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Polnischer Apfel auf dem russischen Teller

Monika Margraf6. August 2015

Ein Jahr nach der Verhängung des russischen Embargos, erzielen die polnischen Lebensmittelproduzenten Rekord-Umsätze. Mit diesem Nebeneffekt der Sanktionen hatte kaum jemand gerechnet. Aus Warschau Monika Margraf.

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Äpfel auf dem Tisch (Foto: Rosalia Romaniec/DW)
Bild: DW

"Willst du dich Putin wiedersetzen - iss Äpfel und trinke Apfelwein", forderte im Sommer 2014 Grzegorz Nowacki, Redakteur der Wirtschaftszeitung "Puls Biznesu" seine Leser auf. Dies war seine Antwort auf das russische Einfuhrverbot für Lebensmittel aus der EU, das wiederum eine Reaktion auf die zuvor verhängte Sanktionen der EU gegenüber Russland waren.

Der Aufruf verbreitete sich in Polen blitzartig: in nur zwei Tagen wurde #jedzjablka ("iss Äpfel") unter den Social-Media-Nutzer zu bekanntesten Hashtag bei Facebook, Internetforen und Twitter. Hunderte von Menschen posteten Bilder, auf denen zu sehen ist, wie sie Äpfel essen oder Apfelwein trinken, um ihre Solidarität mit den Obstbauern zu zeigen. "An apple a day keeps Putin away" (Ein Apfel am Tag hält Putin fern) – twitterte munter die Internetgemeinde rund um die Welt.

Das russische Einfuhrverbot, das am 6. August 2014 als Antwort auf die fünf Tage davor in Kraft getretene EU-Sanktionen gegen Russland verhängt wurde, war damals schon im Vorfeld ein Dauerthema in polnischen Medien. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt, direkt in der Nachbarschaft, fühlen sich viele Polen vom Russland bedroht. Diese Ängste nahmen besonders nach derAnnektierung von Krim stark zu.

Polen Cirque du Soleil - Apfel Aktion (Foto: Malgorzata Matzke-Bresinski)
Auch der weltberühmte Cirque du Solei beteiligte sich an der Werbeaktion für die polnische ÄpfelBild: Reuters/J. Ernst

Besonders hart getroffen vom Embargo waren die polnischen Obstproduzenten – vor allen die Apfelbauer. Rund 70 Prozent des polnischen Obstexportes ging zu diesem Zeitpunkt nach Russland. Polen ist einer der größten Apfel- und Apfelsaftproduzenten Europas. 2014 produzierte das Land nach Angaben des Staatlichen Statistikamtes rund 3,2 Millionen Tponnen Äpfel. Rund die Hälfte davon ging ins Ausland.

Export auf Umwegen

Kurz nach der Verhängung der Sanktionen war es sehr schwer für die polnischen Bauer, sie mussten die Preise erheblich herunter setzen. Ab März 2015 verbessert sich die Lage jedoch stätig, im Vergleich zum Vorjahr stieg der Umsatz um 47 Prozent.

Zum Großabnehmer der polnischen Äpfel wurden nun Weißrussland und Serbien, deren Großkunde wiederum Russland ist. Laut dem polnischen Fachportal Sadyogrody.pl überwiegt im Handel zwischen Serbien und Russland die billige Apfelsorte "Idared" – und sie wird größtenteils von polnischen Obstbauern angebaut.

Den polnischen Produzenten gelang auch auf eine andere Art und Weise die russischen Sanktionen zu umgehen. Statt Obst, verkauften sie nach Russland Halbprodukte wie Apfelkonzentrat. 2014 stieg der Verkauf des Apfelkonzentrats um das hundertfache: Von 100 Tonnen im Jahr 2013 auf 10.000 Tonnen. Auch die US-Amerikanischen Firmen kauften das polnische Apfelkonzentrat im großen Stil ab. Die Folge: Die Preise für die industriell verwertbaren Äpfel stiegen in Polen innerhalb von wenigen Monaten um das zwei- bis dreifache.

Positive Aussichten

Die schwierigen Zeiten schienen nun vorbei zu sein. "Wenn Russland weiterhin Äpfel von Weißrussland, der Ukraine, Serbien und Mazedonien kaufen wird, dann werden diese Länder ihre gesamte Produktion exportieren und werden für sich die polnischen Äpfel kaufen können", sagt Miroslaw Maliszewski, Vorsitzender des Polnischen Obstbauerverbandes.

Auch der Verkauf der polnischen Äpfel in Polen selbst stieg letztes Jahr von 16 kg auf 18 kg pro Kopf. Es ist schwer zu sagen, ob dies mit dem russischen Embargo, mit der Medienkampagne zur Rettung der polnischen Obstbauern oder schlicht mir den gesunkenen Preisen zu tun hat. Im Sommer und im Herbst 2014 waren die Äpfel allgegenwärtig: Man hat sie kostenlos in den Zügen verteilt, Politiker und andere Personen öffentlichen Lebens haben sie öffentlich demonstrativ gegessen. Internationale Presse berichtete über die Kampagne, prominente Gäste aus dem Ausland unterstützten sie.

Ein Nebeneffekt des Embargos ist die Popularität des Apfelweines in Polen, den man heute, anders als noch vor zwei Jahren, im fast jedem Laden und Lokal kaufen kann.

Äpfel und Apfelwein auf dem Tisch (Foto: Fotolia.com)
Nun werden in Polen mehr Äpfel gegessen und Apfelwein getrunkenBild: Fotolia/racamani

Wunder an der Weichsel

Und die Erfolgsgeschichte geht weiter: Das Jahr 2015 kann zum Rekordjahr für die gesamte Branche werden. Vom Januar bis Ende Mai 2015 verkauften die Polen ihre Lebensmittelprodukte im Wert von 9,3 Mrd. Euro ins Ausland. Bis Ende des Jahres soll der Wert auf 25 Mrd. Euro steigen, hofft der polnische Landwirtschaftminister Marek Sawicki. 2014 betrug der Wert 22 Mrd. Euro. Laut Angaben des Ministers exportiert Polen Lebensmittel in 73 Länder, die Qualität der Produkte werde überall geschätzt. Und diese Rekordzahlen haben einiges mit dem russischen Embargo zu tun. Auf der Suche nach Alternativen haben die polnischen Produzenten neue Absatzmärkte im Nahen Osten, Asien und in Afrika gefunden.