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EU-Grundrechtestreit

22. November 2007

Sie fordern die "moralische Unabhängigkeit" Polens: die mächtigen polnischen Bischöfe. Mit ihrem Aufruf gegen EU-Grundrechte-Charta setzen sie die neue politische Führung Donald Tusks unter Druck.

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Erzbischöfe in Warschau (Archivbild, Quelle: AP)
Wie säkular ist Polen?Bild: AP
Der neue Warschauer Erzbischof Kazimierz Nycz (1. April 2007 Quelle: AP)
Einfluss auch auf die Politik: Die polnischen KirchenfürstenBild: AP

Die Bischöfe haben den neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk zum Abschluss ihrer Vollversammlung am Donnerstag (22.11.2007) in Czestochowa (Tschenstochau) indirekt aufgerufen, die von der Vorgängerregierung ausgehandelte polnische Ausnahmeklausel zur Charta beizubehalten. Das garantiere die Unabhängigkeit der polnischen Gesetzgebung in moralischen Fragen.

Alle anderen EU-Länder hätten bereits akzeptiert, dass der EU-Bürgerrechtskatalog in Polen nicht rechtsverbindlich werden soll, so die Bischöfe. An der Charta kritisierten sie unter anderem den fehlenden Gottesbezug in der Präambel und die Tatsache, dass das Klonen menschlichen Lebens nicht vollständig verboten werde, sondern nur das Reproduktionsklonen. Zugleich verweisen sie auf die Kritik von Papst Benedikt XVI. an der Charta.

Polnische Bischöfe gegen Homoehe

Polnische Fahne und Europafahne (Quelle: dpa)
Wird die polnische Regierung ihren europafreundlichen Kurs durchsetzen können?Bild: picture-alliance/ dpa

Der Erzbischof von Gniezno (Gnesen), Henryk Muszynski, hatte die Position als Referent vorbereitet. Die Grundrechte-Charta drohe so genannten Homo-Ehen den Weg zu ebnen, so Muszynski laut polnischen Medien. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Bischof Stanislaw Budzik, hatte zuvor erklärt: "Nach Ansicht der Bischöfe lässt die Charta zu viele Themen offen, deren Auslegung für jene Werte ungünstig sein kann, die unserem Vaterland und der Kirche in Polen wichtig sind." Der Bürgerrechtskatalog ermögliche "externen Organen" den Eingriff in Angelegenheiten, die bisher in der Kompetenz der Mitgliedstaaten gelegen hätten.

Polnische Ausnahmeklausel

Die Charta ist Teil des EU-Reformvertrags, der am 13. Dezember in Lissabon unterschrieben werden soll. Die abgewählte polnische Regierung hatte ursprünglich wie Großbritannien eine Ausnahmeklausel für sich durchgesetzt, wonach die Charta in diesen Ländern nicht rechtsverbindlich wird. In allen übrigen Ländern soll sie ab 2009 gelten.

Polens neuer Premier Donald Tusk (Archivbild, Quelle: AP)
Schwergewicht Kirche im Nacken: Polens neuer Premier Donald TuskBild: AP

Tusk befürwortet eine Annahme der Charta, zögert jedoch bisher mit Rücksicht auf Staatspräsident Jaroslaw Kaczynski, sie durchzusetzen. Die Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Staatspräsident Lech Kaczynski droht mit einem Nein zur Ratifizierung des EU-Vertrags, wenn die neue Regierung die Ausnahmeklausel rückgängig macht. In diesem Fall käme die zur Ratifizierung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nicht zustande.

Politischer Einfluss der Kirche

Mehr als 90 Prozent der 38,5 Millionen Polen sind katholisch. Die Kirche mischt sich fast wie selbstverständlich in die Politik des Landes ein. So lobten die katholischen Ordensvertreter die Rekordwahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen vom 21. Oktober und feierten sie als eigenen Erfolg. Zu der mit etwa 54 Prozent höchsten Wahlbeteiligung seit Ende des Kommunismus habe auch der Wahlaufruf des Episkopats beigetragen, sagte der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Bischof Stanislaw Budzik, dem staatlichen Rundfunk am Tag nach den Wahlen. Die Bischöfe hätten erstmals besonders intensiv zur Stimmabgabe aufgerufen, hieß es. (vem)