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Pressestimmen von Dienstag, 20. Juni 2006

(Ute Wagemann) 19. Juni 2006

Zusammenschluss der Telefon-Netzwerk-Sparten von Siemens und Nokia/ Einigung bei der Föderalismusreform

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Die Technologie-Konzerne Siemens und Nokia legen ihre Telefon-Netzwerk-Sparten zusammen. Über den Zusammenschluss schreiben viele Kommentatoren der deutschen Presse. Ein anderes viel beachtetes Thema der Tageszeitungen ist die Einigung bei der Föderalismusreform.

Den Zusammenschluss mit Nokia hält die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München für eine Lösung, mit der Siemens es sich zu leicht gemacht hat:

"Bei einem Unternehmen wie Siemens reicht es nicht, auf
Schwierigkeiten in einem Geschäft mit seinem Verkauf zu reagieren. Siemens muss - auch im eigenen Interesse - den ungeduldigen Finanzmärkten erläutern, dass in einem Technologiekonzern der Fortschritt länger dauert als ein paar Quartale. Das ist mühsam angesichts der Analystenhörigkeit heutiger Kapitalanleger, unmöglich ist es nicht."

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen betrachtet den Verlust für Deutschland:

"Hier geht auch ein Stück deutscher Industriekompetenz verloren. Dass darüber hinaus bis zu 9.000 Arbeitsplätze gefährdet sind, ist die nächste bittere Pille. Kein Tag zum Jubeln also für Deutschland. Derweil schwärmt Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, dass mit Nokia nun ein neuer Titan entsteht. Mag sein. Er wird aber aus Finnland geführt. Dort spielt die Musik, nicht mehr in diesem Land."

Auch die ABENDZEITUNG aus München schaut auf die Jobs, die verloren gehen:

"Was die Börse bejubelt, das ist meist bitter für die Mitarbeiter. So auch beim Mega-Zusammenschluss zwischen Siemens und Nokia. Bis zu 9.000 Jobs könnten ihm zum Opfer fallen. Gleichzeitig schoss der Aktienkurs des Elektrokonzerns in die Höhe: Vorschusslorbeeren für die Einsparungen, die die Zusammenarbeit bringen soll. Ob die so hoch ausfallen werden, wie es die Konzernlenker erhoffen, bleibt abzuwarten. Oft genug wurden bei Fusionen die viel gepriesenen Synergieeffekte von Reibungsverlusten aufgefressen. Und die Finnen sagen an, was getan wird. Kaum vorstellbar, dass das ohne Probleme abläuft."

Die FULDAER ZEITUNG glaubt hingegen, dass die Fusion kein schlechter Schachzug des deutschen Unternehmens war:

"Siemens kappt seine Wurzeln. Auch Deutschlands größter Elektronikkonzern kann sich keine Nostalgie leisten. Doch was bringt die Zukunft nach der Fusion der Siemens-Kommunikationssparte Com mit dem finnischen Mobilfunkriesen Nokia? Auf den ersten Blick hat
Siemens bei dem Milliardendeal den Kürzeren gezogen. Trotzdem hat sich Siemens nicht über den Tisch ziehen lassen. Im Gegenteil: Die Elefantenhochzeit bietet gute Chancen letztlich auch für die Mitarbeiter. Mit dem starken Partner an der Seite können die Münchner nun auch wieder in die Offensive gehen."

Themenwechsel. Union und SPD haben sich bei der Föderalismusreform auf einen Kompromiss in einem Teilbereich der Bildungspolitik geeinigt.

Die TAGESZEITUNG aus Berlin hält die Einigung für unsozial:

"(...)Der Kompromiss, auf den sich Union und SPD jetzt offenbar geeinigt haben, zeugt vom alten Bildungsdünkel - als hätte es die Pisa-Debatten der vergangenen Jahre überhaupt nicht gegeben. Nur an der Spitze der Bildungspyramide, bei den Hochschulen,darf der Bund den Ländern künftig noch finanziell unter die Arme greifen und den deutschen Nachwuchs auf Weltniveau hieven. Bei den Schulen dagegen, dem eigentlichen Problemfall der Bildungsrepublik Deutschland, bleibt er dagegen außen vor. So etwas wie das Programm,mit dem Rot-Grün in den vergangenen Jahren die Ganztagsschulen förderte, soll es nie wieder geben."

Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER entdeckt bei der Freude über die Einigung Parallelen zur Fußball-WM:

"Jubel steckt an - wie einen Sieg der deutschen Nationalmannschaft feiert die große Koalition jetzt die erreichte Einigung bei der Föderalismusreform. Es ist allerdings mehr als ein Schönheitsfehler, dass die Aufteilung der Kompetenzen ausgerechnet bei den Hochschule ausgesetzt wurde. Hätten die Koalitionäre mutig den Ländern auch hier die Verantwortung zugewiesen, so wären sie nicht umhin gekommen, ihnen bald die nötigen Mittel dafür zu verschaffen. Genau darum, um die strittigen Finanzbeziehungen, geht es nämlich in der nächsten Phase der Reform. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben - wie beim Fußball hätten Union und SPD in der ersten Halbzeit nicht den Druck aus dem Spiel nehmen dürfen. Jetzt droht ein müder Beginn der zweiten Spielhälfte."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG kritisiert hingegen den Kompromiss:

"(...) Nirgendwo liefert der Föderalismus so schlechte Ergebnisse wie im Bildungswesen und kaum ein Bereich ist so bizarr gesteuert wie dieser. (...) Es geht nur um finanzielle Vor- oder Nachteile, um Geldströme hin und her, um Vorteilsausgleich und Kofinanzierungen, manchmal noch um Bildungshoheit, Länderstolz und Eitelkeit. Nie aber geht es um die Zukunft des Wissenschaftsstandortes Deutschland insgesamt."

Dass es für die Regierungskoalition dringend nötig war, eine Einigung zu erzielen, glaubt die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND aus Hamburg:

"Die große Koalition hat damit das Projekt gestemmt, das nach Meinung vieler ihre Existenz überhaupt erst rechtfertigt. Denn mit einem schmaler angelegten Regierungsbündnis wäre die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Grundgesetzes kaum erreichbar gewesen. Dennoch sollte sich niemand der Illusion hingeben, nun werde das politische System Deutschlands wie ein von seinen Fesseln befreiter Gulliver zu neuen Ufern aufbrechen. Die Unterhändler haben erreicht, was sie innerhalb der gegebenen Vorgaben erreichen konnten. Das aber ist weniger, als wünschbar und notwendig wäre."