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Kaczynski zurück getreten

5. November 2007

Abschied des Zwillings: Der polnische Ministerpräsident hat nun offiziell bei seinem Präsidenten-Bruder den Rücktritt eingereicht. Sein Nachfolger Tusk will jetzt vor allem Fehler korrigieren und Konflikte mildern.

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Polens Premier Jaroslaw Kaczynski (rechts) überreicht seinem Bruder das Rücktrittsgesuch (Quelle: AP)
Zum Abschied Eigenlob - Jaroslaw Kazcinsky (r.) zählte zum Rücktritt seine Erfolge aufBild: AP

Die umstrittene zweijährige Herrschaft der Zwillingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski in Polen ist offiziell zu Ende: Zwei Wochen nach seiner Wahlniederlage trat Jaroslaw Kaczynski am Montag (5.11.2007) kurz vor der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments als Ministerpräsident zurück. Er übergab die entsprechenden Dokumente am Präsidentensitz in Warschau seinem Bruder, Staatschef Lech Kaczynski. Der Sieger der Parlamentswahl vom 21. Oktober, Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), soll noch in dieser Woche den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.

"Wir beenden die Mission unserer Regierung mit hocherhobenem Kopf", sagte Jaroslaw Kaczynski in einer Rede am Sitz der Präsidentschaft. Zusammen mit seinem Rücktrittsersuchen überreichte er seinem Bruder einen dicken Tätigkeitsbericht seiner Regierung. Im Präsidentenpalast zählte er fast eine Stunde lang seine Erfolge auf, vom dynamischen Wirtschaftswachstum und wachsenden Auslandsinvestitionen bis zur Stärkung der internationalen Position des Landes. Seine Regierung habe Schluss gemacht mit einer Außenpolitik, die sich "vor anderen beugte" und zur "Selbstherabsetzung" Polens geführt habe.

In der Partei umstritten

Nach 16 Monaten als Regierungschef führt Kaczynski ab jetzt nur noch die größte Oppositionspartei an. Allerdings scheint er in der eigenen Partei inzwischen umstritten: Drei Vize-Präsidenten der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kündigten ihren Rücktritt von ihren Ämtern an. Als Grund nannten Ludwik Dorn, Kazimierz Michal Ujazdowski und Pawel Zalewski Kaczynsk Führungsstil. Dorn war bisher Parlamentspräsident, Ujazdowski Kulturminister und Zalewski Vorsitzender des Auswärtigen

Ausschusses im Parlament.

Der desingniert Ministerpräsident Donald Tusk am Wahlabend (21.10.2007, Quelle: AP)
Wahlsieger Donald Tusk wird es mit Präsident Lech Kaczynski nicht leicht habenBild: AP

Die Konservativen waren bei der Parlamentswahl Tusks Bürgerplattform klar unterlegen, seitens Kaczynskis hatte es aber keinerlei Selbstkritik zur Strategie und Politik der Partei gegeben. Die Tusk-Partei verfehlte bei dem Urnengang allerdings mit 209 von 460 Sitzen die absolute Mehrheit im Sejm. Sie einigte sich aber bereits mit der Bauernpartei von Waldemar Pawlak auf eine Koalition. Auch die Verteilung der Ministerposten steht weitgehend fest.

Spaltung der Gesellschaft

Die bei der Wahl unterlegenen Nationalkonservativen hatten im Herbst 2005 die Macht mit dem Versprechen übernommen, Korruption zu bekämpfen, sich um die "einfachen Leute" zu kümmern und eine moralische Revolution durchzuführen. Ihr Ziel war die "IV. Republik", ein starker Staat, gesäubert von Seilschaften und ehemaligen kommunistischen Geheimdienstagenten. Diese Politik führte jedoch zur Spaltung der polnischen Gesellschaft.

Kaczynskis liberaler Nachfolger, Donald Tusk von der siegreichen Bürgerplattform (PO) verspricht nun vor allem "Milderung der Konflikte". Wenn die Regierung eine gute Politik mache, entschärften sich Konflikte zu einfachen Unterschieden, sagte Tusk. "Wenn aber die Politik schlecht ist, entstehen aus Unterschieden Konflikte." Es werde aber keine Revolution und keine Vergeltung geben. Tusks künftiger Erfolg hängt nicht zuletzt von seinem Verhältnis zum Präsidenten ab. Das Staatsoberhaupt hat dem Wahlsieger bisher nicht gratuliert und in einem Zeitungsinterview sogar angekündigt, gegebenenfalls von seinem Vetorecht gegen Gesetze Gebrauch zu machen.

Präsident droht mit Vetos

Lech Kaczynski kritisierte unter anderem die Absicht der Tusk-Partei, die im EU-Reformvertrag verankerte Bürgerrechtscharta als rechtsverbindlich anzuerkennen, weil sie Polens nationale Identität bedrohe und Grundlage für mögliche deutsche Entschädigungsforderungen sein könne. Außerdem kündigte der Staatschef sein Veto gegen die Einführung eines Einheitssteuersatzes und gegen Änderungen am Gesetz über die

Einrichtung eines Anti-Korruptionsbüros an - einem Lieblingsprojekt der Konservativen.

Streitthema ist auch das Personal der Tusk-Regierung, in der Kritik steht der designierte Außenminister: Die Partei Recht und Gerechtigkeit hatte in den vergangenen Tagen Front gegen die Nominierung von Radoslaw Sikorski gemacht. Sikorski war in der vorhergehenden Regierung Verteidigungsminister, legte sein Amt nach einem Konflikt mit den Kaczynski-Brüdern jedoch nieder und schloss sich der PO an. Diese punktete mit ihm im Wahlkampf, während die PiS Sikorski als "Verräter" brandmarkte. Am Montag teilte ein Sprecher mit, dass der Staatschef weiterhin Vorbehalte gegen Sikorskis Ernennung habe, sie aber keinesfalls verhindern werde. Auf jeden Fall solle Tusk in dieser Woche den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.

Tusk plant Irak-Abzug

Tusk kündigte in der Zeitung "Gazeta Wyborcza" für diese Woche erste politische Gespräche an. Er wolle am Donnerstag in Warschau mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zusammentreffen. Außerdem stellte Tusk erneut ein Ende der polnischen Beteiligung am Irak-Einsatz im kommenden Jahr in Aussicht. Polen gehörte bisher zu den entschiedensten Unterstützern des Irakkriegs und ist seit dem Einmarsch der US-geführten Streitkräfte im März 2003 mit seinen Truppen in dem Land vertreten. Derzeit sind etwa 900 polnische Soldaten in der Nähe von Diwanija rund 200 Kilometer südwestlich von Bagdad stationiert. (mg)