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Politik

Präsident Kasachstans: "Deutschland ein wichtiger Partner"

Zhanna Nemzowa mo
4. Dezember 2019

Er will mit Angeboten nach Deutschland kommen. Im DW-Interview mit Zhanna Nemzowa sagt der neue kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew, was er von ausländischen Partnern erwartet und welche Reformen er plant.

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Nemtsova Interview mit Qassym-Schomart Toqajew
Bild: DW

Deutsche Welle: Herr Tokajew, am 5. und 6. Dezember besuchen Sie Deutschland und treffen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Worüber möchten Sie mit ihr sprechen?

Kassym-Schomart Tokajew: Deutschland ist für Kasachstan ein wichtiger europäischer Partner. Wir modernisieren und industrialisieren unsere Wirtschaft und sorgen für Innovationen. Natürlich ist das Potenzial Deutschlands für uns von großer Bedeutung. In unseren Beziehungen ist bereits viel erreicht worden. 86 Prozent des deutschen Handels mit Zentralasien entfallen auf Kasachstan. Ich hoffe, dass wir während des Besuchs ein Paket von Vereinbarungen sowie ein Memorandum im Wert von rund zwei Milliarden Dollar unterzeichnen.

Bekanntlich hat Deutschland innerhalb der EU eine dominierende Stellung. Die Haltung Kasachstans gegenüber der EU ist sehr positiv. Sie ist der größte Partner Kasachstans und der Handel mit der EU erreichte 2018 einen Wert von über 37 Milliarden US-Dollar. Das ist die Hälfte des gesamten kasachischen Außenhandelsumsatzes.

Kasachstan hat eine große Privatisierung von Unternehmen angekündigt. Wann beginnt sie?

Ausländischen Investoren werden rund 7000 Vermögenswerte in verschiedenen Bereichen angeboten, darunter Bodenschätze, Logistik, Transport und so weiter. Wir wollen unsere Wirtschaft schrittweise privatisieren und gute ausländische Investoren anziehen. Darüber hinaus sollen rund 700 Unternehmen an internationalen Börsen notiert werden.

Welche Investoren bevorzugen Sie? Westliche, chinesische oder russische?

Es gibt keine Bevorzugungen oder geschmacklichen Präferenzen. Wir begrüßen ausländische Investitionen allgemein. Beim Investitionsklima ist Kasachstan vielleicht der am weitesten fortgeschrittene Staat in Eurasien, auf jeden Fall aber im postsowjetischen Raum. Übrigens werden auch künftig Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsklimas ergriffen.

Die Chinesen haben über 20 Milliarden US-Dollar investiert. China ist eine boomende Wirtschaft und nimmt in der Welt eine Spitzenposition ein. Mitte September war ich zu einem Besuch in Peking und habe eine Erklärung über eine strategische Partnerschaft mit China unterzeichnet. Daran kommt man nicht vorbei, denn China spielt mittlerweile für eine ganze Reihe von Ländern eine sehr wichtige Rolle als Wirtschaftslokomotive.

Fürchten Sie nicht, dass Ihr Land in eine zu große Abhängigkeit von China gerät?

Es gibt keine Abhängigkeit, sondern eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit. Was das Investitionspotenzial angeht, hat China sehr große Möglichkeiten. Das ist ein Partner, den wir verstehen. Aber wir wollen natürlich die Präsenz ausländischer Investoren auf unserem Markt diversifizieren. Daher setze ich hohe Erwartungen in meinen Besuch in Deutschland, denn wir wollen gerade Deutschland eine ganze Reihe interessanter Projekte anbieten.

Welche Projekte?

Übrigens entfielen über 80 Prozent der deutschen Investitionen bislang nicht auf den primären Sektor unserer Wirtschaft. Das ist sehr wichtig. Gerade Deutschland ist im Maschinenbau und bei der Verarbeitung von Rohstoffen weltweit führend. Deshalb wollen wir zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit Deutschland in den Bereichen Seltene Erden, Verkehr, Maschinenbau und auch Landwirtschaft, falls auf deutscher Seite Interesse besteht. Wir werden alle interessanten Bereiche gezielt potenziellen deutschen Investoren vorstellen. Wir werden ihnen spezielle Konditionen in unseren zehn Sonderwirtschaftszonen anbieten.

Nemtsova Interview mit Qassym-Schomart Toqajew
Zhanna Nemzowa im Gespräch mit den kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart TokajewBild: DW

Kasachstan verfolgt bekanntlich eine mehrdimensionale Außenpolitik. Welches politische und wirtschaftliche Modell ist für Ihr Land besser, das russische oder europäische? Was strebt Kasachstan an?

Wir streben ein eigenes Modell an.

Worin besteht es?

Unser Modell ist eigenständig, in dem Sinne, dass wir bestrebt sind, Demokratie zu entwickeln. Wir haben eine Marktwirtschaft aufgebaut. Laut dem Doing Business Index liegt Kasachstan bei der Geschäftsfreundlichkeit weltweit auf Platz 25 und bei der Wettbewerbsfähigkeit laut Weltwirtschaftsforum auf Rang 55. Unsere Indikatoren verbessern sich stetig.

Welche Reformen wollen Sie im politischen System des Landes unternehmen?

Unsere regierende Partei "Nur-Otan", deren Vorsitzender unser ehemaliger Präsident Nursultan Nasarbajew ist, führt sogenannte Primaries ein. Die Partei wird somit zu einem Ort der Diskussion über die Entwicklungswege unseres Landes. Ein sogenanntes politisches Paradigma oder politischen Imperativ wird es in der Partei nicht mehr geben. Im Rahmen dieser Debatte wird man die fähigsten jungen Leute auswählen, die unsere Partei in Zukunft führen werden.

Wir sollten die europäischen Länder nicht vollständig kopieren, wo andere Systeme und andere Mentalitäten herrschen. Kasachstan bleibt eine Präsidialrepublik. Die Formel lautet: "Ein starker Präsident, ein angesehenes Parlament und eine Regierung, die der Gesellschaft und dem Parlament voll rechenschaftspflichtig ist."

Ihr Land grenzt an China, darunter an die Provinz Xinjian. Medienberichten zufolge gibt es dort Lager zur politischen Umerziehung. Die chinesischen Behörden schicken Menschen dorthin, die sich zum Islam bekennen, also Uiguren und Kasachen. Gibt es darüber Gespräche mit der chinesischen Führung?

In Xinjiang leben Bürger der Volksrepublik China. Viele Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen entsprechen nicht der Wirklichkeit. Was die ethnischen Kasachen angeht, so wird hier jedenfalls das Problem irgendwie bewusst zugespitzt. Uns ist klar, dass dies Teil von Geopolitik ist, da China und die USA in einem Handelskrieg aneinander geraten sind. Wie die Verhandlungen ausgehen, ob die Sanktionen gegen China aufgehoben werden, wird die Zeit zeigen. Kasachstan sollte jedoch nicht zu einem Gebiet der sogenannten globalen anti-chinesischen Front werden.

Das Gespräch führte Zhanna Nemzowa

Kassym-Schomart Tokajew ist seit März 2019 Präsident Kasachstans. Zuvor war er Generaldirektor des Genfer UN-Büros. Zwischen 1999 und 2002 war er Regierungschef, Außenminister und Präsident des kasachischen Senats.