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Pressestimmen von Donnerstag, 24. Januar 2008

Eleonore Uhlich23. Januar 2008

Bundesfinanzhof zur Pendlerpauschale

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Millionen Berufspendler in Deutschland haben einen Teilerfolg erzielt. Der Bundesfinanzhof hält die Kürzung der Pendlerpauschale für unvereinbar mit dem Grundgesetz und wird sie dem Bundesverfassungsgericht zur endgültigen Prüfung vorlegen. Die Wege zur Arbeit seien rein berufliche Aufwendungen, urteilten die Richter am obersten deutschen Steuergericht. Die Pressekommentare äußerten allenthalben Genugtuung.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt: "Das Urteil zur Pendlerpauschale ist für die Bundesregierung eine Klatsche. Für Millionen Arbeitnehmer ist es ein Anlass zur Hoffnung, für den Umweltschutz ein Rückschlag, für die Haushaltssanierung eine schwere Last, für das Bemühen um Subventionsabbau eine Hypothek. Bedauerlich ist, dass es der Bundesfinanzhof nicht dabei belassen hat, den schwarz-roten Kompromiss als schwarz-roten Murks zu identifizieren. Die Richter haben sich zum Anwalt der Pendlerpauschale als solcher aufgeschwungen und den Spielraum für eine sinnvollere Subventionskürzung eingeschränkt. Ob wir wie die USA ohne Pendlerpauschale leben können oder ob wir sie brauchen, sollte die Politik entscheiden, nicht die Justiz."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam fragt sich: "Warum mit solchem Ingrimm gerade am kleinen, arbeitnehmenden Manne gespart wird, dem die SPD doch eigentlich stets treu zur Seite stehen will, ist nicht ganz klar. Alles, was zur Erzielung von Einkommen dient, ist keine Privatsache, sondern steuerlich absetzbar. Der Finanzminister streicht aber nicht die Absetzbarkeit von Leder- Chefsesseln als Betriebsausgabe oder die Anrechnung von Schmierstoffen und Repräsentationsgeschenken, sondern schließt ein vermeintliches Schlupflöchlein bei Otto-Normalpendler, das keines ist. Und weil Absetzen nicht Erstatten bedeutet, bleibt der flexible Werktätige auch künftig auf einem ordentlichen Kostenberg für die staatlich verteuerte Mobilität sitzen."

Die PFORZHEIMER ZEITUNG merkt an: "Der großen Koalition ging es bei der Streichung der Pendlerpauschale schlichtweg ums Sparen. Wäre der Regierung an höheren Zielen wie zum Beispiel Klimaschutz gelegen, würden sie den Pendlern endlich auch Alternativen zum täglichen Stau-Wahn anbieten, sprich: einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr. "

Die in Aschaffenburg erscheinende Zeitung MAIN-ECHO gibt zu bedenken: "Mit dem drohenden Desaster bei der Pendlerpauschale gerät die angestrebte Sanierung des Bundeshaushalts ernsthaft in Gefahr. 2,5 Milliarden Euro pro Jahr weniger an Einnahmen sind keine Peanuts und können selbst bei üppig sprudelnden Steuerquellen nicht so einfach kompensiert werden, zumal sich ein Ende des Aufschwungs immer deutlicher abzeichnet. "

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG notiert: "Immerhin: Gnädigerweise erlaubt Finanzminister Peer Steinbrück den Berufspendlern, bis zum endgültigen Entscheid aus Karlsruhe vorläufig den alten, höheren Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Allerdings mit einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit für die Bürger. Die Hängepartie ist mehr als ärgerlich. In Zeiten wie diesen, wo der Konsum zur Wachstumslokomotive der Volkswirtschaft werden soll, sind nicht höhere, sondern weniger Steuern für die Bürger angezeigt. Dazu aber hat sich die Bundesregierung bis zum heutigen Tage nicht annähernd durchringen können. Wie dumm: Wer die Kuh lange und ergiebig melken will, sollte sie gelegentlich auch füttern."

Die ABENDZEITUNG aus München kritisiert den Entschluss der Regierung, trotz des Urteils an der Neuregelung weiter festhalten zu wollen: Schade, dass sich Finanzministerium und Bundesregierung nun verhalten wie ein beleidigtes Kleinkind und trotzig darauf beharren, dass sie in Karlsruhe aber dann ganz bestimmt gewinnen werden obwohl sie gestern und in allen unteren Instanzen verloren haben. Und sich mit diesem Argument auch weigern, langsam mal nachzudenken, was dann kommt, wenn Karlsruhe ihr Modell kippt was seit gestern noch wahrscheinlicher als bisher schon geworden ist. Den Lösungsweg haben die Münchner Richter ja schon vorgezeichnet: gleichmäßig niedrigere Sätze für alle."

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT blickt auf den Minister: "Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat sich selbst ins Abseits manövriert. Trotz erheblicher ökonomischer und juristischer Bedenken paukte er gleich nach der Bundestagswahl drastische Einschnitte bei der Pendlerpauschale durch und nun droht ihm ein Desaster. (...) Wie kann Steinbrück seinen Kopf jetzt noch aus der Schlinge ziehen? Wohl das einzig Richtige wäre es, den Fehler rasch einzugestehen und die umstrittene Änderung zurückzunehmen. Das neue Haushaltsloch würde seine Kabinettskollegen möglicherweise etwas zügeln, mit teuren Versprechungen in den Wahlkampf zu ziehen. Vielleicht könnten ja die dann fälligen Steuerrückzahlungen sogar einen kleinen Beitrag dazu leisten, dem angeschlagenen deutschen Aufschwung wieder etwas Schubkraft zu geben."

Zum Abschluss ein Ausblick der STUTTGARTER ZEITUNG: "Das Wort des Bundesfinanzhofs hat Gewicht auch beim Bundesverfassungsgericht. Deshalb sind die Chancen der Pendler seit gestern gestiegen, ihre Kosten für die Fahrt zur Arbeit doch wieder beim Finanzamt geltend machen zu können. Es ist aber keineswegs sicher, wie die Verfassungsrichter entscheiden werden. Wichtiger noch als den Bundesfinanzhof nehmen die Karlsruher ihre eigenen Urteile. Deshalb muss man daran erinnern, dass das Verfassungsgericht schon einmal eine Kürzung der Pendlerpauschale gebilligt hat wenn auch keine so massive wie die jüngste. Und die Verfassungsrichter lesen die Urteile ihrer Kollegen sehr genau. Deshalb muss man darauf hinweisen, dass der Münchner Beschluss zwar sehr entschieden ist, aber nicht in allen Punkten überzeugt."