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Pressestimmen von Montag, 7. Mai 2007

Christoph Schmidt; Martin Muno6. Mai 2007

Entscheidung in Frankreich

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Das Ergebnis war zum Schluss nicht mehr überraschend, könnte aber weitreichende Folgen haben für die gesellschaftliche Entwicklung in Frankreich: Der Konservative Nicolas Sarkozy wird neuer Staatspräsident. Mit deutlich über 50 Prozent gewann er die Stichwahl klar vor seiner sozialitischen Konkurrentin Royal. Die Entscheidung im Nachbarland ist sowohl in den Kommentaren der deutschen als auch der internationalen Presse das wichtigste Thema.

Die NEUE PRESSE aus Hannover schreibt: 'Wenn schon ganz neue Zeiten, dann richtig. So lässt sich das Wahlergebnis vielleicht noch am besten erklären. Die Franzosen haben sich für die härtere man könnte auch sagen autoritäre Variante des Aufbruchs entschieden. Zweifelsohne aber ist das Land in zwei Lager gespalten. Die Anhänger von Ségolène Royal, darunter eben auch all die Benachteiligten in den heiklen Zonen der Vorstädte, sehen in Sarkozy einen Hardliner, dem sie abgrundtiefes Misstrauen entgegenbringen. Eine Art Befriedungspolitik wird daher zu den vorrangigen Aufgaben des neuen Präsidenten gehören müssen.'

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG blickt auf die Wahlverliererin:

'Nicolas Sarkozy hat den Ruf des Machers. Dem hatte seine Herausforderin nicht viel entgegenzusetzen. Mit Vollbeschäftigung, geringeren Staatsschulden, besserem Bildungssystem lagen die

beiden Kandidaten bei ihren Wahlversprechen ohnehin fast synchron. Staat oder Markt als Problemlöser lautete so die entscheidende Frage. In der Debatte um den Weg zum Ziel hat es Ségolène Royal nicht geschafft, die Mehrheit von ihren Vorstellungen und der Praktikabilität ihrer Priorität sozialer Gerechtigkeit zu überzeugen. Unter dem Motto «Die Schöne oder das Biest» schürte sie Ängste, beschwor Sozialchaos und Bürgerkrieg herauf, wenn Sarkozy in den Elysée-Palast einzieht.'

Die Potsdamer MÄRKISCHE ALLGEIMEINE urteilt: 'Es war eine Richtungswahl, auch wenn beide Kandidaten zum Schluss die Mitte umarmten. Durchgesetzt hat sich derjenige, der viel stärker für Reformen steht. Was Sarkozy will, ist eine französische Agenda 2010. Sein Sieg deutet darauf hin, dass eine knappe Mehrheit dieses Ziel teilt. Ob eine solche Politik in Frankreich durchsetzbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Viel wird vom Ausgang der Parlamentswahlen in sechs Wochen abhängen, aber auch davon, ob Sarkozy, der Ungestüme, den richtigen Ton findet. Jacques Chirac knickte ein, als die Massen gegen Reformen auf die Straßen gingen. Sarkozy soll ja von anderem Schrot und Korn sein. Jetzt kann er es beweisen.

Die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel bemerkt zum künftigen Staatsoberhaupt: 'Der neue Präsident muss nun zeigen, ob er die Geister beherrschen kann, die er in den vergangenen Wochen rief. Ohne Scham fischte er im Wahlkampf deutlich im rechtspopulistischen Becken und machte nationalistisches Gedankengut hoffähig. Dabei muss Frankreich sich aus der lähmenden Polarisierung in Linke und Konservative befreien. Nur so kann eine zukunftsweisende Innenpolitik vorangetrieben werden. Aus deutscher Sicht hätte viel für den liberalen Europäer François Bayrou gesprochen. Der Vorteil von Sarkozy gegenüber Ségolène Royal ist, dass er berechenbarer ist.' Mit der Wahl in Frankreich befassen sich auch die europäischen Blätter:

Die Pariser Zeitung LA CROIX etwa schreibt zu den Herausforderungen, die ihn erwarten: 'Die Franzosen haben gewählt. Ihre Botschaft ist klar. (...) Nach der Zeit der Reden, der begeisterten Meetings kommt nun die - schwere - Zeit des Handelns. Der neue Präsident steht vor zwei Herausforderungen: Er muss seine vielen Versprechen halten und tun, was er angekündigt hat.'

Die österreichische Zeitung DIE PRESSE kommentiert:

'Nun muss der ehrgeizige konservative Politiker sich des Vertrauens würdig erweisen. Zeigen, dass es ihm nicht so sehr um die Macht geht, wie ihm manche vorwerfen, als vielmehr um die zügige Umsetzung des Reformvorhabens.'

Das Blatt EL PAÍS aus Spanien meint dazu:

'Sarkozy muss nun gegen seinen möglicherweise größten Feind kämpfen: gegen sich selbst und seinen Hang zum Populismus. Als Präsident darf er nicht mehr so sein, wie er als Kandidat war.'

Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT sieht die Erwartungen an den künftigen Präsidenten so: 'Sarkozy muss zeigen, dass seine Zusage, 'Präsident aller Franzosen' zu werden, keine hohle Phrase ist und dass Erneuerung Frankreich weiter bringt als die Ängstlichkeit, die sein Vorgänger in den vergangenen Jahren gezeigt hat.'

In der italienischen Zeitung 'La Stampa' heißt es: 'Die Franzosen haben eindeutig den 'homo novus' - Nicolas Sarkozy - gewählt. (...) Der Wunsch nach radikaler Veränderung war stärker als die Angst, die der gaullistische Politiker hervorruft und auch stärker als der Slogan, der warnte: 'Alles, nur nicht Sarkozy'. Meist nur am Rande widmen sich die Zeitungen der sozialistischen Wahlverliererin Ségolène Royal.

Die britische Zeitung THE GUARDIAN schreibt: 'Für die französische Linke gibt es jetzt nur eine realistische Möglichkeit: Sie darf die Rechte nicht dämonisieren, sondern muss ihr eigenes Haus in Ordnung bringen. (...) Sie muss sich selbst reformieren zu einer Partei der linken Mitte.»

Die tschechische Tageszeitung PRAVO nennt Royal 'eine würdige Gegnerin', fügt aber hinzu: 'Frankreich erwartet eine Zeit tiefer Änderungen. Mit der Wahl von Sarkozy gab die Mehrheit der Franzosen einer größeren Liberalisierung der Wirtschaft den Vorzug vor sozialen Aspekten. Während Gegenkandidatin Ségolène Royal in den entscheidenden Momenten ein schwacher Gegner schien, formulierte der neue Mann im Elysee-Palast seine Ziele klar - wenngleich auch er sich am Ende des Wahlkampfs gemäßigt gab.