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Pressestimmen von Montag, 11. September 2006

Hans Ziegler10. September 2006

Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September / Papst Benedikt in Deutschland

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Fünf Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September will US-Präsident Bush an diesem Montag in New York einen Kranz niederlegen. In der deutschen Tagespresse ist der Jahrestag der Anschläge auf die Doppeltürme des World Trade Centers ein zentrales Kommentarthema. Daneben findet der Deutschland-Besuch des Papst die Beachtung der Kommentatoren. Zunächst zu den Anschlägen vom 11. September 2001.

Die STUTTGARTER ZEITUNG sieht die Terrorgefahr noch immer nicht gebannt; erst müssten aktuelle Konflikte gelöst werden:

'Der Irak müsste aufgebaut werden. Amerika und Europa müssten sich entschlossen um Frieden im Nahen Osten bemühen, denn der Streit zwischen Israel und seinen Nachbarn bildet den Kernkonflikt mit der arabisch-islamischen Welt. Amerika und Israel haben in den vergangenen Jahren eine alte jüdische Weisheit vergessen: Ein Held ist derjenige, der seinen Feind zu seinem Freund macht.'

Die NEUE RUHR/NEUE RHEIN ZEITUNG aus Essen sieht Defizite in der US-Politik, aber auch in den westlichen Gesellschaften insgesamt:

'Die Attentäter vom 11. September haben die Welt verändert, weil Bush es geschafft hat, die islamische Religion zu diskreditieren und so die ohnehin vorhandenen Demütigungsgefühle in der muslimischen Welt noch zu verstärken. Humus für künftige homemade-Terroristen. Für einen liberalen, rational denkenden Europäer ist das Denken und Fühlen der jungen Muslime, die eben diese Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind, kaputt bomben wollen, nicht zu verstehen. Sind wir zu nett? Ja, vielleicht auch'

Die NÜRNBERGER ZEITUNG geht scharf mit Bush ins Gericht, wenn es dort heißt:

'Wenn der US-Präsident den von ihm erklärten Krieg gegen den Terror gewinnen will, muss er zuerst zeigen, dass er selbst Vertrauen in die Werte hat, die er zu verteidigen vorgibt: Recht und Freiheit der westlichen Demokratien. Das Gegenteil davon beweist, wer CIA-Gefängnisse in befreundeten Staaten schafft, weil man dort ungehindert foltern kann.'

Auch die WESTDEUTSCHE ZEITUNG sieht Defizite in der US-Politik, warnt aber:

'Viele reagieren mit Schadenfreude darauf, dass Bush wie ein Versager dasteht. Klug ist es nicht. Erstens kann niemand sagen, wie sehr sich deutsche Politik nach einem Terroranschlag bei uns radikalisieren würde. Zweitens hat die Schwäche Amerikas ein Vakuum erzeugt, in das viele neue Mittelmächte und Möchtegern-Großmächte drängen.'

Abschließend zu diesem Thema DER TAGESSPIEGEL aus Berlin mit dem folgenden Kommentar:

'USA und Europa eint mehr als die gemeinsame Bedrohung. Sie sollten zum Dialog mit dem Islam bereit zu sein. Verhandelbar aber sind nicht: die Demokratie, die Meinungs- und Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung der Frau, die Sicherheit Israels, um nur ein paar Beispiele zu nennen.'


Themawechsel und zum Besuch des Papstes in Deutschland. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt:

'Benedikt ist kein Nostalgiker auf Heimaturlaub. Er scheint vielmehr gekommen zu sein, um seiner Heimatkirche, dem reichsten Regionalverband in der ihm untertanen Weltkirche, mit Autorität auch die Leviten zu lesen. Seine Münchner Sonntagspredigt war ein Akt der Weltpolitik. Er lobte die Großherzigkeit der deutschen Katholiken, die eines der Fundamente internationaler Entwicklungs- und Sozialpolitik überhaupt ist. Adveniat, Misereor, Renovabis und Tausende anderer Werke und Spendentöpfe haben ein größeres Volumen als die gesamte Entwicklungshilfe anderer Staaten.'

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg betont dagegen die Volksnähe Benedikts:

'Wir sind Papst! hatte die Bild-Zeitung nach der Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum Pontifex getitelt und damit eine Stimmung im Land charakterisiert. Das ist gleichzeitig auch die Schwierigkeit dieses Papstbesuches: Benedikt XVI. ist einer von uns ebenso wie die Ballacks, Poldis und Schweinsteigers der Fußball-Weltmeisterschaft. Wir identifizieren uns gerne mit den Helden und Erfolgreichen dieser Welt vor allem, wenn wir sie geografisch und historisch mit uns verbunden wissen.'

Ganz ähnlich der SCHWARZWÄLDER BOTE aus Oberndorf, der neben der Volksnähe Benedikts aber auch vom schwindenden Einfluss der Kirche spricht:

'Benedetto und viva il papa schallt es dem Oberhaupt der Katholiken, unserem deutschen Papst, einmal mehr liebevoll beim Open-Air-Gottesdienst mit 250.000 Menschen entgegen. Sie mögen ihn, spüren seine Nähe und Wärme. Auch jene, die der Kirche fern stehen. Benedikt XVI. hat aus seiner Sicht gewiss zu Recht die Schwerhörigkeit der Menschen gegenüber Gott beklagt, und dass die westliche Welt den Glauben verloren hat. Die gesellschaftliche Realität, um die der Pontifex weiß, lässt ihn weithin vergebens auf Treue zu christlichen Werten pochen. Und nur eine Minderheit lebt noch in Ehrfurcht vor Gott und Kirche.'

Abschließend die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München, die ebenfalls der katholischen Kirche nur noch begrenzte Wirkung zu attestieren weiß:

'Die katholische Kirche hat die Kraft der Tradition bewahrt. Das ist ihre Stärke. Es ist aber nicht gelungen, Tradition und Moderne miteinander zu versöhnen. Das ist ihre Schwäche. Es sieht nicht so aus, als könne Benedikt XVI., der nicht zu Unrecht manchmal ein Papst des Übergangs genannt wird, diese Schwäche beseitigen.'