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Polizei: Flüchtlinge haben provoziert

21. Februar 2016

Nach der Blockade eines Flüchtlingsbusses durch eine pöbelnde Menge hat die Polizei ihren als rabiat kritisierten Umgang mit den Asylsuchenden nicht nur verteidigt. Vielmehr werde jetzt auch gegen Flüchtlinge ermittelt.

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Pressekonferenz mit Polizeipräsident Uwe Reißmann (Foto: picture alliance/dpa)
Pressekonferenz mit Polizeipräsident Uwe ReißmannBild: picture alliance/dpa/H. Schmidt

In der sächsischen Ortschaft Clausnitz hatten am Donnerstagabend mehr als hundert Menschen vor einer neuen Asylunterkunft laut schreiend und pöbelnd einen Bus mit Flüchtlingen blockiert. Ein Video im Internet zeigt, wie die Demonstranten den Flüchtlingen "Wir sind das Volk" entgegen brüllten. Auf einem weiteren Video ist zu sehen, wie ein Polizist einen verängstigten jungen Flüchtling rabiat aus dem Bus holt.

"Flüchtlinge tragen Mitschuld"

Der zuständige Polizeipräsident von Chemnitz, Uwe Reißmann, verteidigte das Vorgehen der Beamten. Um Angriffe auf den Bus und die Insassen zu verhindern, sei es notwendig gewesen, die Flüchtlinge schnellstmöglich in die Unterkunft zu bringen. "An diesem Einsatz gibt es nichts zu rütteln." Zugleich gab er den Businsassen eine Mitschuld daran, dass die Lage eskalierte, und kündigte Ermittlungen gegen einzelne Flüchtlinge an. "Was wir sicherlich ausweiten werden, sind Ermittlungen gegen den einen oder anderen Insassen des Busses."

Kein Fehlverhalten der Polizei

Auch die Anwendung körperlicher Gewalt gegen einige der Flüchtlinge sei erforderlich gewesen. Man habe "einfachen unmittelbaren Zwang" gegen drei der Businsassen - zwei Jungen und eine Frau - anwenden müssen, sagte Reißmann. Sie hätten aus dem Bus heraus gefilmt und mit Gesten wie dem Stinkefinger die davorstehenden Demonstranten provoziert. Das Vorgehen der Polizei sei "absolut notwendig" und "verhältnismäßig" gewesen. Ein Fehlverhalten seiner Mitarbeiter will der Polizeipräsident nicht erkennen.

Auch den Vorwurf, die Sicherheitsbehörden hätten mit einer fremdenfeindlichen Ansammlung rechnen können, wies er zurück. Es habe keine Erkenntnisse über eine Protestaktion gegeben, weshalb von einem störungsfreien Ablauf ausgegangen worden sei. Bei der Ankunft des Busses war demnach ein Streifenwagen mit zwei Beamten vor Ort.

Unterstützung kam von der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Kollegen richtig gehandelt haben", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt der "Huffington Post". Es habe Gefahr für Leib und Leben der Flüchtlinge bestanden, weshalb eine Räumung des Busses alternativlos gewesen sei. "Die Alternative wäre gewesen, den Bus zurückfahren zu lassen, und das wäre ein Sieg für die Rechten gewesen", sagte der Polizeigewerkschafter.

Zeichen gegen Rassismus

Am Samstagabend versammelten sich rund hundert Menschen in Clausnitz im Erzgebirge zu einer Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge. Sie wollten damit ein Zeichen gegen Gewalt und Rassismus setzen. Auf Transparenten forderten die Demonstranten eine sichere und menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration friedlich.

Solidaritätskundung für Flüchtlinge in Clausnitz (Foto: picture alliance/dpa)
Solidaritätsbekundung in ClausnitzBild: picture alliance/dpa/H. Schmidt

"Innenminister in der Pflicht"

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) kritisierte die Blockade des Busses durch die pöbelnde Menge und die Anfeindungen gegen die Flüchtlinge scharf. Es sei "zutiefst beschämend, wie hier mit Menschen umgegangen wird", erklärte er. Anstatt zu versuchen, sich in die Situation der Flüchtlinge zu versetzen, gingen einige Leute "mit plumpen Parolen" gegen die schutzsuchenden Menschen vor.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sieht Bundesinnenminister Thomas de Maiziere und dessen sächsischen Ressortkollegen in der Pflicht. "Die Innenminister von Bund und Land sind verantwortlich, solches Polizeiversagen zu unterbinden." Es sei Aufgabe der Polizei, Flüchtlinge vor "diesem widerlichen Mob" zu schützen. Die Grünen wollen den Polizeieinsatz am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags thematisieren.

qu/rb (dpa, afp)