1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Montag, 22. Januar 2007

Annamaria Sigrist21. Januar 2007

Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin / Fall Kurnaz

https://p.dw.com/p/9jd2

In den USA hat zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl der Wahlkampf begonnen. Neu im Rennen ist die ehemalige First Lady, Hillary Clinton. Sie hatte am Wochenende per Internet erklärt, für die Demokraten als Präsidentschaftskandidatin antreten zu wollen. Weiteres Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse: Die Affäre um die Gefangenschaft des Deutsch-Türken Murat Kurnaz. Zunächst aber die Stimmen zum Präsidentschaftswahlkampf in den USA:

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf schreibt:

"Dass Hillary Clinton schon jetzt ihre Ambitionen auf das Präsidentschaftsticket der Demokraten aktenkundig machen musste und ein vorläufiges Wahlkomitee gründete, hat sie Barack Obama zu verdanken. Der junge Senator aus Illinois hat sie mit seiner fixen Ankündigung vor knapp einer Woche unter Zugzwang gesetzt. Und damit die erste Vorwahlphase keine reine Obama-Show wird, musste Hillary Clinton reagieren. Der Euphorie, die der 45-Jährige seit Wochen schürt, will sie damit die Spitze nehmen und die Schlagzeilen zumindest mitbestimmen."

Das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden bemerkt:

"Gleichgültig ist sie den wenigsten Amerikanern. Das verschafft ihr zwar Aufmerksamkeit, könnte sie aber letztlich um den Sieg bringen dann nämlich, wenn sich die Mehrheit der US-Bürger nach acht Jahren George W. Bush vor allem nach einer starken Integrationsfigur sehnen würde, die das inzwischen in vielen Fragen zerrissene Land eint. Nur wenn Clinton ihre Landsleute auch von dieser Fähigkeit überzeugen kann, wird sie letztlich eine realistische Chance haben. "

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder kritisiert Hillary Clintons Haltung zum Irak-Krieg:

"In der zu erwartenden Schlammschlacht würden auch Dinge zur Sprache kommen, die Hillary Clintons Schwachstellen sind. Die engagierte Befürworterin des Irak-Krieges wandelte sich erst zu dessen glühenden Gegnerin, als sich das Desaster abzeichnete. Indem sie gegen die von Bush geplante Truppenaufstockung zu Felde zieht, begibt sie sich auf ein gefährliches Terrain."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG meint abschließend:

"Die spannende Frage der Präsidentenwahl 2008 wird weniger sein, ob Amerika schon bereit ist für eine Frau, sondern ob die US-Wähler schon wieder bereit sind für den Clinton-Clan. Die Amtsjahre des begnadeten Wahlkämpfers Bill Clinton mögen wirtschaftlich erfolgreiche gewesen sein. Inspirierende Jahre, die dem American Way of Life neues Sendungsbewusstsein hätten verleihen können, waren es nicht. Die US-Wähler stehen zudem vor dem Novum, ein Präsidenten-Duo ins Weiße Haus zu schicken. Denn trotz öffentlich gezeigter Zurückhaltung ist kaum vorstellbar, dass Bill Clinton den braven Hausmann und First Husband gibt."

Themenwechsel: In dem Fall Murat Kurnaz werden immer neue Vorwürfe gegen die rot-grüne Vorgängerregierung erhoben. Sie soll die Rückkehr des Bremer Deutsch-Türken aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo nach Deutschland verhindert haben. Die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen fordern Aufklärung.

Der TAGESSPIEGEL aus Berlin rät jedoch zur Besonnenheit: "Auch in der Politik gilt, bis zum abschließenden Beweis des Gegenteils, die Unschuldsvermutung. Hastige Vorverurteilungen tragen ebenso wenig zur Aufklärung bei wie demonstrative Gesinnungsgesten. Nicht die enttäuschten Gemüter über eine angebliche rot-grüne Doppelmoral gilt es zu besänftigen, sondern das Warum einer erschreckenden Inhumanität zu erhellen. Zum Beispiel: Von wem kam das vermeintliche Auslieferungsangebot der Amerikaner, wie seriös war es?" Die SCHWERINER VOLKSZEITUNG fügt hinzu:

"Mit schnellen Vorverurteilungen ist jetzt niemandem gedient. Auch Murat Kurnaz nicht. Eine schnellere Reaktion auf die schweren Vorwürfe als geplant erscheint indes immer mehr angebracht. Die Beschuldigungen gegen Außenminister Frank-Walter Steinmeier sind so gravierend, dass nicht mehr Wochen bis zu einer Stellungnahme vergehen dürfen. Der Druck erhöht sich täglich, es gibt Erklärungsbedarf. Auch weil der Minister sich mehr und mehr zu einer Belastung für die Koalition entwickelt. Es ist noch zu früh für klare persönliche Schuldzuweisungen, aber der Geruch wird strenger."

Die ABENDZEITUNG aus München stellt fest:

"Als Bundesaußenminister macht Steinmeier einen hervorragenden Job, vertritt Deutschland im Ausland seriös und glaubwürdig. Um so schlimmer ist es, dass die Biografie des Polit-Musterschülers einen dunklen Fleck aufweist: Murat Kurnaz. Die US-Ermittler haben schon nach nicht mal einem Jahr Haft in Guantánamo gemerkt, dass von dem 20-Jährigen keine Gefahr ausgeht. Das will was heißen, wenn man bedenkt, unter welch hanebüchenen Vorwänden die USA sonst vermeintliche Terroristen festhalten. Wenn Steinmeier Kurnaz Auslieferung tatsächlich aktiv verhindert hat, stellt sich automatisch die Frage nach seiner politischen Zukunft."

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz fordert größere Transparenz:

"Bei alledem, was bislang, richtig oder falsch, nach außen drang, ist es schade, dass jede Aufklärung, wenn sie denn kommt, wohl erst einmal geheim bleiben wird. Dabei hätte die Öffentlichkeit hier ein vornehmes Recht, ohne Umschweife die reine Wahrheit zu erfahren. Denn es steht nicht nur der Vorwurf einer vorsätzlichen Missachtung der Menschenrechte im Raum, sondern nach wie vor auch der Verdacht, die Regierung Schröder habe in virtuoser Weise beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus ein Doppelspiel betrieben."