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Präsidentenurlaub - die Qual der Wahl

Eckhard Tollkühn11. Juli 2002

Auch im Urlaub wird der amerikanische Präsident auf Schritt und Tritt mit Kameras verfolgt. Es könnte ja was passieren. Nur was, fragt sich Eckhard Tollkühn.

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Nicht, dass in der nachrichtenarmen Zeit des Hochsommers jemals irgendwas von Wichtigkeit passiert. Aber die Presse findet immer noch ein Schmankerl, ein Haar in der Suppe, für das die Schadenskontrolleure im Weißen Haus nicht immer eine schnelle Antwort parat haben.

Auch ein Präsident braucht mal Ferien. Vier Tage verbrachte George W. Bush um den amerikanischen Nationalfeiertag in Kennebunkport, dem Sommersitz der Bush-Dynasty.

An der felsigen Küste des Bundesstaates Maine ließ er die Seele baumeln, fuhr mit Daddys Boot "Fidelity II" zum Hochseeangeln raus oder ratschte mit Daddy beim Golfspiel über den Golfkrieg. Den hatte Daddy zwar gewonnen, aber nicht zuende geführt. Das würde "W" am liebsten jetzt gleich nachholen. Aber immer mit der Ruhe. Jetzt ist erstmal Urlaub angesagt.

Den Nationalfeiertag im Schoße der Familie zu begehen, das entspricht so ganz der amerikanischen Werteskala. Pluspunkte bei der Bevölkerung garantiert. Die Tage am Meer taten dem Präsidenten sichtlich gut. Aber taten sie auch seinem Ruf gut? Die Image-Designer im Weißen Haus haben da so ihre Zweifel. Während des Kurzurlaubs in Papas Haus am Meer feierte "W" seinen 56. Geburtstag. Ein Mann im besten Alter, sicher kein "Kid" oder "Junior". Aber genau das ist Bush "der Zweite" in Kennebunkport, Maine und wird es wohl auch immer bleiben, jedenfalls bei den etwas älteren Bewohnern. Die kennen ihn nämlich noch als rotzigen Teenager, der dort wegen Alkohl am Steuer geschasst wurde. Aber das ist längst verziehen. Es ist ja auch nicht so, dass man "den Kleinen" in Kennebunkport nicht mag oder ihn nicht ernst nehmen wollte. Aber er ist eben nicht "Mr. President". Diese Anrede bleibt weiterhin Bush dem Ersten, also Papa, vorbehalten. In Kennebunkport steht die Familienhierarchie eben über dem Protokoll des Weißen Hauses.

Um zu zeigen, wer der Boss ist, setzte sich George der Jüngere in Kennebunkport eine Mütze auf, mit der spanischen Aufschrift. "El Jefe", der Chef. Es nützte "Junior" nichts, ganz abgesehen davon, dass Spanisch, anders als in Texas, im hohen Norden der USA nicht Verkehrssprache ist.

Auch beim Golf spielt "W" nur die zweite Geige. Sagte ein Kennebunkporter: "Junior ist gut, aber sein Bruder Jeb ist besser."

Für das Selbstwertgefühl des Präsidenten ist ein Aufenthalt auf dessen texanischer Ranch um Längen besser, glauben seine Imagepfleger. Und zwar allein, ohne Familienanhang und auch ohne Vize Cheney, mit dem man sich wegen seiner umstrittenen unternehmerischen Machenschaften jetzt auch nicht mehr sehen lassen kann.

In Crawford ist Bush sein eigener Herr, auf eigenem Grund und Boden. Kameras zeigen ihn im Pickup oder beim Holzhacken. Der "Outdoorsman", nicht der "Outsider", wie in Kennebunkport. Im August ist es wieder soweit. Urlaub in Texas. Endlich nicht mehr "Junior". Erholen Sie sich gut, Herr Präsident.