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Presseschau von Mittwoch, 30.Oktober. 2002

Gerhard M Friese. 29. Oktober 2002

Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder/ OECD-Bildungsstudie

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Die erste Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder nach seiner Wiederwahl und die neuste OECD-Bildungsstudie, die Deutschland erneut schlechte Noten gibt, beschäftigen an diesem Mittwoch die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen.

Durchweg schlechte Noten erhielt der Bundeskanzler für seine Regierungserklärung. Unentschlossen und uninspiriert sei sie gewesen, heisst es in vielen Kommentaren.Die FRANKFURTER RUNDSCHAU
meint:

"Es ist nicht die Demokratie als Wagnis, die Willy Brandt zu
beschwören noch den Mut und das Pathos hatte. Es ist auch nicht nichts. Es ist das Loch in Hans Eichels Kasse, gefüllt mit Hartz, und das wird nicht inspirierender, wenn man es mit Schröder 'Verantwortungspartnerschaft' nennt. ... Dass er diesen Wörterschaum ersichtlich ohne eigene Begeisterung servierte, spricht für den Regierenden. Das Volk teilt seine Zweifel. Die Legislatur beginnt im Zeichen des Missvergnügens, beim Kanzler wie beim Bürger."

Die FREIE PRESSE aus Chemnitz schreibt:

"Es war keine Sternstunde des Parlaments, kein Aufbruchsignal für die nächsten vier Jahre, die Schröder schon euphorisch als den Beginn einer neuen rot-grünen Epoche gekennzeichnet hat. Der Kanzler, der so gerne betont, dass die wirtschaftliche Lage besser als die Stimmung sei, verpasste die Gelegenheit, genau das der Öffentlichkeit zu vermitteln. Es wäre eine 'Ruck-Rede' nötig gewesen, die dazu auffordert, die Ärmel hochzukrempeln und Zuversicht vermittelt. All das ist Schröder kräftig misslungen."

Ähnlich die SAARBRÜCKEER ZEITUNG:

"Schröder, im Wahlkampf noch der große Vereinfacher und souveräne Krisenmanager, wirkte gestern merkwürdig gehemmt. Schon der Titel der Regierungserklärung zeigte, dass die Botschaft schwer verdaulich ist: 'Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung schaffen - für eine Partnerschaft in Verantwortung'. Das klingt wie gregorianischer Gesang in der Abenddämmerung. Notwendig wäre aber wagnerianische Dynamik gewesen, mit Pauken und Trompeten."

In der Berliner Zeitung DIE WELT heisst es:

"Wer wissen wollte, welchen Weg das Land gehen wird, der weiß es immer noch nicht. Wer wissen wollte, wie bedroht unser Wohlstand in Wahrheit ist, der kann es weiter nur dunkel ahnen. Wer sich fragte, ob dieser Kanzler Kraft genug zum Befreiungsschlag hat, der kann jetzt sagen: Danach sdieht es vorerst nicht aus. Dieser Rede fehlte nahezu alles, was einen Aufbruch ausmacht. Ein seltsam matter Gerhard Schröder hat gestern viele Fäden in die Hand genommen, doch ein roter Faden war nicht darunter."

Ein wenig Hoffung versucht das Düsseldorfer HANDELSBLATT zu sehen:

"Man muss die Unentschlossenheit dieser Regierungserklärung kritisieren,. ..Aber Schröders Koalitionsdialektik lässt auch einen Hauch Hoffnung. ..Den allerpopulistischsten Forderungen seiner linken Parteifreunde hat der Kanzler (zumindest in Worten) widerstanden. Und dabei sogar einen richtigen, einen sehr richtigen Satz gesagt: Entscheidend für die Zukunft Deutschlands wird sein, ob unser Land politisch geführt oder den mächtigen Interessengruppen überlassen wird. So ist es. Hoffentlich wird Schröder das auch den Gewerkschaften klar machen."

Mit der OECD-Bildungsstudie befassen sich die DRESDNER NEUSTE NACHRICHTEN:

"In Sachen Bildung bekommt Deutschland nach wie vor nur mittelmäßige Noten. Die gestern vorgestellte Studie der OECD würdigt zwar den hohen allgemeinen Bildungsstand der Deutschen, gemessen an Berufsabschlüssen und Hochschulreife, legt aber andererseits viele wunde Stellen wieder offen... So investiert Deutschland trotz aller
Lippenbekenntnisse nach wie vor viel zu wenig in die Bildung. Der Anteil dieser Ausgaben an den öffentlichen Haushalten liegt weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Aufrütteln muss sämtliche Bildungsverantwortlichen, dass auch die neue OECD-Studie wie zuvor schon PISA Defizite bei der Förderung von Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen beklagt."

Die HEILBRONNER STIMME schlägt in die gleiche Kerbe:

"Hauptgrund für die deutsche Bildungsmisere aber ist ein
Systemfehler: Die Förderung beginnt zu spät. So wurden Grundschulen zu lange unterschätzt. Die falsche Gewichtung zeigt sich auch beim Geld: Während für Kindergärten Gebühren gezahlt werden müssen, ist das Studium frei. Effektiver und auch sozial gerechter wäre es umgekehrt."