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Polens Richter verhandeln in eigener Sache

8. März 2016

Es geht um die höchst umstrittene Verfassungsreform der nationalkonservativen Regierung in Polen. Die Richter des Verfassungstribunals haben zur Anhörung geladen: Für die Opposition eine Justiz-Farce.

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Vier Richter des polnischen Verfassungstribunals bei der Anhörung in Warschau (foto. dpa/EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Supernak

Mehrere Oppositionsparteien sowie juristische Experten haben Klage gegen das im vergangenen Dezember verabschiedete Gesetz über das Verfassungstribunal eingereicht. Nach ihrer Auffassung wird die Gewaltenteilung in Polen ausgehebelt und die Arbeit des Verfassungsgerichts gezielt lahmgelegt. Die höchsten Richter des Landes haben nun in Warschau mit einer Anhörung über die umstrittene Reform der nationalkonservativen Regierung begonnen. Während der Beratungen, die am Mittwoch fortgesetzt werden, kam es vor dem Gebäude zu Protesten.

Unter anderem hielten Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" (KOD) Bücher mit dem Text der polnischen Verfassung in die Höhe. Andere skandierten: "Freies Polen - freie Gerichte".

Demonstration vor dem Verfassungsgericht in Warschau (foto. dpa/PA)
Bunte Demonstration gegen die Justizreform vor dem Verfassungsgericht in WarschauBild: picture-alliance/dpa/R. Guz

Adam Bodnar, der Ombudsmann für Bürgerrechte und einer der Kläger gegen das neue Gesetz, sprach von einer historischen Verhandlung. Das Gericht müsse über ein Gesetz Recht sprechen, dass seine Arbeit "im Wesentlichen lähmt", sagte er. "Wir werden eine Situation haben, in der die Rechte und Freiheiten der Bürger von der Gnade oder Ungnade der parlamentarischen Mehrheit abhängen, (und) das Recht von politischem Diktat abhängt, nicht von sachlicher und unabhängiger Erörterung der Verfassung", mahnte er. Zu befürchten sei, dass das höchste Gericht nur noch "dekorativen Charakter" haben werde.

Vertreter der rechtsnationalen Regierung oder das Parlaments kamen nicht zu der Anhörung. Innenminister Mariusz Blaszczak beschuldigte die Richter im Fernsehsender TVP Info sogar, mit ihrer Sitzung gegen geltendes Recht zu verstoßen.

Mit dem neuen Gesetz ist künftig eine Zweidrittel-Mehrheit bei Richterentscheidungen vorgeschrieben, was auch Blockaden ermöglichen würde. Auch die Reihenfolge, in der Fälle bearbeitet werden müssen, ist festgelegt. Die müssen nämlich chronologisch abgearbeitet werden und die Richter sich zunächst mit zahlreichen Altfällen befassen. Außerdem waren Ernennungen bei dem Gericht, die noch die Vorgängerregierung beschlossen hatte, kassiert worden. Der polnische Präsident hatte die dann neu ernannten Richter noch rasch vereidigt.

Gewaltenteilung und Bürgerrechte bedroht

Von der EU-Kommission und anderen europäischen Regierungen hatte es gegen den Vorstoß der neuen polnischen Führung massive Kritik gehagelt. "Solange das Verfassungsgericht seiner Arbeit nicht effizient nachgehen kann, ist nicht nur die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr, sondern auch die Demokratie und die Menschenrechte", beklagte zum Beispiel auch der Europarat.

Am Freitag und Samstag erörtert auch die Venedig-Kommission, ein Expertengremium des Europarats, die umstrittenen polnischen Reformen. Die EU-Kommission hatte bereits ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit eingeleitet.

Die Warschauer Ministerpräsidentin Beata Szydlo hatte den Umbau der Justiz verteidigt. Ihre rechte Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) eroberte bei der Parlamentswahl im Oktober die absolute Mehrheit und krempelt seither das politische System um.

SC/wl (dpa, rtr)