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Pressestimmen von Dienstag, 15. Mai 2007

Thomas Grimmer 14. Mai 2007

Daimler verkauft Chrysler

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Nach neun Jahren unter einem Konzerndach gehen die Autobauer Daimler und Chrysler wieder getrennte Wege. Der Stuttgarter DaimlerChrysler-Konzern verkauft seine US-Tochter an den Finanzinvestor Cerberus. Die meisten Kommentatoren der deutschen Tagespresse sind froh, dass der Spuk vorbei ist.

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth schreibt:

'Nun wird getrennt, was nie zusammengehört hätte: Nach neun Jahren ist die Daimler-Chrysler-Ehe gescheitert. Die Scheidung sorgt an der Börse für Jubelstürme. Kein Wunder. Dem Irrweg des Jürgen Schrempp folgt der Befreiungsschlag des Dieter Zetsche. Die Daimler AG kann sich künftig wieder auf das konzentrieren, was sie am besten kann: hochpreisige Autos mit guten Renditen bauen. Das mörderische Massengeschäft abseits der Premium-Klasse, in dem Chrysler schlecht positioniert ist, lässt Zetsche hinter sich.'

Auch laut SÜDDEUTSCHER ZEITUNG bügelt Zetsche damit einen Fehler seines Vorgängers Schrempp aus:

'Schrempp hielt sich für den Größten, er glaubte, den globalen Markt beherrschen zu können. In Wirklichkeit hat er seine Geschäfte auf dem Rücken der Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre gemacht und am Ende viele Milliarden Euro verbrannt. Der einstige Vorzeige-Manager ist als globaler Unternehmer grandios gescheitert. So gesehen ist das aktuelle Daimler-Debakel noch ein später Schrempp-Schaden - zumindest teilweise.'

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER zieht folgende Bilanz:

'Mit dem Verkauf von Chrysler zieht DaimlerChrysler endlich einen Schlussstrich unter ein Kapitel seiner Firmengeschichte, das von Beginn an unter keinem guten Stern stand. Es bleibt allerdings ein halbherziger Abschied, weil die Stuttgarter auch künftig ein Fünftel an dem US-Konzern behalten wollen. Die Veräußerung bedeutet nicht nur das Ende einer Auto-Ehe, sondern es ist das Aus für die Vision einer Welt AG, die die Aktionäre der Stuttgarter, über die Jahre betrachtet, viel Geld gekostet hat. Was jetzt zählt, sind die Aussichten. Und die sehen für die neue Daimler AG ohne Amerikaner zweifelsfrei besser aus als mit ihnen.'

Der TAGESSPIEGEL aus Berlin fragt:

'Eignet sich das gescheiterte Experiment DaimlerChrysler als Symbol für die Inhaltsleere der Globalisierungsversprechen? Der Verkauf von Chrysler an Cerberus legt das Gegenteil nahe. Dass ausgerechnet ein Finanzinvestor den Zuschlag für Chrysler erhält, der weltweit 17,4 Milliarden Euro in 50 Unternehmen mit 175.000 Beschäftigten investiert hat, zeugt von der Macht und Anziehungskraft des Beteiligungskapitals. Private-Equity- und Hedge-Fonds sind die wahren Globalisierer. Damit ist noch nicht gesagt, dass sie auch die besseren Unternehmer sind. Ihr Kapital kommt und geht, genauso wie ihre Begeisterung für ein Unternehmen, ein Produkt, eine Marke. Ob dieses Geschäftsmodell auch in der Autoindustrie Erfolg hat, muss Cerberus bei Chrysler jetzt beweisen.'

Im SÜDKURIER aus Konstanz heißt es:

'Die Verbindung hatte von Beginn an wenig Chancen auf Bestand. Produkte, Märkte, Qualitätsansprüche und Unternehmenskulturen beider Konzerne waren zu verschieden. Bis heute ist es nicht gelungen, die erhofften Vorteile aus der Kombination beider Unternehmen herauszuarbeiten. Der Verkauf von Chrysler bedeutet den Schlussstrich unter die durch und durch gescheiterte Strategie des damaligen Daimler-Chefs Jürgen Schrempp. Der vermeintlich erste Weltkonzern der Automobilindustrie, wie ihn Schrempp damals glorifizierte, steht heute wieder da, wo er angefangen hat, nur um einige Milliarden ärmer.'

Auch die KIELER NACHRICHTEN sehen das Kapitel 'Chrysler' als Erblast des früheren Konzernchefs:

'Mit dem Chrysler-Verkauf an den Finanzinvestor Cerberus ist nicht nur Schrempps Traum von der ersten Welt AG zerplatzt. Eine zweite hat es nie gegeben. Im Überschwang der Nichts-ist-unmöglich-Ära der New Economy in den 90er-Jahren haben sich die Stuttgarter Autobauer kräftig verhoben und die Milliarden, die sie schöpfen wollten, schlicht versenkt. Was aus Chrysler wird, steht noch in den Sternen. Gewiss jedoch ist: Cerberus (...) saniert oder filetiert...'

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle sieht es so:

'Gemessen am einstigen Kaufpreis und den Summen, die seitdem über den großen Teich geflossen sind, ist es ein mieses Geschäft. Dennoch sind alle zufrieden. Der Stuttgarter Konzern, der den Verlustbringer endlich los ist, vor allem aber die Anleger, die nun darauf hoffen, dass Daimler an der Börse ohne Chrysler sogar noch mehr wert sein wird als zuvor. Ein Ende mit Schrecken, so die Botschaft, ist allemal besser als ein Schrecken ohne Ende.'

Schließlich noch ein Blick in die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam:

'Chrysler hatte keine guten Modelle in der Pipeline, die Produktion war zu teuer. Zu lange setzte man auf spritfressende Trucks und Geländewagen und sah tatenlos zu, wie die Japaner mit sparsamen Autos den amerikanischen Markt eroberten. Schrempp-Nachfolger Dieter Zetsche gebührt das Verdienst, endlich einen Schlussstrich unter die neunjährige Hängepartie gezogen zu haben. Aus einer verfahrenen Situation hat er das Beste gemacht: Beim Verkauf an den Finanzinvestor Cerberus kommt Daimler einigermaßen glimpflich davon und kann sich nun auf die Kernmarke Mercedes konzentrieren. An der Gesamtbilanz ändert das jedoch nichts: Angesichts der Milliardenverluste der Vergangenheit hat sich der Traum von der 'Welt-AG' für Daimler als Albtraum erwiesen.'