1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Montag, 27. Februar 2006

zusammengestellt von Gerd Winkelmann26. Februar 2006

Die Olympia-Bilanz

https://p.dw.com/p/82hM

In und um Turin sind die olympischen Lichter erloschen. Die internationale Sportwelt wartet auf die 21. Winterspiele in vier Jahren im kanadischen Vancouver. Die Bilanz des zweiwöchigen Festivals in italienischem Eis und Schnee fällt in der deutschen Tagespresse durchweg nüchtern bis kritisch aus:

Hier ein Blick in die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

'Die Skeptiker sollten Recht behalten. Olympische Winterspiele in einer Autostadt? Das passt nicht zusammen! Vergeblich suchten die nordischen und alpinen Skisportler bei den Turin-Spielen das einzigartige olympische Flair, das normalerweise die Ausrichter- Region eines solchen Großereignisses umgibt. Jetzt muss vor allem das IOC seine Lehren aus Turin 2006 ziehen. Das Großunternehmen Olympia spulte sein Programm wie gewohnt geschäftsmäßig routiniert ab. Mehr nicht. Unbefriedigend war zudem der Kampf gegen das Doping, der weiter mit stumpfen Waffen geführt wird. Spätestens bis Peking 2008 sollten einheitliche Regeln gefunden werden. Das olympische Flair wird in China dann schon staatlich organisiert.'

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU meint:

'So bitter es klingt, aber die Skepsis, die im Vorfeld schon überwog, wurde noch mühelos übertroffen. Olympische Rennen fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit und frei von großen Emotionen, das hatte es in neuerer Zeit so noch nicht gegeben. Zu weit und zu schlecht waren die Wege zwischen den einzelnen Wettkampforten und zu unorganisiert der Transport von Sportlern und Zuschauern. Zu teuer auch die Eintrittskarten und zu desinteressiert am Sportlichen gaben sich die Piemonteser, die ihrem Ruf als Preußen Italiens durch Beibehaltung ihrer alltäglichen Arbeitsrhythmen besondere Ehre zu machen gewillt waren.'

Die EßLINGER ZEITUNG hat die Doping-Fälle bei Olympia bewegt:

'Auch in Deutschland wird nun eine Diskussion in Gang gebracht, die darauf abzielt, den Staat bei der Verteidigung der Fairness im Sport stärker mit einzubinden. Der Hinweis von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, das Arzneimittelgesetz gebe genügend Handlungsspielraum, ist Augenwischerei. Die Forderung von IOC-Vizepräsident Thomas Bach nach einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft greift an der richtigen Stelle ein.'

Für die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle zählt der sportliche Erfolg:

'Platz eins in der Länderwertung, 29 Medaillen und viele Klasseleistungen stehen für die kontinuierliche Arbeit in der Mehrzahl der Wintersport-Disziplinen. Im Gegensatz zu Athen im Sommer 2004 gibt es trotz quantitativ und qualitativ stärker gewordener Konkurrenz keinen Einbruch. Die Konzentration auf wenige Förderzentren mit effizienter Arbeit vor Ort zahlte sich aus. Natürlich können Trainingsmethoden aus dem Biathlon oder Langlauf nicht einfach auf die Leichtathletik übertragen werden. Aber über Konzepte nachzudenken, lohnt sich allemal.'

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth zeigt sich enttäuscht:

'Atmosphärisch hinterlassen die Spiele einen faden Beigeschmack. Was im Fernsehen immer dicht und kompakt daherkam und von der Medal Plaza sogar Glamour versprühte, war in Wirklichkeit eine in sich zersplitterte Veranstaltung, deren viele Filialen organisatorisch nicht unter einen Hut zu bringen waren. Geographische Ferne und unlösbare Verkehrsprobleme schlugen auch auf Besucherresonanz und Stimmung durch und brachten es unter anderem mit sich, dass Siegerehrungen im nordischen Skisport das Flair von Bundesjugendspielen annahmen.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG macht sich Gedanken zu Gold und Gift:

'Es geht darum, eine Balance zwischen den Sanktionsmöglichkeiten des Sportregelwerks und den Möglichkeiten des Staates zu schaffen, damit Durchsuchungen an Sportstätten auf gut begründeten Verdacht hin möglich werden und entlarvte Doper bei Vernehmungen Hinweise auf die Schmuggelpfade ihrer Zulieferer geben. Ein solches Gesetz würde den Athleten nicht als Alleinschuldigen sehen, sondern seine Hintermänner, Trainer, Ärzte oder Funktionäre in die Pflicht nehmen. Viele Sportler würden es am Anfang hassen. Aber irgendwann würden die Sauberen verstehen, dass es gerade für sie besser so ist.'

Der Erfolg der Deutschen beschäftigt die NÜRNBERGER NACHRICHTEN:

'In Anlehnung an die Schlagzeile «Wir sind Papst» wäre es zu viel, jetzt zu sagen «Wir sind Olympiasieger». So erfreulich das Gesamtergebnis auch sein mag, gibt es da doch einige Schatten im gleißenden Licht des Erfolges. Was die Skispringer gezeigt haben, war dermaßen unterirdisch, dass man glatt die Lust am zugucken verlieren konnte. Die Eiskunstläufer, die Eishockeymannschaft und die Curler dürfen sich da nahtlos einreihen. Aber wäre es nicht vermessen, bei einem Ereignis wie Olympia gleich überall erfolgreich sein zu wollen? Natürlich!'

Zuletzt noch ein Blick in die NEUE RUHR ZEITUNG:

'Deutschlands erfolgreiche Wintersportler haben der ARD und dem ZDF gute Quoten beschert. Mit der journalistischen Qualität der Sendungen haben die Zahlen wenig zu tun. Was freilich nicht ausschließt (...), dass das Internationale Olympische Komitee den deutschen TV-Anstalten demnächst wieder einen Preis für ihre glänzende Berichterstattung aus Turin verleiht. «Glänzend» ist nicht übertrieben, warben die beiden Sender doch gut zwei Wochen für die Winterspiele in einer Art Hochglanz-Broschüre mit bewegten Bildern, die sorgfältig retuschiert wurden, wenn sie den Verkaufs-Erfolg des teuer eingekauften Produktes zu gefährden drohten.'