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Pressestimmen von Donnerstag, 5. Juli 2007

Reinhard Kleber4. Juli 2007

Verfassungsgericht zu Abgeordneten-Einkünften / Aufregung über Tornado-Einsätze

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Ein Thema dominiert die Kommentarspalten der deutschen Zeitungen: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Nebeneinkünften der Bundestagsabgeordneten. Diese Einkünfte werden nun doch offengelegt. Die Richter wiesen nämlich die Klage von neun Parlamentariern gegen das Gesetz zurück. Bundestagspräsident Lammert will die vorliegenden Daten nun unverzüglich veröffentlichen. Daneben wenden sich die Kommentatoren der jüngsten Enthüllung zu den Tornado-Einsätzen beim G8-Gipfel zu. Doch zunächst zum Verfassungsgericht.

Die TAGESZEITUNG aus Berlin meint:

„Ein Sitz im Parlament ist mit gewissen Privilegien verbunden, die ein Normalbürger nicht hat. Deshalb ist es nur konsequent, wenn ein Abgeordneter auch Pflichten unterliegt, die für andere nicht gelten. Dem Wähler muss es möglich sein, sich über eventuelle finanzielle Abhängigkeiten zu informieren. Sie erhellen den Hintergrund, auf dem politische Entscheidungen fallen. Zum Beispiel, wenn ein Abgeordneter mit Beratungsverträgen und Aufsichtsratsposten in der Energiewirtschaft sich stets für eine konzernfreundliche Politik einsetzt. Das muss nicht unbedingt seine Argumente entkräften. Aber es hilft, sie einzuordnen.“

Ähnlich sieht das die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

„Es ist im Übrigen nicht so, dass das Gesetz den Parlamentari ern Nebentätigkeiten generell verbietet. Das wäre auch Unfug. Das Gesetz verlangt nur, dass sie Nebeneinkünfte offen legen, nach einem groben Raster. Das nennt man Transparenz, sie ist Grundlage von Demokratie und nicht zu viel verlangt. Sicher: Nebeneinkünfte können auch Unabhängigkeit sichern, sie können der Schlüssel sein zu den Handschellen des Fraktionszwangs. Es geht also um Maß und Ziel der Nebentätigkeiten und vor allem darum, dass der Wähler von ihnen weiß.“

Dagegen gibt der Bonner GENERAL-ANZEIGER zu bedenken:

„Die 2005 eingeführte Transparenzregel könnte besonders Selbstständige von einem Mandat abhalten und damit den Trend fördern, dass im Bundestag noch weniger Mandatsträger sitzen, die mit einem Bein im realen Berufsleben stehen. Abgeordnete, die sozusagen von der Schulbank weg ins Parlament einziehen, sollten die Ausnahme bleiben. Wer seine Einkünfte offen legen muss, gestattet Konkurrenten und Neidern nicht nur Einsicht in seine Vermögensverhältnisse, sondern auch in seine

geschäftliche Bonität einschließlich seiner Konkurrenzsituation. Das gleicht einem Eingriff in die Berufsfreiheit.“

Als letzte Stimme zu diesem Thema zitieren wir den SÜDKURIER aus Konstanz:

„Die Karlsruher Richter beantworten mit ihrem Urteil zu den Nebeneinkünften von Abgeordneten eine grundsätzliche Frage: Nämlich die nach der Bedeutung von Einzelinteressen gegenüber dem Volk als Ganzes. Der Abgeordnete, der künftig offen legen muss, womit er sein Geld verdient, wird vom Bundesverfassungsgericht an seine demokratisch dienende Funktion erinnert. Das ist gut so und längst überfällig. Denn seit Jahrzehnten wird über den gläsernen Abgeordneten gestritten. Dabei ist es mehr als recht und billig zuerfahren, dass mancher Politiker nur von seinen Diäten lebt, und andere diese dagegen als ein Zubrot betrachten.“

Und nun das zweite Thema - die jüngste Aufregung über die Tornado-Einsätze beim G8-Gipfel. Verteidigungsminister Jung will klären lassen, wie es zu der umstrittenen Ausweitung des Tornado-Einsatzes gekommen ist. Zuvor war bekannt geworden, dass es in Heiligendamm fünf Aufklärungsflüge mehr hatte, als ursprünglich genehmigt waren. Eine Enthüllung, an der auch die Leitartikler der deutschen Tagespresse nicht vorbeikommen.

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen schreibt:

„Spähpanzer bewachten Felder, während Tornados über Demonstranten hinwegflogen. Den Einsatz von rund 1000 Soldaten während des G8-Gipfels in Heiligendamm hat Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im Zuge der Amtshilfe zur Unterstützung der Polizei genehmigt. Was er da alles genehmigt hat, wusste er gar nicht. Die Tornados flogen fünf statt der erlaubten zwei Missionen. Aber das alles sei trotzdem verfassungskonform gewesen, findet der Minister. Das macht keinen guten Eindruck, zumal der Bundestag erst spät informiert wurde. Die Geheimniskrämerei nährt den Verdacht von SPD und Opposition, dass in Heiligendamm schleichend das Grundgesetz gedehnt werden sollte für den Bundeswehreinsatz im Inneren, den die Union seit Neuestem wieder vehement fordert.“

Im HANDELSBLATT aus Düsseldorf lesen wir:

„Da wird Piloten der Luftwaffe anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm befohlen, im Tiefstflug die Umgebung und das Verhalten dort aufmarschierter Demonstranten zu erkunden. Amtshilfe für die Polizei, heißt es lapidar. Doch der Verteidigungsminister, im Frieden oberster Dienstherr der Soldaten, steht im Dunkeln, will jetzt die Befehlskette erforschen. Als gäbe es im Land keine klaren Vorgaben dafür, ob und zu welchen Zwecken die Bundeswehr gerufen werden darf. Schlichte Bürokraten in Landesbehörden von Mecklenburg-Vorpommern dürfen sich jedenfalls nicht anmaßen, selber zu entscheiden. Dies ist selbstverständlich Sache der militärischen Führung.“

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock vertritt folgende Ansicht:

„Wer die Kritik am Einsatz der Bundeswehr beim G8-Gipfel als Störfeuer von Opposition und Besserwissern abtut, sollte lieber seine Zunge hüten. Zu viele Fragen sind offen. Und täglich kommen neue hinzu. Noch am 23. Mai antwortete Peter Altmaier (CDU), Staatssekretär im Verteidigungsministerium, auf Nachfragen von Parlamentariern: Bundeswehrkräfte kämen nur als 'Transporthilfe' zum Einsatz. Kein Wort von Spähpanzern, Kampfjets oder Aufklärungsflugzeugen. Dabei waren zu diesem Zeitpunkt längst die ersten Tornados über die Camps der Demonstranten hinweggedonnert. Sollte sich außerdem herausstellen, dass Landesinnenminister Lorenz Caffier im Alleingang Tornado-Flüge befehligte, kann der CDU-Hoffnungsträger schnell zum politischen Kollateralschaden werden. Erste Giftpfeile aus Berlin sind abgefeuert.“