1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Presseschau von Mittwoch, 4.Dezember

Gerd Winkelmann 3. Dezember 2002

Auftakt der Etat-Beratungen im Bundestag

https://p.dw.com/p/2xcN

Hans Eichel hat's schwer. Im Urteil deutscher Zeitungskommentatoren verdienen sich seine parlamentarischen Rettungsversuche für die laufenden und kommenden Bundeshaushalte durchweg schlechte Noten: So schreibt beispielsweise das NEUE DEUTSCHLAND in Berlin an diesem Mittwoch über den Auftakt der dreitägigen Etat-Debatte im Bundestag:

'Um den Nachtragshaushalt 2002 und den Etat 2003 ging es nur am Rand der gestrigen Bundestagsdebatte. Im Mittelpunkt stand die politische Verwertbarkeit der beiden eher unspektakulären Zahlenwerke - genauer gesagt der Untersuchungsausschuss 'Wahlbetrug', der nun vorerst doch nicht kommt. Eine Verrohung der politischen Sitten wittert der angeschlagene Finanzminister Hans Eichel. Die Union möchte mit dem Ausschuss dem 'Bedürfnis in der Bevölkerung nach Protest' einen parlamentarischen Rahmen bieten. (...) Eine stringente Idee, wie Wirtschaftswachstum und Beschäftigung im eigenen Land wieder angekurbelt werden sollen, findet man in den Etatvorlagen nicht. Die fehlt aber auch der Opposition. Kein Wunder also, dass sich die versammelten Parlamentsmannschaften lieber um das Bällchen eines Untersuchungsausschusses balgten, aus dem die Luft schon jetzt raus ist.'

Folgende Meinung entnehmen wir der Tageszeitung DIE WELT:

'Die 'Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts' musste der Finanzminister erklären, um den Nachtragshaushalt für 2002 verfassungskonform zu gestalten. Die Neuverschuldung liegt bei 34,6 Milliarden Euro und damit deutlich über jenen 25 Milliarden Euro, die in Investitionen fließen. Der kämpferische Hans Eichel hat zumindest ein gewichtiges Argument auf seiner Seite, wenn er die Schwäche der Weltwirtschaft anführt. Aber die ständige Betonung, seine Planung sei 'auf Kante genäht', wirkt inzwischen wie eine Chiffre für das Eingeständnis, auch nächstes Jahr werde es in den öffentlichen Kassen hinten und vorne nicht reichen.'

Hier das Urteil der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

'Der auf Kante genähte Haushalt ist gerissen. Die Konjunktur lässt die Einnahmen einbrechen, die Arbeitslosigkeit schlägt sich in höheren Ausgaben nieder. Die Folgen sind gravierend: Die Oberlatte des Stabilitätspakts wird gerissen, die Neuverschuldung ist entgegen der Verfassungsnorm größer als die Investitionssumme, und um einer Wiederholung vorzubeugen, sind entweder Steuererhöhungen oder Ausgabeneinschnitte nicht zu vermeiden. Finanzminister Eichel präsentierte sich in der Haushaltsdebatte als Wachstumsopfer.'

Die publizistische Konkurrenz in der Main-Metropole, die FRANKFURTER RUNDSCHAU, wirft einen Blick auf die Rolle der politischen Opposition:

'Dass die Union keine Lust hat, in der Sache sehr begründbare, leider aber schlecht vorbereitete und des Gesamtkonzepts entbehrende Einschnitte der Regierung mitzutragen, kann man aus der Sicht der Opposition verstehen. Dass eine große Volkspartei in einer wirtschaftlichen Krise, die sie selbst für dramatisch hält, aber nichts anderes im Sinn hat, als wochenlang rückwärts gewandten Klamauk in einem Untersuchungsausschuss zu erzeugen, zeugt von brutalstmöglicher Heuchelei. Es ist ja wahr: Im rot-grünen Haushalt des nächsten Jahres schlummern erhebliche Risiken. Wichtige Sozialreformen sind lange verschleppt worden. Ein überzeugendes Krisenkonzept zwischen rigidem Kaputtsparen und der frontalen Kollision mit der europäischen Defizitschranke fehlt. Da gäbe es viel Platz für Alternativideen. 'Deutschland muss besser regiert werden', maulte Unions-Fraktionsvize Merz im Bundestag. Auf irgendwelche Vorschläge wartete man vergeblich.'

Zum Schluss noch die Meinung der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

'Die Wahlkampf-Tricks, die die Union als schlechter Verlierer mit Krampf in einen Untersuchungsausschuss zerren will, lagen für jeden routinierten Wähler klar auf dem Entscheidungstisch. Wahlentscheidender war aber sicher die Frage: Stoiber oder Schröder. Und, mindestens so wichtig, war die Erwartung einer gründlichen Erneuerung der Sozial- und Verbändesysteme. Schröder, Müntefering, Scholz, Eichel und Ulla Schmidt haben nach der Wahl nichts Nennenswertes getan, um diesen Vertrag mit den überredeten Wählern auch glaubwürdig zu verwirklichen. Deshalb haben jetzt Barrikaden-Kämpfer, Komiker und Oppositionsführer ein so leichtes Geschäft. Dass auch Eichels Kassenpläne nicht mehr sonderlich ernst genommen werden, liegt weniger an der Bösartigkeit oppositioneller Vorwürfe, sondern am verspielten Kredit bei den Wählern.'