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Pressestimmen von Montag, 9. Juli 2007

Christoph Schmidt8. Juli 2007

Bilanz der Live Earth-Konzerte / Debatte um Terrorabwehr

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Von Rio bis Sydney und von Johannesburg bis Hamburg griffen an diesem Wochenende Rock- und Popgrößen in die Saiten, um für mehr Klimabewusstsein zu werben. Hunderttausende kamen zum Live Earth-Konzertmarathon, den der frühere US-Vizepräsident Al Gore angeregt hatte. Show-Spektakel oder wirksame Mobilisierung? Ein weiteres Thema dieser Presseschau ist der Fortgang der Diskussion um die Terrorabwehr in Deutschland.

In der THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt heißt es zu den Konzerten gegen den Klimawandel:

'Live Earth wird seinen Platz in der Musikgeschichte finden. Auch wenn Konzerte für die gute Sache inzwischen alles andere als selten sind. Viele ihrer hehren Ziele mögen längst nicht erreicht sein. Aber es gibt auch hoffnungsvolle Zeichen: Kanzlerin Merkel streitet mit Bono über eine gerechtere Welt. Wenn überall in der Welt jetzt mehr Menschen ernsthaft darüber nachdenken, was sie tun können, um der Erde den Klimakollaps zu ersparen, war Live Earth nicht umsonst.'

Die Münchner ABENDZEITUNG schreibt:

'Ist die Welt jetzt besser geworden? Wohl kaum. Wie albern die Verbindung von Musik und Moral wirken kann, demonstrierte die Band Juli, als sie ihren Hit 'Die perfekte Welle' mit dem Tsunami vor zwei Jahren in Verbindung brachte: 'Wir sind hier, damit so etwas nicht mehr passiert.' Doch darum geht es nicht. Sondern um die Tatsache, dass ein hochkomplexes Thema wie der Klimawandel erst dann viele Menschen erreicht, wenn die Botschaft einfach und verständlich verpackt wird. Rock und Pop können dabei ein Medium sein - nicht mehr, aber auch nicht weniger.'

Der MANNHEIMNER MORGEN befasst sich mit der aufklärerischen Wirkung der Konzerte:

'Nicht zuletzt sei das Thema Klimaschutz doch längst jedermann bewusst, wetterten viele Live Earth-Gegner. Spätestens hier springt die Kritik zu kurz: Die meisten Europäer werden aus den dürftigen Parölchen, die über die Leinwände flimmerten, wenig Erkenntnis gezogen haben. Ob das für alle Bewohner der USA, Südamerikas, Chinas oder Afrikas auch gilt? Es gibt durchaus noch genug weiße Flecken auf der Weltkarte des Umweltbewusstseins, denen ein inspirierender Funke gut tun kann, sei er auch noch so simpel und unterhaltsam.'

Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster sehen das Engagement der Musiker kritisch:

'Man weiß es längt: An dem von Al Gore initiierten Spektakel haben zum Teil dieselben Künstler mitgewirkt, die einst mit der Concorde von einem Live Aid-Konzert zum nächsten dröhnten wie Phil Collins. Das Pop-Geschäft macht sich natürlich die großen Anlässe zu Nutze. Künstler verzichten auf Gage, nehmen aber gern die Reklame mit. Und tun brav kund, dass sie jetzt zuhause mal das Licht ausschalten. Und doch: Milliarden von Fans, die sich eigentlich nur unterhalten wollten, haben die Einsicht gewonnen, dass Klimaschutz keine Marotte von Öko-Aktivisten ist, sondern ein zentrales Anliegen der Menschen.'


Themenwechsel: Im Streit um die richtigen Maßnahmen zur Terrorabwehr heizt Bundesinnenminister Schäuble die Debatte weiter an. Nun forderte er sogar staatliche Vollmachten zur gezielten Tötung von Terrorverdächtigen. Damit stößt er nicht nur bei politischen Gegnern auf heftige Kritik, sondern auch in den Pressekommentaren.

Für die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld passt der Vorschlag ins Bild:

'Der Innenminister hat aus seiner Radikalität in der Vergangenheit nie einen Hehl gemacht. Was er jetzt fordert, strapaziert den deutschen Rechtsstaat jedoch derart, dass klar wird: Dieser Mann muss gestoppt werden. Ein Handyverbot für Islamisten ist in Anbetracht seiner weiteren Forderungen noch recht harmlos. Die gezielte Tötung von Terroristen kommt der Einführung der Todesstrafe durch die Hintertür gleich.'

In der STUTTGARTER ZEITUNG heißt es:

'Schäuble lotet schon seit Monaten immer wieder die Grenzen aus. In einem hat er Recht: Die wirkliche Bewährungsprobe für diejenigen, die jetzt Abscheu und Entsetzen über seine Vorstellungen äußern, käme erst, wenn in Deutschland ein schlimmer Anschlag passieren würde. Das würde zwar nicht beweisen, dass man mittels ausgehebelter rechtsstaatlicher Grundsätze ein solches Geschehen verhindern könnte, doch genau das macht Schäubles Wortwahl zum Spiel mit dem Feuer. Er relativiert bis jetzt unumstrittene Prinzipien schon vor einer solchen Belastungsprobe'

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hat begrenztes Verständnis für den Innenminister:

'Als Bundesinnenminister ist Schäuble der erste, den die Bürger für ihre Sicherheit verantwortlich machen werden. Das rechtfertigt sein Mahnen. Mit seinen ständigen neuen Forderungen lenkt Schäuble aber zugleich davon ab, dass manches tatsächlich zum Schutz der Allgemeinheit neu geregelt werden sollte. Warum ist etwa die Ausbildung in einem ausländischen Terrorcamp bislang nicht strafbar? Und es wäre naiv zu glauben, der Kampf gegen den Terrorismus würde ohne die umstrittenen Online-Durchsuchungen auskommen. Aber bitte nur im konkreten Verdachtsfall und auf richterliche Anweisung.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG wirft dem Minister ein falsches Spiel vor:

'Der Minister redet so, als könne Deutschland sein Heil nur durch seine Verwandlung in einen 007-Staat finden. Er redet von Besonnenheit und praktiziert das Gegenteil; er warnt vor Hysterie, verbreitet sie aber höchstselbst; er missbilligt Guantanamo, redet aber so, als sei dringlich eine Guantanamoisierung des deutschen Rechtssystems vorzubereiten. Das alles hat mit freiheitlichem Recht nichts mehr zu tun. Dementsprechend fordert Schäuble die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus. Er meint damit offenbar die Freiheit vom Recht, weil er Recht als Hindernis versteht.'