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Pressestimmen von Mittwoch, 16. August 2006

Susanne Eickenfonder15. August 2006

Eklat im Nahen Osten / Deutsche Beteiligung an UN-Libanon-Truppe

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Mit einer Israel-feindlichen Rede hat Syriens Präsident Assad für diplomatische Verstimmung gesorgt. Assad rief zudem arabische Herrscher zur Unterstützung der Hisbollah-Miliz auf. Außenminister Steinmeier sagte daraufhin seinen geplanten Besuch in Syrien unmittelbar vor dem Abflug ab. Mit dieser Entwicklung und der deutschen Beteiligung an der UN-Friedenstruppe im Libanon beschäftigen sich auch die Kommentatoren deutscher Zeitungen.

Zunächst zu den Äußerungen Assads. Die KIELER NACHRICHTEN konstatieren:

"So schnell können Träume platzen. Die Einbindung Syriens in eine Friedenslösung im Nahen Osten hat sich fürs Erste erledigt. Wer so eindeutig Partei für die Hisbollah ergreift wie Präsident Baschar el Assad, der stellt sich selbst ins Abseits. Der Westen muss aus dieser Episode die Lehre ziehen, dass mit Autokraten wie Assad oder dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad kein Staat zu machen ist - jedenfalls kein souveräner Libanon."

Anders sieht dies das HANDELSBLATT in Düsseldorf. Zitat:

"Wer im Nahen Osten mitreden will, muss sich entscheiden: Entweder er hält Diskussionen mit allen Seiten für ohnehin sinnlos. Dann sollte er keine Vermittlungsreise nach Syrien planen. Oder aber er will auch mit denen reden, die im Nahost-Konflikt nicht die Position Israels beziehen oder ganz eigene Interessen verfolgen. Dann muss er mit Provokationen arabischer Despoten rechnen."

In der HEILBRONNER STIMME ist zu lesen:

"Syriens Präsident Baschar al-Assad hat eine gefährliche Bombe geworfen. Damit bricht das mühsam aufgerichtete diplomatische Kartenhaus in sich zusammen. Denn ohne Syrien geht in der Region leider nichts."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU notiert:

"Es war bisher Steinmeiers ganz persönlicher Akzent im komplizierten Nahost-Geschäft, immer wieder für einen offenen, alle Beteiligten einbeziehenden Ansatz zu werben. Mögen sie auch noch so verbohrt sein...Schon am Tag zwei des libanesischen Waffenstillstands wird damit klar, dass es bis zum Frieden noch ein verdammt langer Weg ist. Nicht nur, aber besonders in und mit Syrien."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN schreiben:

"Wer Israel als Feind betrachtet, ist für Deutschland kein Verhandlungspartner. Es wird bei dieser symbolischen Strafe bleiben. ....So lange die USA Syrien auf der Achse des Bösen einordnen, muss Europa mit Damaskus reden. Ein mächtiges Europa aber braucht das Gewicht Deutschlands."

Abschließend noch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Es entspringt nicht notorischer Zweifelssucht, wenn man...vermutet, auch ein nicht eben geringer Teil der schiitischen Soldaten in der Armee des Libanons könnte es mit der Neutralität nicht so genau nehmen. Schon einmal, zu Beginn des Bürgerkriegs, zerbrach die Streitmacht Beiruts entlang der konfessionellen Linien... Assads Brandrede, die auch innenpolitische Gründe hat, macht deutlich, auf welch lockerem Wüstensand all jene Gedankengebäude errichtet wurden, die bald schon Lösungen tragen sollten."


Themenwechsel. Verteidigungsminister Jung wird am Donnerstag bei der Truppenstellerkonferenz in New York konkrete Vorschläge unterbreiten, wie sich Deutschland an der UN-Mission im Libanon beteiligen könnte.

Hierzu hält die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fest:

"Die Beteiligung der Bundeswehr liegt in deutschem wie in europäischem Interesse...Die Einschränkung dieser Beteiligung ist bekannt und international durchaus akzeptiert...Ein Einsatz deutscher Kampftruppen in der Pufferzone also ist ausgeschlossen. Außerhalb der Zone allerdings ist die deutsche Beteiligung geboten, was zwar PDS und FDP nicht verstehen, wohl aber die Regierungen in Jerusalem, Beirut und auch die in Berlin... Kräfte für einen solchen Einsatz sind trotz der diversen Auslandsengagements noch vorhanden."

Der MANNHEIMER MORGEN weist darauf hin:

"Nur wenige Staaten werden in der Region so geachtet wie Deutschland, und das auf beiden Seiten, was sich von Frankreich, Großbritannien oder den USA wahrlich nicht sagen lässt... Ob Berlin will oder nicht: Aus dieser Position ergibt sich eine Verantwortung. Es wird eine heikle Mission im Nahen Osten, so viel ist klar."

Die LANDESZEITUNG in Lüneburg meint:

"Heute stolpert Deutschland in militärische Abenteuer, weil es das ehrenvolle Ziel Frieden mit untauglichen Mitteln anstrebt. Es bestehen nur verschwindend geringe Chancen, mit einer Blauhelmtruppe für Stabilität in der Region zu sorgen. Es fehlt an der entscheidenden Voraussetzung: Die Feinde sind noch nicht kriegsmüde."

Diesen Aspekt greift die SÜDWEST PRESSE in Ulm auf und fragt sich:

"Ist es klug, sich auf ein Abenteuer einzulassen, dessen Endlosigkeit absehbar ist, bei dem man nur verlieren kann, das einem ausschließlich Feinde bescheren wird? Ist es vernünftig, sich gegen eine schiitische Miliz instrumentalisieren zu lassen, die in ihrer Gegend wie ein Fisch im Wasser schwimmt, also großen Rückhalt in der Bevölkerung hat?.... Noch weiß man nicht, was Minister Jung den UN anbietet. Noch kann man auf die Vernunft des Bundestages hoffen, die Sache abzublasen."

Auch die OSTTHÜRINGER ZEITUNG in Gera verweist auf die erforderliche Zustimmung des Bundestags und fährt fort:

"Unabhängig vom Ausgang der Diskussion ist es gerade für die Beteiligung an einer internationalen Schutztruppe der Vereinten Nationen in Nahost wichtig, alle Argumente in einer öffentlichen Debatte abzuwägen. Am Ende muss mit klaren Mehrheiten entschieden werden. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat bereits für die Sozialdemokraten den Kurs in Richtung einer Beteiligung der Bundeswehr am Friedenseinsatz gewiesen. Jetzt ist Angela Merkel am Zug. Die Kanzlerin muss Farbe bekennen."