1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Mittwoch, 05. Juli 2006

Frank Wörner4. Juli 2006

Beschlüsse zur Gesundheitsreform / Kongo-Einsatz der Bundeswehr

https://p.dw.com/p/8iqe

Der Besuch des deutschen Verteidigungsministers Jung im Kongo sowie die Koalitionsbeschlüsse zur Gesundheitsreform stehen im Blickpunkt der Kommentatoren der deutschen Tagespresse.

Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt zur Gesundheitsreform:

"Die wichtigste Aufgabe bleibt unerledigt: die gesetzliche Krankenversicherung auf eine langfristig sichere Basis zu stellen. Das geht angesichts einer tendenziell sinkenden Zahl von Beitragszahlern und einer alternden Gesellschaft nur mit einem stärker steuerfinanzierten System. Doch stattdessen fahren Union und SPD den 4,2-Milliarden-Euro-Zuschuss aus der Tabaksteuer auf Null zurück. Unter dem Strich fließen damit am Ende der Legislaturperiode weniger Steuermittel ins Gesundheitssystem als heute. Und dies bei wahrscheinlich weiter steigenden Kosten."

Die Mainzer ALLGEMEINE ZEITUNG stellt fest:

"Vernichtender kann kein Echo sein, als jenes, das der Großen Koalition für ihre Pläne zur Gesundheitsreform entgegengeschlagen ist. SPD-Chef Beck soll aus Wut über vorlauten Widerspruch aus eigenen Reihen seinem Parteivorstand sogar damit gedroht haben, den Bettel hinzuschmeißen. Das kann ja heiter werden. Unumstößlich fest steht zunächst nur, worüber sich ohnehin schon lange niemand mehr wundert: Es wird ein verdammt teurer Spaß. Ein Paradigmenwechsel sieht anders aus."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN schreiben:

"Die Lage ist prekär. Mutig wollte die große Koalition arbeiten, kraftvoll das Deutschland der versäumten Reformen umstülpen. Die Gesundheitsreform war dabei so etwas wie die Nagelprobe. Am Dienstag zogen die Koalitionäre Bilanz voller Stolz und ohne Selbstkritik. Mit einem Wort: Die Ignoranz regiert."

Der WIESBADENER KURIER kritisiert:

"Tatsächlich eignet sich die Gesundheitsreform mit ihren inhaltlichen Widersprüchen und zusätzlichen Belastungen für die Bürger auch besonders gut dazu, heftig zu streiten, doch: Von einer Partei in Regierungsverantwortung ist zu erwarten, dass sie Differenzen über die Grundrichtung und vor allem die Verhandlungsspielräume vor der entscheidenden Sitzung klärt. Entbrennt erst hinterher öffentlich eine Debatte darüber, was zugesagt werden konnte oder unbedingt hätte verhindert werden müssen, verliert der Parteivorsitzende bald seine Glaubwürdigkeit."

Und schließlich schreibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER:

"Hier verleugnet eine Bundesregierung bereits wenige Monate nach Amtsantritt eines ihrer selbst formulierten zentralen Ziele: Denn im Koalitionsvertrag hatte sie eine 'Senkung der Lohnzusatzkosten' angekündigt, darunter stabile oder sinkende Beiträge zur Krankenversicherung. Wenn es Union und SPD mit vereinten Kräften nicht gelingt, auf den großen Reformbaustellen von Rente bis Gesundheit neue Wege zu mehr Wettbewerb, Zukunftsfähigkeit und sozialer Gerechtigkeit zu beschreiten, dann ist nicht nur diese Regierung gescheitert."

Bei seinem Besuch im Kongo musste sich Bundesverteidigungsminister Jung der Kritik der Soldaten über ihre Ausstattung stellen.

Zu diesem Thema stellt die OFFENBACH-POST fest:

"Die Berichte über mangelnde und unzureichende Ausrüstung der deutschen Kongo-Friedenstruppe kommen für den Bundesverteidigungsminister zur Unzeit. Wollte Franz Josef Jung mit seinem Besuch im Krisengebiet doch demonstrieren, dass die Bundeswehr hervorragend auf ihre heikle Mission in Zentralafrika eingestellt ist. Statt dessen bedeuten die Klagen der Soldaten über mangelhafte Ausrüstung neues Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Einsatzes. Der in der Öffentlichkeit bereits verfestigte Eindruck schlechter Vorbereitung auf die Gegebenheiten vor Ort wird weiter verstärkt."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock schreibt:

"'Der Verstand ist nicht die starke Seite der Armee', lästerte schon der große französische Staatsmann und General Charles de Gaulle. Mit großem Trara wird die Kongo-Mission seit Monaten vorbereitet. Und jetzt - wenige Tage vor dem Start - wird festgestellt, dass für den Einsatz im Herzen Afrikas elementare Ausrüstungsgegenstände fehlen: geeignete Sonnenbrillen, klimataugliche Stiefel oder Sommerschlafsäcke. Die neue Ausrüstungspleite ist schlicht und einfach peinlich. Fast jeder Urlauber bereitet seine Mallorca-Reise wohl besser vor."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth stellt mit einiger Ironie die geografischen Kenntnisse der Bundeswehr-Führung in Frage:

"In der Hitze des Gefechts hat die Truppe falsche Ausrüstung geladen. Winterschlafsäcke und schwere Stiefel, dafür keine Sonnenbrillen oder kurze Hosen. Hat da jemand den Kongo vom Äquator an den Polarkreis verlegt? So viel geografische Unkenntnis wollen wir den Einsatzplanern nicht unterstellen. Vermutlich war der Computer schuld, der mit einer falschen Klimatabelle - rein virtuell eben - zum Wintereinsatz rief. Während die Spurensuche nach den Kongo-Tätern noch in vollem Gange ist, haben die Soldaten vor Ort zur Selbsthilfe gegriffen. Das schwere Winterschuhwerk tauschten sie gegen leichte Sommerware. Aus vorschriftsmäßig eingekleideten Bundeswehrtruppen sind leichtfüßige Kongo-Krieger geworden."

Und schließlich heißt es in der Münchner ABENDZEITUNG:

"Man kann geteilter Meinung sein über den Kongo-Einsatz der Bundeswehr: die Mission als überflüssiges Schauspiel sehen, das nichts mehr bringt als ein paar symbolische Bilder und akute Lebensgefahr für deutsche Soldaten. Man kann aber auch finden, dass die Überwachung der Wahlen durch europäische Soldaten eine wichtige Geste ist. Gerade wenn man so denkt, wird die mangelhafte Ausrüstung der Soldaten von der Posse zum Skandal. Diese Missachtung hat die Truppe nicht verdient - und das Ziel der Mission auch nicht."