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Pressestimmen von Freitag, 17. November 2006

Hans Ziegler16. November 2006

Motassadeq-Prozess / Kongo und Folgen

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Der Bundesgerichtshof hat den Marokkaner Motassadeq im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September der Beihilfe zum Mord in 246 Fällen schuldig gesprochen. Das Strafmaß muß nun neu festgelegt werden. In den Kommentaren der deutschen Tagespresse ist dies ein zentrales Thema. Daneben findet die Lage im Kongo nach dem Wahlsieg von Präsident Kabila Beachtung. Zunächst zum Fall Motassadeq.

Die WELT aus Berlin sieht die Mühlen der Justiz langsam mahlen, letztlich aber mit Erfolg::

Es 'darf nicht vergessen werden, dass es weltweit der erste Prozess war, der sich mit den Anschlägen des 11. September befasste. Erschwert zudem durch eine Beweislage, die von in- und ausländischen Geheimdiensten nicht gerade begünstigt wurde. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Das Verfahren hat bewiesen, dass die deutsche Justiz in der Lage ist, Terrorismus rechtsstaatlich zu begegnen. Dazu sollte nun auch gehören, Motassadeq schnellstmöglich wieder in Haft zu nehmen. Es wäre fatal, würde ihm die Flucht gelingen.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN sehen das ähnlich:

'Motassadeq verdient kein Mitleid. Er hat nach allem, was man heute weiß, an der Planung der Todesflüge von New York und Washington mitgewirkt. Auf ihn warten aller Voraussicht nach im nächsten Prozess, bei dem es allein um das Strafmaß geht, 15 Jahre Haft. Das ist die Höchststrafe, die für Beihilfe zum Mord möglich ist. Denkt man allerdings an die 3000 Opfer, stellen sich doch Zweifel ein, ob unser Strafrecht wirklich auf der Höhe der Zeit ist.'

Auch die SÜDWEST PRESSE aus Ulm äußert Genugtuung:

'Am Ende wird der Fall Motassadeq drei Mal über die Bühne gegangen sein. Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof haben sich die Urteile und deren Aufhebung wie Bälle zugespielt: 15 Jahre, 7 Jahre, nun werden es wohl wieder 15 Jahre - vielleicht auch etwas weniger. Entscheidend ist das nicht mehr. Für die Angehörigen der Opfer ist viel wichtiger, dass der BGH klargestellt hat: Was Mounir Al-Motassadeq getan hat, war Beihilfe zum Mord, nicht nur Mitschwimmen in einer terroristischen Vereinigung.

Abschließend zu diesem Thema die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

'Signalwirkung kann das Urteil gegen Motassadeq nach innen entfalten - in der freiheitlichen Gesellschaft selbst. Es stärkt sie und mögliche Zweifler des Rechtsstaats, indem es auf seine Grundlagen verweist: Jeder ist vor dem Gesetz gleich. Einem Angeklagten muss seine Schuld nachgewiesen werden. Sogar der größte Feind, auch der, der das Gemeinwesen beseitigen will, wird nach fairen Regeln behandelt.'

Themenwechsel und zur Situation im Kongo. Die BERLINER ZEITUNG äußert sich zuversichtlich:

'Die Wahl des kongolesischen Präsidenten hat einen klaren Sieger: Joseph Kabila hat 2,5 Millionen mehr Stimmen bekommen als sein Rivale Jean-Pierre Bemba. Das Ergebnis ist nicht anzuzweifeln, der Prozess war gut überwacht. Gewiss wurde geschummelt, aber ebenso gewiss taten es beide Seiten. Die internationale Präsenz politisch wie militärisch zwang sie zur Mäßigung. Auch gestern, nach Bekanntgabe der Resultate, pflegten sie eine neue Zivilisiertheit: Der Sieger warb für Versöhnung statt sich aufzublasen. Der Unterlegene protestierte beim zuständigen Gericht, statt seine Milizen auf den Feind zu hetzen. So wünschte sich die internationale Gemeinschaft den Umgang im neuen Kongo'

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt ist dagegen skeptisch:

'Zu trauen ist der Ruhe im Kongo nicht. Zwar beeilt man sich in Berlin, den 30. November für den Ablauf des Mandates für die Bundeswehr zu bekräftigen. Noch liegt es aber im Dunkeln, wie sich die Wahlverlierer verhalten. Noch vor der geplanten Bekanntgabe des Wahlergebnisses wurde Kabila als Sieger ausgerufen. Damit überrumpelte man möglicherweise geplante Eskalationen. Die Stille ist trügerisch, da der unterlegene Bemba trotz früherer Zusage zur Anerkennung des Wahlresultates nun von Betrug spricht. Wiegelt er seine Anhänger auf, dann bleibt der Kongo unregierbar. Kabila herrscht lediglich im Osten des Landes und sitzt selbst in der Hauptstadt Kinshasa auf heißen Kohlen.'

Auch das HANDELSBLATT aus Düsseldorf meldet Zweifel an:

'Die Hoffnung auf eine Befriedung des gebeutelten afrikanischen Landes sollte freilich nicht allzu hoch gehängt werden. Denn die Stimmen aus Bembas Lager, die behaupten, dem früheren Rebellenchef sei der Sieg gestohlen worden, werden lauter. Und eine Ablehnung des Wahlergebnisses könnte verheerende Folgen haben, insbesondere in Bembas Hochburg Kinshasa.'

Abschließend die ABENDZEITUNG aus München; deren Kommentar beleuchtet speziell den deutschen Einsatz im Kongo:

'Die Mission ist hier auf viel Skepsis gestoßen, viele können nicht einsehen, was 'wir' dort zu suchen haben. Deutsche Interessen sind nicht nur Wirtschaftsinteressen, kann man antworten. Auch muss uns gelegen sein an der Stabilität und an menschenwürdigen Verhältnissen in den Ländern, deren Rohstoffe wir brauchen und ausbeuten. Niemand ist gedient mit einem Land, das im Chaos versinkt und das nur Flüchtlinge produziert. Ein Beitrag, das zu verhindern, macht die Mühen und das Risiko wert.'