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Pressestimmen von Freitag, 2. März 2007

Stephan Stickelmann1. März 2007

Fall Kurnaz / Sanierungsprogramm der Telekom

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Verschleppung von Akten, neue Informationen, die die Position von Außenminister Steinmeier weiter schwächen könnten - das Gezerre im Fall des früheren Guantanamo-Häftlings Kurnaz dauert munter an. Dazu gibt es in vielen Tageszeitungen Kommentare. Beachtung findet zudem das Sanierungskonzept von Telekom-Chef Obermann für den Konzern.

Zum ersten Thema heißt es in der TAGESZEITUNG (TAZ):

"Die sogenannte Aufklärungsarbeit der Regierung im Fall Murat Kurnaz wird immer peinlicher. Weil wichtige Akten unter Verschluss gehalten werden, musste der BND-Untersuchungsausschuss seine gestrige Sitzung abblasen. Damit verschiebt sich auch der Auftritt von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Ein bisher beispielloser Vorgang, der sich mit Schlamperei oder Faulheit nicht erklären lässt. Dass die Unterlagen - einen Monat nach der Anfrage - nicht geliefert wurden, verstärkt vielmehr den Verdacht, dass in den Akten nicht das zu finden ist, was Steinmeier braucht: handfeste Belege für Kurnaz angebliche Gefährlichkeit."

Die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG ergänzt:

"In jüngster Zeit treten Seltsamkeiten hinzu, die auf Missstände bei den geheimen Diensten deuten. Abends meldete sich der frühere Bremer Verfassungsschutz-Vize Lothar Jachmann in der ARD mit dem Hinweis: 'Wir hatten alle nichts auf der Pfanne, weder die Amerikaner noch der BND noch der Verfassungsschutz.' Warum, um alles in der Welt, wurde dann Kurnaz als gefährlich dargestellt? Weder Aktenlage noch Faktenlage geben einen Grund her für vier Jahre Guantanamo. Für den früheren BND-Chef August Hanning, derzeit Staatssekretär bei Wolfgang Schäuble, könnte es noch eng werden. Und der frühere Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier, heute Außenminister, sollte wenigstens nicht länger sagen, er würde 'heute nicht anders entscheiden'."

Der in Bamberg erscheinende FRÄNKISCHE TAG verlangt aber noch mehr von Steinmeier:

"Angesichts der unklaren Faktenlage wäre Bundesaußenminister Frank- Walter Steinmeier gut beraten, zur Aufklärung beizutragen. Bisher hat er nur das zugegeben, was ohnehin offensichtlich war. Das mag im Sinne einer Überlebensstrategie geschickt sein. Es verstärkt aber den Eindruck, dass sich unter dem Teppich der Kehricht häuft. Die Frage ist, wie lange ein in diesem Sinne geschickter Politiker tragbar ist."

Das MAIN-ECHO aus Aschaffenburg wendet allerdings ein:

"Dass der Fall Kurnaz Steinmeier sein Amt kosten könnte, glaubt im Moment ernsthaft niemand mehr in Berlin. Die Akten aus Bremen, die irgendwo auf dem Dienstweg liegen geblieben sind oder liegen bleiben sollten, werden daran nichts ändern. Selbst wenn sich der Verdacht weiter erhärten sollte, dass der damalige Kanzleramtschef Steinmeier aus falsch verstandener Vorsicht nichts unternahm, um Kurnaz aus Guantanamo heraus zu holen: Ein Rücktritt des Außenministers würde die fragile Statik der großen Koalition sprengen. Und dieses Risiko ist Union wie SPD im Moment zu groß."


Zu den Plänen von Telekom-Chef Obermann meint DIE WELT:

"Obermann bricht mit Tabus. So will er nach Jahren des konzerninternen Widerstands nun doch eine Billigmarke einführen – für den Mobilfunk wie für DSL-Anschlüsse. Obermann plant zudem, die margenschwache Geschäftskundensparte T-Systems durch eine Kooperation zu retten, möglicherweise mit einem größeren Partner aus der IT-Branche. Und das Internet-Fernsehen will er so schnell und bei so vielen Kunden wie möglich salonfähig machen – und zwar nicht nur über das neue VDSL-Hochgeschwindigkeitsnetz. Das alles lässt seine Strategie offensiver wirken als die seines Amtsvorgängers Kai-Uwe Ricke. "

Kritischer ist die Einschätzung des KÖLNER STADT-ANZEIGERS:

"Obermanns Masterplan zur Bereinigung der Probleme ist keineswegs revolutionär. Neben der x-ten Kundenservice-Offensive, Kosteneinsparungen, dem Verkauf von Randbereichen, aber auch möglichen Käufen im Ausland will Obermann die Telekom stärker auf Internet und Mobilfunk konzentrieren. Seine hehren Ziele stehen und fallen aber mit den Beschäftigten. Ohne sie wird die Wende nicht gelingen. Ein knappes Drittel der deutschen Mitarbeiter länger arbeiten zu lassen und/oder schlechter zu bezahlen, ist eine brüchige Grundlage für mehr Motivation. Obermanns Gesellenstück wird es sein, die Auslagerung der Service-Gesellschaften zügig über die Bühne zu bringen - ohne zu viel Porzellan zu zerschlagen."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND stellt fest:

"Für René Obermann ging es bei seiner ersten Vorstellung der Konzernbilanz darum, eine überzeugende Strategie zu umreißen. Eine klare Vorstellung davon, wie er den Konzern zu einem großen, starken Ganzen formen will, hat er nicht vermittelt. Aber Obermann leugnet immerhin im Gegensatz zu seinem Vorgänger die Notwendigkeiten nicht, sieht den Dingen ins Auge. Er hat nicht die große Vision. Aber er zögert nicht, alles zu unternehmen, um den freien Fall kurzfristig abzubremsen."

Das HANDELSBLATT schließlich resümiert:

"Jubelrufe sind fehl am Platze. Noch muss Obermann beweisen, ob seine Strategie auch tatsächlich trägt. Das gilt vor allem für den Aufbau einer eigenen Billigmarke. Längst sind hier die Wettbewerber im Markt. Zudem ist die Gefahr der Kannibalisierung des Kerngeschäfts groß. Fragen wirft auch die Partnersuche für T-Systems auf. Sie dürfte dem Telekom-Chef noch einige schlaflose Nächte bereiten. Dennoch zeigt Obermann eines: Er ist fest entschlossen, die Hausaufgaben zu erledigen. Dafür gibt es auch keine Alternative."