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Portugal muss sparen

18. Oktober 2010

Portugal stehen schwierige Haushaltsberatungen bevor. Die weitere Kreditwürdigkeit des angeschlagenen Euro-Landes auf den internationalen Finanzmärkten steht auf dem Spiel. Stürzt die Minderheitsregierung?

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Euromünzen auf einer Landkarte Portugals (Foto: dpa)
Portugal ist eines von 16 Euro-LändernBild: picture-alliance/dpa

Bis Ende November hat der sozialistische Regierungschef Portugals, Jose Socrates, Zeit, den Staatshaushalt für das kommende Jahr durchs Parlament zu bringen. Dort hat er aber keine eigene Mehrheit. Er ist darauf angewiesen, dass sich die größte Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, die in Portugal eine konservativ-bürgerliche Partei sind, zumindest der Stimme enthalten. In einem Interview mit der Frankfurter Allgmeinen Zeitung hat der Chef der Opposition, Pedro Passos Coelho, offen gelassen, ob die Sozialdemokraten, den Haushaltsentwurf der Minderheitsregierung passieren lassen werden oder nicht. Eventuell würden bei einem Scheitern Neuwahlen notwendig, die aber aus verfassungsrechtlichen Gründen erst im zweiten Quartal 2011 stattfinden könnten.

Portugals Premierminister Jose Socrates (Foto: AP)
Zur Haushaltsanierung entschlossen: Jose SocratesBild: AP

Ohne Haushalt Notkredite notwendig

Pedro Passos Coelho warf der Regierung vor, sie handele konfus und wisse selbst nicht einmal, wie viel Geld sie brauche, um das Staatsdefizit zu reduzieren. Wenn Portugal aber kein Budget für 2011 bekomme, werde die Lage erst richtig Besorgnis erregend, gab Passos Coelho zu Bedenken. Diese Analyse teilt die Regierung. Der Finanzminister Fernando Teixeria dos Santos sagte in verschiedenen Interviews in portugiesischen Medien am Wochenende, sollte das Parlament keinen Haushalt zustande bringen, müsse Portugal den Rettungsschirm der Europäischen Union in Anspruch nehmen. Mit Notkrediten würden der Internationale Währungsfonds und die EU verhindern, dass Portugal zahlungsunfähig würde. Die Finanzmärkte würden, da sind sich Regierung und Opposition in Lissabon einig, jede politische Unsicherheit mit höheren Risikoaufschlägen auf portugiesische Staatsanleihen bestrafen.

Steuererhöhungen geplant

Die sozialistische Regierung schlägt fünf-prozentige Gehaltskürzungen für Staatsdiener vor. Sozialausgaben sollen gekürzt und die Mehrwertsteuer um zwei Punkte erhöht werden. So soll die Neuverschuldung bereits im nächsten Jahr von heute 7,3 Prozent auf 4,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gedrückt werden. Erlaubt sind nach dem Euro-Stabilitätspakt drei Prozent. Die Gesamtverschuldung würde auf 86,6 Prozent steigen, erlaubt sind 60 Prozent. Das Wirtschaftswachstum würde schrumpfen und bei etwa 0,2 Prozent liegen. Die Opposition tritt dafür ein, die Sanierung des Haushalt zeitlich zu strecken, um die Kürzungen abzumildern. Sie wendet sich gegen Steuererhöhungen.

Ein leerer Bahnhof in Lissabon (Foto: AP)
Der Bahnstreik vom April soll im November wiederholt werdenBild: AP

Die Europäische Union hatte im Frühjahr ein erstes Sparpaket Portugals als zu klein kritisiert und Nachbesserungen gefordert. Diese Vorgaben will Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos jetzt umsetzen. Reformen sind in Portugal auch auf dem Arbeitsmarkt mit seinen starren Regeln notwendig. Die Europäische Zentralbank stützt bereits das portugiesische Bankensystem. Die Verschuldung der privaten Haushalte ist in Portugal höher als in anderen Euro-Staaten. Allerdings gibt es keine "Immobilienblase", also zu hohe Kredite für im Wert sinkende Häuser, wie in Spanien oder Irland. Portugal gehört nach der Lesart der Finanzanalysten zur Gruppe der PIGS, der Staaten mit der Gemeinschaftswährung Euro, die am finanziellen Abgrund stehen: P ortugal, I talien, I rland, G riechenland und S panien.

Für den 24. November haben die Gewerkschaften einen Generalstreik gegen die Sparmaßnahmen angekündigt. Bereits im April hatte es entsprechende Protestaktionen bei Bussen und Bahnen gegeben. Im Mai hatten sich Regierung und Opposition grundsätzlich auf eine Zusammenarbeit bei der Haushaltssanierung verständigt, die jetzt ihre größte Bewährungsprobe bestehen muss.

Autor: Bernd Riegert (rtr, FAZ)
Redaktion: Fabian Schmidt