Preiswert wohnen in der Stadt
Wenig Baugrund, hohe Baukosten und Investoren auf der Suche nach Geldanlagen: Diese drei Faktoren treiben weltweit die Mieten in die Höhe. Doch manche Städte haben gegen die steigenden Mieten Konzepte entwickelt.
Wien: Weltrekord im Sozialbau
In der Hauptstadt Österreichs wohnen drei von vier Mietern in einer der günstigen Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen. Seit den 1920er Jahren baut Wien Sozialwohnungen und ist mittlerweile die größte städtische Vermieterin der Welt. Im November 2018 beschloss der Wiener Landtag, dass zwei Drittel der gesamten Wohnbaufläche dem sozialen Wohnungsbau vorbehalten bleiben.
Chile: Halbes Haus, halber Preis
Für 7600 US-Dollar ein Haus für einkommensschwache Familien bauen? Das gelang dem Architekten Alejandro Aravena in der Sozialsiedlung Quinta Monroy in der chilenischen Hafenstadt Iquique. Er stellte den Bewohnern "halbe" Häuser hin - die andere Hälfte konnten sie nach eigenen Vorstellungen ausbauen. Das Konzept "Die-Hälfte-eines-guten-Hauses" wird mittlerweile auch in Mexiko umgesetzt.
Nairobi: Slum aufwerten
In der kenianischen Hauptstadt leben drei von fünf Menschen in informellen Siedlungen wie Kibera, Afrikas größtem Slum. Seit über zehn Jahren versucht Kenia, die Elendsviertel mit befestigten Straßen, Wasser, Strom und Müllabfuhr aufzuwerten. Mit der Bauinitiative "Boma Yangu" sollen außerdem 500.000 Gering- und Durchschnittsverdiener eine preiswerte Eigentumswohnung erwerben können.
Singapur: Bürger im Hochhaus
In Singapur, der teuersten Stadt der Welt, wären Wohnungen für Normalbürger unerschwinglich - gäbe es nicht das "Housing & Development Board" (HDB). Die Behörde für öffentlichen Wohnungsbau baut und vergibt Wohnungen für die eigenen Staatsbürger. Bei Eigentumswohnungen hilft die HDB, günstige Kredite zu vermitteln. Für die Ärmsten gibt es Mietwohnungen, die weniger als 50 Euro im Monat kosten.
Japan: Traditionell platzsparend
Klare Linien, flexible Raumordnung und minimalistische Einrichtung: Ein traditionelles japanisches Haus ist klein, ökologisch nachhaltig und relativ erdbebensicher. Es gibt kein Wohnzimmer - mit Schiebetüren lassen sich Räume flexibel aufteilen, wenn die Futons abends zum Schlafen ausgebreitet werden. Nachteil für die Wirtschaft: Es lassen sich kaum Einrichtungsgegenstände verkaufen.
Zürich: WG-Kultur in der Bankenstadt
Ausgerechnet in einer der attraktivsten Wohngegenden der Bankenmetropole bewilligte die Stadt Zürich ein soziales Wohnprojekt. Die Genossenschaft Kalkbreite mit 97 Wohnungen und rund 200 Arbeitsplätzen bietet Familien, WGs und Einzelpersonen kleine Wohnungen mit großen Gemeinschaftsräumen. Das autofreie Wohnprojekt ist so gefragt, dass ein zweites Vorhaben, das Zollhaus, bereits in Bau ist.
Kopenhagen: Holzschachtel mit Wohnqualität
Rund 10.000 Menschen ziehen jährlich in die dänische Hauptstadt. Die neuen Luxuswohnungen in ehemaligen Hafen- oder Industriegebieten sind für Normalverdiener jedoch zu teuer. Sozialer Wohnungsbau wurde jahrzehntelang vernachlässigt, doch dem internationalen Architektenbüro BIG gelang es in Modulbauweise 66 hochwertige und nachhaltige Sozialwohnungen für relativ wenig Geld zu bauen.
Deutschland: Zu wenig und zu teuer
Bezahlbare Stadtwohnungen sind auch in Deutschland Mangelware. Die Städte verkaufen Grundstücke an Investoren mit der Auflage, dass ein Teil der entstehenden Wohnungen preiswert vermietet werden. Doch die Sozialbindung gilt meist nur zwischen 10 und 25 Jahren – danach werden sie teurer. Aktuell müssten jedes Jahr 80.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden, um die Nachfrage zu decken.