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Pressestimmen von Mittwoch, 2. Dezember 2008

Stephan Stickelmann1. Januar 2008

Konflikt in Kenia

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Der sich rapide verschärfende Konflikt in Kenia lässt die deutschen Zeitungen mit Besorgnis oder auch mit Zorn auf das bisherige afrikanische Musterland blicken.

Die TAGESZEITUNG (TAZ) aus Berlin etwa notiert:

"Als die Kenianer vor fünf Jahren Mwai Kibaki wählten, hatte dieser versprochen, Schluss zu machen mit Korruption und Staatswillkür, und wurde dafür wie ein Popstar gefeiert. Heute kann er sich nicht mehr auf die Straße trauen. Polizei und Militär sind aufmarschiert, Demos wurden verboten, die Berichterstattung eingeschränkt: Genau gegen solche Maßnahmen war Kibaki einst auf die Straße gegangen. Man kann es den Kenianern also nicht verdenken, dass sie sich betrogen fühlen. Gestärkt durch die Erfahrung von Kibakis Wahl wollten sie ihren Präsidenten abwählen - und durften nicht. Der Frust bricht sich vor allem bei den arbeitslosen Jugendlichen Bahn, denen ihre letzte Hoffnung genommen wurde. Dafür muss man kein Verständnis haben, aber nachvollziehbar ist es schon."

Die in Mainz erscheinende ALLGEMEINE ZEITUNG ergänzt mit Blick auf die Präsidentenwahl am 27. Dezember:

"Dass dort betrogen würde, war vorab schon jedem klar, auch den internationalen Beobachtern. Warum sonst sollten sie in dieser großen Zahl überhaupt angereist sein? Dass aber derart hemmungslos und offensichtlich Wahlfälschung betrieben würde, war nicht abzusehen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU stellt angesichts dieser Einschätzung die Frage:

"Hatte der Mann das wirklich nötig? Mwai Kibaki ist 76 Jahre alt, soll einer der reichsten Männer Kenias sein und wäre nach einer fair anerkannten Wahlniederlage als vorbildlicher Staatschef in die Annalen des ostafrikanischen Lands eingegangen. Kibaki hatte Kenia während der vergangenen fünf Jahre deutlich besser regiert als seine beiden Vorgänger. Falls Präsident Kibaki nicht als Leichengräber der touristisch anziehenden Nation in die Geschichte eingehen will, bleibt ihm jetzt nur eines übrig: Statt sich als stählerner Machiavellist zu gebärden, muss er das Gespräch mit Odinga suchen. Nur eine Beteiligung des Oppositionschefs an der Macht kann die blutigen Unruhen stoppen. Mit 76 Jahren sollte man weise genug für diese Einsicht sein."

Der TAGESSPIEGEL - er erscheint in Berlin - konstatiert:

"Dass die europäischen Regierungen zögern, Kibaki ein zweites Mal als Präsident anzuerkennen, ist gut. Und dass die USA nach anfänglicher Treue zum Partner im Kampf gegen den Terrorismus die Kurve gekriegt haben, ist erfreulich. Denn damit zeigt der Westen, dass er die Demokraten in Kenia unterstützt. Und das sind viele. Die Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent, lange Schlangen vor den Wahllokalen und der Ernst, mit dem viele ihre Wahlentscheidung getroffen haben, verdient diesen Respekt. Doch eine Lösung zu finden, wird nicht einfach. Gelingt es nicht, den Wahldisput zu lösen, steht das friedliche Kenia vor einem Bürgerkrieg. Und dann hat ganz Afrika schwere Zeiten vor."

Auch das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin beschäftigt sich mit der Reaktion der Europäer auf die Krise in Kenia, kommt hier aber zu einem weitaus kritischeren Urteil - Zitat:

"Weiter als bis zu Betroffenheitserklärungen über Opfer und Gewalt sowie der Forderung nach Wahlüberprüfung reichten die Ideen nicht. Überraschen kann das kaum. Denn eine tragfähige Strategie, wie Europa zur Beseitigung von Hunger und Unterentwicklung in Afrika beitragen und zugleich Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte stärken kann, existiert in der EU nicht. So simpel es klingt: Für Europa ist der schwarze Kontinent noch immer vor allem Rohstofflieferant und Absatzmarkt. Natürlich will man demokratische Werte - zumindest offiziell - in den Beziehungen zu Afrika nicht aufgeben. Zu viel 'Moral' allerdings könnte der europäischen Wirtschaft schaden - nicht nur in Simbabwe oder Kenia. Mehr als der in Brüssel erhobene Zeigefinger ist von der EU wohl auch nach hunderten Toten nicht zu erwarten."