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Politik nach Windrichtung

Anke Hagedorn, Studio Brüssel30. Juli 2008

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht – flämisch-wallonische Streitereien um eine gerechte Verteilung des Fluglärms vom Brüsseler Flughafen.

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Bild: DW

Der Brüsseler Flughafen Zaventem, der sich seit 2007 stolz international Brussels Airport nennt, gerät immer wieder in die Schlagzeilen. Ende 2000 wurde ein Airbus A 319 der Lufthansa während des Beladens überfallen und ausgeraubt. Einzelheiten über die Beute wurden nie bekannt. Die belgische Nachrichtenagentur Belga vermutete jedoch, dass es sich um Diamanten handelte. Im März 2005 wurde wieder eine Lufthansa-Maschine Opfer eines Zwischenfalls: 60 Exil-Iraner brachten das Flugzeug unter ihre Kontrolle. Sie wollten damit gegen das iranische Mullah-Regime demonstrieren.

Der letzte Zwischenfall ist knapp zweieinhalb Monate alt: Am 25. Mai kam eine Frachtmaschine der Kalitta Air, die auf dem Weg nach Bahrain war, von der Landebahn ab und zerbrach in zwei Teile. Und zumindest dieser Zwischenfall ist kein reiner Zufall, sondern hängt, zumindest indirekt, mit einem strukturellen belgischen Problem zusammen, nämlich mit dem Zwist zwischen Flamen und Wallonen.

Sozialer Frieden vs. Sicherheit

Denn die Frachtmaschine befand sich auf der Querpiste 02/20, die als typisch belgischer Kompromiss nach einem jahrzehntelangen Streit um den Fluglärm genutzt wird. Der Flughafen liegt rund zwölf Kilometer vom Brüsseler Stadtzentrum entfernt in der flämischen Gemeinde Zaventem. Das bedeutet, dass je nach Windrichtung die startenden und landenden Maschinen mal hauptsächlich von Wallonen, mal hauptsächlich von Flamen bewohntes Gebiet überfliegen, je nachdem ob der Wind von West nach Ost oder von Ost nach West bläst. Das sind die vorherrschenden Windrichtungen im belgischen Binnenland, und deswegen wurden die Hauptstart- und Landebahnen auch so ausgelegt. Um die flämischen und wallonischen Streithähne zu beruhigen, wurde in den vergangenen Jahren vermehrt die umstrittene Landebahn 02/20 genutzt. Diese verläuft von Nordost nach Südwest, und reduziert so deutlich die Lärmbelästigung der Anwohner. Einsprüche von Experten, die vor Sicherheitsrisiken warnten, wurden von der damaligen Regierung unter Premier Verhofstadt ignoriert. Die Politik bestimmt die Windrichtung, so scheint es.

Pläne für einen dringend notwendigen Ausbau des Flughafens sind immer wieder in der Schublade verschwunden, denn es gab regelmäßig Proteste entweder von der flämischen oder von der wallonischen Bevölkerung.

Lärmschutz – überall anders

Beide Seiten sind besonders um ihre Nachtruhe besorgt und achten peinlich genau darauf, dass niemand benachteiligt wird. Yves Leterme damals Verkehrs- und heute belgischer Premierminister wollte im März dieses Jahres das Problem ein für alle Mal regeln und ein allgemeines Nachtflugverbot zwischen Mitternacht und vier Uhr früh einführen. Doch da handelte er sich gleich Proteste von beiden Seiten ein. Denn ein solches Verbot hätte vor allem den Logistikkonzern DHL getroffen, an dem rund 1500 Arbeitsplätze hängen. Hinzu kommt, dass es keine einheitlichen Lärmregelungen in Belgien gibt: In Brüssel herrschen andere Normen als etwa in der flämischen Gemeinde Zaventem.

Eine friedliche Lösung für die Nutzung des Flughafens ist also nicht in Sicht. Da ist es für die Betreiber nur ein kleiner Trost, dass sich Brussels Airport in den vergangenen zwei Jahren mit dem Titel des pünktlichsten Flughafens Europas schmücken durfte.