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Pressestimmen von Dienstag, 17. Juli 2007

16. Juli 2007

EADS / Airbus

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Der Streit zwischen Deutschland und Frankreich über die künftige Führung beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS ist beigelegt. Der französische Manager Gallois wird alleiniger EADS-Vorstandschef, der deutsche Co-Vorsitzende Enders wechselt an die Spitze von Airbus. Das wurde am Rande des deutsch-französischen Gipfeltreffens in Toulouse bekanntgegeben. Diese Entscheidung steht im Mittelpunkt zahlreicher Kommentare der Tagespresse.

Dazu meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

„Das Signal von Toulouse, es ist, was die Personalauswahl mit nationaler Manndeckungskomponente betrifft, sicher ein politisches. Also ein fein ausbalanciertes weniger nach Sarkozy-Manier als nach Merkel-Art. Wer immer jetzt welchen Job hat, das politisch wichtige Stichwort, das Sarkozy nur zu gern in den Mund nahm, heißt Rotation in fünf Jahren. Ein Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel, das jeder Seite mal hier, mal dort Chefsessel einbringen kann. Die Frage ist nur, ob das dem Konzern die gewünschte Stabilität garantiert. Sarkozy, so viel steht fest, bleibt ein machtbewusster Partner auf dem deutsch- französischen Tandem.“

Die STUTTGARTER ZEITUNG stellt fest:

„Insgesamt haben sich politische Interessen gegen wirtschaftliche Erwägungen durchgesetzt. Allerdings ist auffällig, dass die französische Seite ihre Ambitionen auf fast aggressive Weise zur Geltung bringt; Deutschland ist da eher in der Defensive. (…) Als politisch dominiertes Projekt hat die EADS schlechte Chancen, die Herausforderungen vom erstarkten Konkurrenten Boeing bis zum niedrigen Dollarkurs zu bewältigen. Die nächste Krise wird es zeigen.“

Im Bonner GENERAL-ANZEIGER lesen wir:

„Von einem normalen Unternehmen ist Airbus himmelweite Luftsprünge entfernt. Auch nach der angekündigten Neuordnung seiner Führungsstrukturen, eher ein kosmetisches Reförmchen, bleibt der politische Einfluss groß, sogar zu groß. Noch immer hängen Airbus und der Mutterkonzern EADS am Gängelband der Politik in Paris und Berlin. Und weder Kanzlerin Merkel noch Frankreichs neuer Präsident gaben gestern in Toulouse zu erkennen, Airbus tatsächlich einmal in die unternehmerische Selbstständigkeit entlassen zu wollen.“

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf schreibt:

„Ruhe wird bei EADS kaum einkehren. Denn das Grundübel des Konzerns bleibt dem Management erhalten. Die ständig divergierenden Interessen der Großaktionäre sind nur schwer vereinbar. Daimler-Chrysler und der französische Medienkonzern Lagardère wollen Geld verdienen, der Wert ihrer Anteile soll steigen. Frankreichs Regierung sieht in der EADS dagegen vor allem ein Instrument der Industriepolitik. Nicht erst seit Nicolas Sarkozys Amtsantritt spielt Frankreich mit seinen 15 Prozent bei EADS Powerplay. Der staatliche Großaktionär, der eigentlich längst ausgestiegen sein sollte, bestimmt immer stärker die Agenda und treibt die industriellen Großaktionäre vor sich her.“

In der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND aus Hamburg heißt es:

„Deutschland und Frankreich sind nun einmal die dominierenden Anteilseigner bei EADS, als Staaten selbst oder vertreten durch die Unternehmen Daimler und Lagardère. Die angeschlagene Tochter Airbus kann zu Boeing nur dann aufschließen, wenn der Konzern endlich rein betriebswirtschaftlich geführt wird. An der Politik liegt es, EADS von politischem Einfluss frei zu halten. Fehlt dieser Wille, kann die beste Führungsstruktur nichts ausrichten.“

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU stellt fest:

„Enders wie Gallois sind absolute Spitzenleute, die das Unternehmen dringend braucht, um aus der Krise geführt zu werden. Ihre Nationalität ist da zweitrangig. Noch wichtiger freilich ist es, dass Berlin und vor allem Paris jetzt tatsächlich den Managern freie Hand lassen. Der Rückzug der Politik aus dem EADS-Cockpit ist seit langem ebenso überfällig wie jene dummen Eifersüchteleien, die sich Deutsche und Franzosen bis in die Konzernspitze hinein leisten, überflüssig sind.“

Das COBURGER TAGEBLATT kommentiert:

„Mit nur einem Piloten und einem Co-Piloten fliegt es sich eindeutig besser in die Zukunft. Insbesondere auch, weil sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy darauf verständigt haben, dass weder der französische noch der deutsche Staat ausgeprägte Kompetenz auf dem Gebiet der Unternehmensstrategie besitzt. Noch steht diese gegenseitige Versicherung, sich nicht mehr einzumischen, nur auf dem Papier. Werden die Vereinbarungen gelebt, wird auf Einflussnahme und Ränkespiele künftig verzichtet, wird Vertrauen statt Misstrauen zum Grundprinzip dann kann EADS wieder Luft unter die Flügel bekommen und an die Spitze gelangen.“

Abschließend ein Blick in die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

(...) Trotz der Vereinfachung der Führungsstrukturen bleibt EADS ein politisches Unternehmen, in dem die Manager eben nicht so entscheiden können, wie sie es in einem privaten Konzern tun würden. Deshalb kommt es sehr darauf an, dass die bisher passable Zusammenarbeit zwischen dem künftigen alleinigen Airbus-Chef Thomas Enders und seinem Vorgesetzten bei EADS, dem Franzosen Louis Gallois, auch künftig gut funktioniert. (...) Allerdings ist eine weitere wichtige Entscheidung vertagt worden: Irgendwann wird sich die Frage der künftigen Finanzierung von EADS - und damit einer eventuellen Kapitalerhöhung - stellen. (…) Im Umgang mit diesem Thema wird sich zeigen, wie sehr der französische Präsident tatsächlich gewillt ist, aus EADS ein ‚normales’ Unternehmen zu machen.