und fordern Lohnuntergrenzen auch für andere Branchen.

Die KIELER NACHRICHTEN sind der Überzeugung:

"Jetzt wird die SPD nicht mehr locker lassen. Da mögen Christdemokraten noch so inbrünstig einen flächendeckenden Mindestlohn ablehnen: Er wird kommen, durch die Hintertür. Jetzt rächt sich, dass die Union den ordnungspolitischen Kurs aufgegeben hat, den sie einst auf ihrem Leipziger Parteitag beschlossen hatte."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER ist der Ansicht, Kanzlerin Merkel habe sich beim Thema Post-Mindestlohn als kühle Taktikerin erwiesen:

"In Wirklichkeit war die SPD gar nicht so unglücklich darüber, dass CDU/CSU beim Mindestlohn für Briefdienstleistungen blockierten. Ließ sich doch aus der Verweigerung ein prima Wahlkampfthema machen. Merkel sah das. Sie musste fürchten, dass die Mindestlohn-Debatte sich ähnlich desaströs für ihre Partei entwickelt wie die Auseinandersetzung um eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg im Sommer 2002. Nun aber hat sie dem Koalitionspartner den Wind aus den Segeln genommen."

Der Berliner TAGESSPIEGEL bewertet die Einigung auf einen Post-Mindestlohn hingegen als Punktsieg für die SPD:

"Sie hat einen Branchenmindestlohn erreicht, sie wird weitere fordern. Und Merkel und die Union können ab jetzt nicht mehr prinzipiell widersprechen, sondern höchstens wieder im Detail. Spätestens wenn es um eine Branche wie die Zeitarbeit geht, dürfte sich selbst das als Harakiri erweisen. Zu offenkundig ist dort Missbrauch, bloße Lohndrückerei eingerissen. Der schwarze Hase kann rennen wie er will, der rote Igel ist immer schon da."

Und der Kölner EXPRESS glaubt:

"Mit ihrem schnellen Einlenken hat Merkel in der Tat ein Eigentor geschossen. Denn wenn die Post-Konkurrenten Zehntausende Arbeitsplätze abbauen sollten, wird man vor allem ihr die Schuld in die Schuhe schieben und ihr vorwerfen, ohne Not vor der SPD eingeknickt zu sein. Die Kanzlerin mag das aussitzen, aber nicht die, die möglicherweise ihre kleinen Jobs verlieren."

Im MANNHEIMER MORGEN heißt es:

"Nichts fürchtet die CDU derzeit wohl mehr, als dass die SPD in den kommenden Wahlkämpfen einen Gerechtigkeits-Feldzug gegen sie führen könnte. Andererseits darf Merkel nicht den Eindruck entstehen lassen, die Wirtschaftsliberalen in ihrer Partei würden nur noch ein Nischen- Dasein fristen. Also wird die CDU-Spitze dem Parteitag einen Leitantrag vorlegen, der als Reaktion auf die SPD alle Reform-Schläfrigen im Lande geißeln wird. Nur, angesichts ihres Konsenskurses in der Großen Koalition wirkt diese Kampfansage nicht sehr glaubwürdig. Es scheint, als wolle es Merkel mit ihrem Sowohl-als-auch-Kurs allen recht machen."

Der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg meint:

"Die SPD muss sich fragen lassen, wo ihre Ziele liegen. Will sie um jeden Preis ihr Verhältnis zum DGB kitten? Führt sie Vorwahlkampf mit der Linkspartei? Betreibt sie das Geschäft eines Ex-Postmonopolisten oder geht es ihr um das Wohl schlecht bezahlter Arbeitnehmer? Es steht zu befürchten, dass dieses letzte Ziel durch Mindestlöhne nicht erreicht wird."

Abschließend noch der Kommentar der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, die folgendes Fazit zieht:

"Das Schauspiel um die Postler zeigt, dass ein allgemeiner Mindestlohn besser wäre als Lösungen für jede einzelne Branche. Eine nicht allzu hoch angesetzte Lohnuntergrenze würde all jene Niedrigverdiener schützen, die es wirklich nötig haben. Außerdem müssten SPD und Union sich dann nur einmal über die Höhe dieses Mindestlohns streiten und nicht Branche für Branche, wie es nun zu befürchten ist."