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Pressestimmen von Montag, 7. Januar 2008

Hans Ziegler6. Januar 2008

Diskussion um Jugendkriminalität

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Die Diskussion um eine mögliche Verschärfung des Jugendstrafrechts dominiert abermals die Kommentare der deutschen Tagespresse. Das Thema ist auch Aufhänger, um das aktuelle Profil von Union und SPD in den Blick zu nehmen.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München kritisiert die Haltung Merkels, die sich für eine rasche Verschärfung des Jugendstrafrechtes ausgesprochen hatte:

"So reißt die Kanzlerin ein, was sie mühsam erarbeitet hat. Sie widerspricht ihrer in der Gesellschaftspolitik betont moderaten Linie. Sie schwächt ihren Integrationsgipfel wie auch Wolfgang Schäubles Islamkonferenz, sie lässt das Motto des letzten Parteitags 'Die Mitte' wie billige Taktik erscheinen. Und sie gefährdet - das grenzt ans Absurde - mit der Unterstützung einer Kampagne, bei der ausländerfeindliche Stimmungen mitschwingen,den Erfolg der beiden anderen CDU-Wahlkämpfer. Denn diese Kampagne polarisiert, wo andere gerne zusammenführen würden. Der Niedersachse Wulff und der Hamburger von Beust wollen präsidial um Wähler kämpfen, liberal, aufgeschlossen."

Der WIESBADENER KURIER schlägt in eine ähnliche Kerbe:

"Dass die Bundesvorsitzende Angela Merkel ihrem Stellvertreter Roland Koch entgegen ihrer ursprünglichen Ansage dermaßen unterstützt, zeigt, wir stark die Landtagswahl in Hessen im Fokus der Bundespartei steht. Niedersachsens Christian Wulff, über dessen Schicksal ebenfalls am 27. Januar entschieden wird, spielte bei der Vorstandssitzung in Wiesbaden nur am Rande eine Rolle. Anders als Koch kann er fest mit seiner Wiederwahl rechnen. Besondere Anstrengungen der Bundes-CDU sind dort nicht nötig. Koch dagegen, der vor wenigen Monaten noch wie der sichere Sieger aussah, muss bangen. Deshalb greift er, deshalb greift die Bundespartei wieder einmal das Thema Ausländer auf. Damit lässt sich prima Wahlkampf machen. Und dann auch noch mit Unschuldsmiene sagen: Aber man muss doch darüber sprechen können."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU übt ebenfalls Kritik, dort geht die Stoßrichtung aber gegen die SPD:

"Die ersten Tagen des neuen Jahrs offenbaren das ganze Dilemma der SPD: Trotz aller gefühlten Stärke zeigt die Partei weiterhin strategische Schwächen. Ihr fehlt das Gespür für populäre Themen, sie reagiert zu langsam auf aktuelle Entwicklungen wie nun bei der Jugendkriminalität und hat nach wie vor kein Rezept gefunden, um sich erfolgreich gegen Law-and-Order-Forderungen der Konservativen abzugrenzen. So geht die SPD in ein schwieriges und ihr Parteivorsitzender in ein entscheidendes Jahr. Die Sozialdemokraten müssen 2008 unter Beweis stellen, ob sie wirklich noch die Kraft zur echten Regierungspartei haben und ob Kurt Beck als ernste Herausforderung für die über allen Dingen schwebende Kanzlerin Merkel
gelten kann."

Der MÜNCHENER MERKUR ist beim Thema Jugendstrafrecht weder auf Union noch auf SPD gut zu sprechen:

"So kommt man als Bürger vom Regen in die Traufe: In der U-Bahn schlägern brutale Jugendliche ­ und draußen randalieren die Politiker. Einen Katalog von Strafverschärfungen präsentiert die Union, mit einem glatten Veto kontert SPD-Chef Beck. Das ist Wahlkampf-Krawall statt Problemlösung. Zu Recht reagieren die Menschen verstimmt: Es ist ihre Sicherheit, um die es geht. Sie investieren als Steuerzahler viel Geld in Justiz, Polizei und Parteien - und müssen sich nun noch kluge Ratschläge anhören, wie sie Schlägern mit mehr Zivilcourage beizukommen hätten. Nicht jeder ist zum Helden geboren; und nicht jeder hat Lust, sich die Nase von einem brechen zu lassen, den ein überlasteter Jugendrichter anschließend wieder laufen lässt."

Abschließend die FULDAER ZEITUNG mit diesem Kommentar:

"Glauben diejenigen, die reflexartig nach schärferen Gesetzen rufen, ernsthaft, damit würde sich etwas ändern? Es ist kaum anzunehmen, dass sich der Münchner Haupttäter großartig Gedanken darüber gemacht hat, welche Strafe ihm droht, wenn er sein Opfer brutal zusammentritt. In zahlreichen US-Bundesstaaten gibt es die Todesstrafe. Nach der Logik der Hardliner müsste sich das abschreckend auf potenzielle Mörder auswirken. Tut es aber nicht: In den USA ist die Mordrate wesentlich höher als in Deutschland."