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Pressestimmen von Dienstag, 22. Mai 2007

Gerhard M. Friese21. Mai 2007

Umbau der SPD Parteispitze / Afghanistan-Einsatz nach dem Attentat

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Die Zustimmung von Präsidium und Vorstand der SPD zu Plänen ihres Vorsitzenden Kurt Beck, die Parteispitze umzubauen, ist an diesem Dienstag ein genau so wichtiges Thema der Kommentare deutscher Tageszeitungen wie die neue Debatte um den Sinn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan nach dem Attentat von Kundus.

Zum Umbau der SPD-Spitze schreibt die HEILBRONNER STIMME:

'SPD-Chef Kurt Beck stellt die Partei, ein Jahr nachdem er an ihre Spitze gewählt wurde, neu auf. Erstes sichtbares Zeichen: die Führung wird verkleinert, vier noch amtierende stellvertretende Vorsitzende werden aufs Abstellgleis geschoben. Namen sind auch in diesem Fall Schall und Rauch. Weder nach innen noch nach außen in die Medien konnten die Stellvertreter und Stellvertreterinnen bisher eine besondere Wirkung entfalten. Amt und Person haben selten zusammen gefunden und so ist es vernünftig, der Position durch eine Verkleinerung des Führungszirkels Gewicht und Bedeutung zu verleihen. Für eine Renaissance sozialdemokratischer Ideen reicht das noch lange nicht. Die Partei steckt ja nicht rein zufällig seit Monaten im Umfragetief.'

Die STUTTGARTER ZEITUNG meint zu Becks Wunschkandidaten:

'Steinmeier, Steinbrück und Nahles - Beck fördert mit diesem Trio die verbliebenen stärksten Kräfte der Partei. Gemeinsam mit dem Fraktionschef Struck und dem Vizekanzler Müntefering wären die drei Vizechefs fähig, in wenigen Tagen die Partei im, wie Beck sagte, casus belli strategisch auf einen Wahlkampf auszurichten. Der Parteichef hat also akzeptiert, dass er allein nicht in der Lage ist, in Zeiten der großen Koalition das Profil der SPD ausreichend zu schärfen.... Man kann das alles negativ wenden und ein Zeichen von Schwäche nennen. Zutreffender dürfte jedoch die These sein: Der Mann lernt dazu.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINS ZEITUNG kommentiert:

'So dient Becks erste große Personalrochade nicht nur der persönlichen Absicherung, sondern auch der Festlegung des Kurses für den nächsten Wahlkampf. Die beifällig aufgenommenen Koalitionsgespräche mit den Grünen in Bremen zeigen, wohin die Reise gehen soll. Wenn es nach Beck geht, darf auch die FDP mit von der Partie sein. Den Vorstand hat er dafür jetzt gewonnen. Aber der Parteitag, der darüber entscheidet, findet erst im Herbst statt.'

Die Berliner TAGESZEITUNG taz bemerkt zum Ausschluss der ostdeutschen SPD-Funktionäre aus der Führungsspitze:

'Ob das klug ist? Proporz hat nämlich entgegen dem landläufigen Vorurteil keineswegs nur etwas mit Mauschelei und Filz zu tun, obwohl er dazu führen kann. Sondern zunächst einmal mit Repräsentanz. Die fehlt dem Osten künftig. Das wird die Basis nicht freuen. Ganz ohne sie lässt sich jedoch schlecht regieren.'Das Selbstmordattentat auf Bundeswehrsoldaten im nordafghanischen Kundus hat eine Debatte über eine neue Afghanistan-Strategie entfacht.

Der MANNHEIMER MORGEN setzt auf ein Abrücken von einer militärischen Lösung:

'Ein Ansatz könnte der Abbruch von Enduring Freedom sein. Allerdings müsste dann die Schutztruppe ISAF einen Teil dieser Aufgaben übernehmen. Denn allein das Ende einer Mission würde die Taliban kaum dazu bringen, ihre Ziele aufzugeben. Deshalb sollte noch an einigen anderen Stellschrauben gedreht werden. Und das bedeutet: Beschleunigung des Wiederaufbaus. Was bei einer traumatisierten Gesellschaft wie der afghanischen noch lange genug dauern wird.'

Die OFFENBACH-POST warnt dagegen:

'Ein schneller Rückzug aus Afghanistan wäre fatal, würde alle bisherigen Erfolge zunichte machen. Doch darf es auch kein einfaches Weiter so mehr geben. Weder ist in dem von Krieg und Zerstörung gepeinigten Land eine überzeugende und dauerhaft wirksame Gesamtstrategie erkennbar. Noch gibt es eine Perspektive für die Soldaten, wann ihre Aufgabe dort erfüllt sein wird.'

In der in Gera erscheinende OSTTHÜRINGER ZEITUNG heißt es :

'Hilfsorganisationen berichten, dass die Deutschen und ihre Soldaten im Lande einen guten Ruf wegen ihrer Aufbauhilfe besitzen. Eben das war offenbar der Grund, warum die Bundeswehrsoldaten ermordet wurden. Es soll kein Unterschied gemacht werden zwischen dem Schutz ziviler Hilfe und dem militärischen Vorgehen gegen Terroristennester, weil selbst kleinste Erfolge beim Wiederaufbau den Einfluss von Extremisten eindämmen. Das wiederum zeigt: Das Engagement ist trotz aller Rückschläge nicht sinnlos.'

Die BERLINER MORGENPOST wirft einen Blick auf die innerdeutsche Diskussion:

'Die Taliban wissen: Sie tragen mit jedem toten Bundeswehr-Soldaten die Debatte über Sinn und Unsinn dieses Einsatzes hinein in die deutschen Wohnzimmer... Die Taliban wissen auch: Wenn man die Deutschen mürbe macht, dann bröckelt womöglich die ganze Nato-Front. Je näher der nächste Bundestagswahlkampf rückt, desto hitziger wird dieser Einsatz debattiert werden. Fakt ist: Jeder tote Bundeswehrsoldat dieser Afghanistan-Mission wird die große Koalition schwerer belasten.'

Und zum Schluss das Berliner Blatt DER TAGESSPIEGEL, das die Politik in Erklärungszwang sieht: 'Den Kampf um die deutsche Öffentlichkeit wird die Politik auf lange Sicht nur gewinnen, wenn sie überzeugender begründet, warum unsere Sicherheit tatsächlich auch am Hindukusch verteidigt wird. Und warum wir die Nato auch in Zukunft brauchen und es uns nicht leisten können, dass das Bündnis den Konflikt mit den Taliban verliert.'