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Politpossen in Portugal

Daphne Antachopoulos20. Februar 2005

Die Portugiesen wählen ein neues Parlament. Ministerpräsident Lopes hatte das Land mit Chaos und Skandälchen überzogen und musste zurücktreten. Jetzt vertrauen die Portugiesen keinem aus der Politclique.

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Pedro Santana Lopes kämpft um WiederwahlBild: AP

Sie nennen ihn den "Berlusconi Portugals": Pedro Santana Lopes, der konservative Ministerpräsident mit einem Hang zu medienwirksamen Auftritten und einer Vorliebe für schicke Parties. Böse Zungen halten ihn sogar für einen Playboy. Politisch jedenfalls musste Lopes recht schnell von der Bühne abtreten. Als Nachfolger von José Manuel Barroso, der als EU-Kommissionspräsident nach Brüssel ging, wurde er im Juli 2004 ohne Wahlen Ministerpräsident. In den folgenden vier Monaten folgte eine Schlappe nach der anderen:

Dreimal bildete er sein Kabinett um. Staatssekretäre konnten ihr Amt nicht antreten, weil Lopes keine Zeit für ihre Vereidigung hatte.

No school today

Und das Schuljahr begann einen Monat zu spät, weil aufgrund eines Computerfehlers im Bildungsministerium 50.000 Lehrer nicht rechtzeitig ihrer neuen Schule zugewiesen werden konnten. Sein großes Wahlversprechen, die Steuerreform, wurde nur teilweise umgesetzt.

Schließlich platzte dem sozialistischen Staatspräsident Jorge Sampaio der Kragen: Er löste Ende November das Parlament auf und setzte Neuwahlen an. Lauter Protest aus den konservativen Reihen, die eine Verschwörung der Linken gegen Lopes witterte, war die Folge.

Portugals Regierung erklärt Rücktritt
Präsident Sampaio entlässt die Regierung LopesBild: AP

Wahlkampf mit allen Mitteln

Jetzt kämpfen die Parteien mit allen Mitteln: Sogar der Tod der letzten Kinderseherin von Fatima, Lucia de Jesus, der im Oktober 1917 angeblich mehrmals die Muttergottes erschien, sollte für den Wahlkampf herhalten. Pures Kalkül, denn 95 Prozent der Portugiesen sind gläubige Katholiken. Lopes durfte dann doch nicht zum Trauergottesdienst; Bischöfe und Sozialisten kritisierten den "Opportunismus", den Lopes bei der Instrumentalisierung von "propagandistische Trauerakte" an den Tag legte, berichtet die Katholische Nachrichtenagentur KNA.

Santana gegen Socrates

Momentan fährt die PSD von Pedro Santana Lopes nach letzten Umfragen gerade einmal 28 Prozent der Stimmen ein. Der sozialistischen Partei PS unter Gegenkandidat José Socrates räumen sie etwa 40 Prozent ein, manche sprechen sogar von der absoluten Mehrheit.

Die übrigen Parteien, der Linke Block, die Kommunisten und die rechtsgerichtete Volkspartei, der Koalitionspartner der Sozialisten rechnen mit jeweils etwa sechs bis acht Prozent der Stimmen.

Neuwahlen in Portugal angekündigt - Jose Socrates
Der Herausforderer mit bedeutsamen Namen: José SocratesBild: dpa

Das "kleinere Übel"

Der Favorit Socrates, ehemaliger Umweltminister, gilt als Modernisierer. Er will unter anderem das Bildungswesen verbessern. Außerdem verspricht er Portugal einen "technologischen Schock": Qualifizierung und Innovation soll die Wirtschaft wieder ankurbeln. Viele Wähler sind allerdings auch von ihm nicht überzeugt. Sie halten ihn lediglich für das "kleinere Übel". Politisch ist er nicht sehr erfahren. Wegen seines Kleidungsstils wird er gerne "Armani-Politiker" genannt. Auch er liebt die Medien, ebenso wie sein Konkurrent Lopes. Die Medien spielen in diesem Wahlkampf immer wieder eine Rolle: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso warb in einem Fernsehspot im Wahlkampf für Lopes - ein 36-sekündiges Bekenntnis für seinen Parteifreund. Das führte zu einem Aufschrei bei den Sozialisten Portugals, aber auch zu großem Unverständnis in Brüssel. Was ist mit der Unabhängigkeit des EU-Kommissionspräsidenten?

Jose Manuel Barroso
Medienwirksam: Lopes´ Parteifreund BarrosoBild: AP

Keine Lust auf Politik

Und auch dieses Skandälchen wird wohl nicht helfen, die Wähler in Portugal von der Integrität und der Seriosität ihrer politischen Klasse zu überzeugen. "Nie zuvor gab es in Portugal eine solche Abneigung gegen die Politiker", sagte Soziologe António Barreto der DPA. Die Wähler sind frustriert und fühlen sich sitzengelassen. Ende 2001 legte der sozialistische Regierungschef Antonio Guterres sein Amt nieder, António Vitorino, von vielen Portugiesen als Nachfolger gewünscht, lehnt das Amt ab. Barroso schließlich zog den Sessel des EU-Kommissionspräsidenten dem des portugiesischen Ministerpräsidenten vor.

Portugal galt als Musterschüler unter den EU-Länder, der überraschend die Kriterien für den Euro erfüllte, fällt wirtschaftlich aber mittlerweile zurück. Es brach 2001 als erstes Land den EU-Stabilitätspakt und hält jetzt nur mit Mühe die Kriterien ein. Als eines der kleinsten und ärmsten Länder der EU liegt sein Bruttoinlandsprodukt noch hinter dem der Neumitglieder Slowenien und Zypern. 2004 schrumpfte die Wirtschaft um 1,3 Prozent. Damit ist Portugal in dieser Hinsicht Schlusslicht der EU. Vor allem die teure Bürokratie belastet den Staatshaushalt, in der einer von zehn Portugiesen beschäftigt ist.