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Politik

Kommentare zur Konfrontation China-Indien

Hans Spross
17. Juni 2020

Indische Zeitungen sowie Chinas Staatsmedien fordern nach dem blutigen Grenzzwischenfall Festhalten am Dialog. Aus indischer Sicht muss Neu-Delhi allerdings "aufwachen" und Pekings Großmachtstreben realistisch bewerten.

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Aktivisten der Orgnisation Swadeshi Jagran Manch protestieren gegen China in New Delhi
Demonstranten gegen China gingen am Mittwoch auf die Straße der Hauptstadt Neu-DelhiBild: Reuters/A. Fadnavis

"Kein diplomatischer Kotau"

Die "Times of India" hält es für denkbar, dass die "chinesische Aggression" eine Warnung an die Adresse Indiens sein könnte, sich nicht der "absolut legitimen" internationalen Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung der Ursprünge des Corona-Ausbruchs anzuschließen. "Sollte es Peking gelingen, Indien zu einem Kotau vor seinen, Chinas, diplomatischen Positionen zu bewegen, wäre das auch ein starkes Signal an die übrigen Nachbarländer sein, wer in Asien zu bestimmen hat. Deshalb sollte Indien genau das tun, was China nicht will, und mit diplomatischen Gegenmaßnahmen reagieren."

Der Kommentator empfiehlt in diesem Zusammenhang unter anderem scharfe Kritik an der "Beendigung" der Autonomie Hongkongs und an den Menschenrechtsverletzungen in Tibet und Xinjiang sowie die Aufwertung der Beziehungen zu Taipeh. "Außerdem sollten wir China mit gleicher Münze heimzahlen und den Handel als Waffe einsetzen, indem wir chinesische Importe mit Sanktionen belegen. Peking kann nicht unsere Soldaten an der Line of Actual Control töten und gleichzeitig von unserem riesigen Markt profitieren."

"Falsches Gefühl der Sicherheit"

Der "Indian Express" schreibt: "Die brutale Tötung 20 indischer Soldaten durch die chinesische Armee (…) hat das Potential, die erst vor wenigen Tagen zwischen hohen Offizieren beider Seiten vereinbarte militärische Entspannung zu untergraben." Der Kommentator verweist auf die gleichlautende wechselseitige Beschuldigung, die andere Seite habe den gemeinsam erzielten Konsens verletzt und schreibt weiter: "Zweifellos geht vieles im Prozess der Übersetzung verloren. Gleichzeitig verletzt das chinesische Abenteuertum das auf mehreren Treffen zwischen Xi Jinping und Narendra Modi hergestellte Einvernehmen." Neu-Delhi sollte alle politischen und militärischen Kommunikationskanäle mit Peking aktivieren, um diesen Punkt klar zu machen.

Das Blatt kritisiert, dass viele Politiker in Neu-Delhi sich von früheren diplomatischen Erfolgen bei Grenzstreitigkeiten mit China zwischen 2013 und 2017 hätten "in falsche Sicherheit wiegen lassen". Die indische Regierung dürfe den "fundamentalen Wandel in Chinas Weltsicht nicht länger ignorieren, wonach Peking es mit jedem aufnehmen könne (...) Indien kann sich seine politischen Illusionen in Bezug auf China immer weniger leisten." 

Indischer Grenzsoldat an der Grenze zu China
Indische Soldaten an der Grenze zu ChinaBild: Getty Images/AFP/T. Mustfa

"Einzig richtige Weg des Dialogs"

Den blutigen Grenzzwischenfall am Montag stellt die "Jiefangjun Bao" ("Zeitung der Volksbefreiungsarmee") am Dienstag folgendermaßen dar: "Am Abend des 15. Juni führte die indische Armee im Tal des Galwan-Flusses entlang der chinesisch-indischen Grenze entgegen ihren Verpflichtungen erneut illegale Aktivitäten über die 'Line of Actual Control' hinweg durch. Sie begann absichtlich einen provokativen Angriff. Die Handgreiflichkeiten führten zu Todesopfern und Verletzten."

In dem Artikel wird sodann gefordert, "dass Indien seine Grenztruppen strikt unter Kontrolle hält, unverzüglich alle Grenzverletzungen und provokativen Aktionen einstellt und auf den richtigen Weg des Dialogs und der Gespräche zurückkehrt, um Differenzen beizulegen."

"Freundliche Geste Chinas"

Während Indien von mindestens 20 bei dem Zusammenstoß getöteten eigenen Soldaten spricht, sowie allgemein von "Verletzten beziehungsweise Getöteten auf chinesischer Seite", macht China keine Angaben über eigene oder indische Opfer. Dazu schreibt Hu Xijin, Chefredakteur der nationalistischen Tageszeitung "Global Times": "China möchte nicht, dass die Menschen in beiden Ländern die Zahl der Todesopfer miteinander vergleichen, wodurch die ohnehin schon gereizte Stimmung weiter angefacht würde. Es ist eine freundliche Geste Chinas."

Hu appelliert an die Leser, diese sollten sich nicht auf "Gerüchte über die Anzahl der Todesopfer, die das Ausland verbreitet", verlassen. "Wir vertrauen unserer Regierung und der Volksbefreiungsarmee und ihrer Deeskalationsstrategie bei Grenzkonflikten."

China Indien Grenzkonflikt
(Archiv) Ähnliches Manöver der chinesischen Armee vor der indischen Grenze fand schon mal im August 2017 stattBild: picture-alliance/AP Photo/CCTV

TV-Bericht über chinesisches Manöver in Grenznähe

Am Mittwoch zeigte das chinesische Staatsfernsehen Fotos von einem Militärmanöver auf dem Plateau von Tibet. Der Sprecher teilte mit: "Kürzlich führte eine Brigade der in  Tibet stationierten Volksbefreiungsarmee auf der südlichen Seite des Nyenchen Tanglha-Gebirges, 4700 Meter über dem Meeresspiegel, eine dreidimensionale Übung mit scharfer Munition durch." Laut der Beschreibung hat das Manöver unweit der indischen Grenze zum Bundesstaat Arunachal Pradesh stattgefunden, das von China beansprucht wird. Wann genau das Manöver stattgefunden hat, ging aus dem Bericht nicht hervor.

Streitpunkt Straßenbau

Die "Xin Jing Bao" ("Pekinger Nachrichten") berichtet über die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Indien und den drei benachbarten Ländern Pakistan, Nepal und China seit Mai 2020.

"Seit Jahren baut Indien in den Grenzgebieten im Norden, Nordosten und Nordwesten Straßen auf seiner Seite (der 'Line of Actual Control'). Insgesamt sollen 66 Straßen bis 2022 fertig gebaut werden. Der wahre Hintergrund beim Streit im Galwan-Tal liegt darin, dass die Straßenführung die Grenze überschreitet. Das ist eine Strategie Indiens, einseitig Fakten zu schaffen, um sich das Territorium stückchenweise einzuverleiben."

Die Zeitung geht sodann auf die Innenpolitik Indiens ein: "Bei der Bekämpfung von COVID-19 hat sich die indische Regierung mit ihren 'außergewöhnlichen Erfolgen' selbst gelobt. Jetzt zeigt sich, dass die Fallzahlen weiterhin stark ansteigen (…) Die Regierung der nationalistischen BJP setzt jetzt den Grenzkonflikt auf die politische Agenda, um die nationalistische Stimmung im Lande anzuheizen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit (von der Corona-Krise) abzulenken. Diese Strategie hatte BJP auch schon öfters verfolgt."

Die Zeitung schreibt abschließend: "Chinas Position ist klar. Nur wenn Indien Bereitschaft zur Kooperation zeigt und sich mit China in dieselbe Richtung bewegt, um den Konflikt auf dem Weg des Dialogs zu beseitigen, ist eine Lösung möglich."