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Princenton Project

Martin Schrader31. Oktober 2006

Die Unzufriedenheit über die US-Sicherheitspolitik hat längst auch die Eliten der USA erfasst. Mehr als vierhundert Meinungsbildner haben nach mehrjähriger Arbeit einen Gegenentwurf zur Regierungspolitik vorgelegt.

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George W. Bush
Bekam einen Gegenentwurf zu seiner Sicherheitspolitik auf den Tisch: US-Präsident BushBild: AP

Wie ein Schweizer Armee-Messer müsse die US-Politik funktionieren, um in der Welt von morgen das Land noch schützen zu können: multifunktional und für jedes Problem das passende Werkzeug. Das ist das Ergebnis eines einzigartigen Konzepts für eine US-Sicherheitspolitik der Zukunft. Es stammt freilich nicht aus dem Weißen Haus, auch nicht aus dem Pentagon. Das Konzept ist das Ergebnis einer Initiative der Princeton Universität und trägt den Namen "Princeton Project on National Security".

Francis Fukuyama
Francis FukuyamaBild: picture-alliance / dpa

In dieses Projekt floss die Expertise von etwa vierhundert herausragenden Köpfen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, Politik und Nichtregierungsorganisationen ein. Darunter sind der Politologe Francis Fukuyama, der Historiker Tony Judt, der Islam-Wissenschaftler Bernard Lewis, der Finanzmarkt-Stratege Michael Klein von der Citigroup, der Human-Rights-Watch-Direktor Kenneth Roth sowie mehrere leitende Journalisten. Alle waren sich darin einig, dass sie ein Konzept für die nationale Sicherheit ihres Landes erarbeiten müssten.

Keine Generalabrechnung

Das Project on National Security startete 2004. Damals begannen sieben Arbeitgruppen, verschiedene Aspekte nationaler Sicherheit in den USA zu untersuchen. Den Vorsitz hatten die Princeton-Politologen Anne-Marie Slaughter und G. John Ikenberry. Sie verfassten auch den knapp 100-seitigen Abschluss-Bericht, den sie derzeit auf einer Art Roadshow Regierungsvertretern und der Öffentlichkeit in den USA, Europa und Asien vorstellen. Am Montag (30.10.) machten sie Station in der Berliner American Academy.

Nicht erwarten darf man von diesem Bericht eine General-Abrechnung der US-Elite mit der Politik von Georg W. Bush. Dieser wird allenfalls indirekt kritisiert. Zum Beispiel durch die Forderung, engagierter für eine Reform der UNO zu kämpfen. Bush trat bisher eher durch verbale Ohrfeigen für diese Organisation hervor und machte ihr das Leben schwer, indem er die Mitgliedsbeiträge der USA zurück hielt.

Blick auf das Jahr 2020

Slaughter und Ickenberry schreiben zudem, dass es zwar zwei Konzepte der Bush-Regierung zur Sicherung der Nation gebe. Dennoch fehle ein überparteilich anerkannter National-Security-Plan - und das obwohl sich die politische Landschaft seit 9/11 gewandelt habe. Auch dies darf als höflicher akademischer Vorwurf in Richtung des Weißen Hauses interpretiert werden.

Das Projekt wollte sich jedoch ohnehin nicht an die Tagespolitik klammern, erläuterte Slaughter in der American Academy. Man habe stattdessen in die Zukunft geblickt und versucht zu erahnen, welches die politischen Krisen und Gefahren im Jahr 2020 sein könnten. Dazu zählt dem Bericht zufolge an erster Stelle der Mittlere Osten. Es müsse verhindert werden, dass "die Wiege der Zivilisation zur Wiege eines globalen Konflikts" werde. Als weitere Herausforderungen für die US-Politik zählt der Berich auf: globale Terrornetze, die Verbreitung von Nuklear-Waffen, der Aufstieg Chinas sowie die Ordnung in Fernost, eine weltweite Pandemie, der Umgang mit Energie sowie der Aufbau einer gesellschaftlichen Infrastruktur (sie schließe eine Reform des US-Gesundheitswesens ebenso ein wie die öffentliche Bildung).

Konkurrenz für die UNO

Mit scharfer Kritik wendet sich das Projekt gegen alle großen überstaatlichen Organisationen wie die WTO, den IMF, die Weltbank, die NATO und die UNO. "Das System internationaler Institutionen, das die USA und ihre Verbündeten nach dem Zweiten Weltkrieg aufbauten und zuzeiten des Kalten Kriegs erweiterten, ist zerbrochen", laut die bittere Bilanz.

Hans-Ulrich Klose
Hans-Ulrich Klose (Archiv-Bilder)Bild: picture-alliance/dpa

Insbesondere die UNO versage bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Das Projekt schlägt deshalb eine Radikal-Kur vor. Dazu gehöre die Erweiterung des Sicherheitsrats um Indien, Brasilien, Japan, Deutschland und zwei afrikanische Staaten. Dies ließe die Welt anders aussehen und würde die Weltpolitik von heute reflektieren, nicht die von 1945, meint Slaughter. Das Veto-Recht solle für alle Mitglieder entfallen. Sie schlägt auch einen Plan B vor: Falls eine Reform der UNO misslinge, sollten die USA die Vereinten Nationen verlassen und eine Konkurrenz-Organisation gründen, das "Concert of Democracies".

Zu großspurig?

Für einen allzu ehrgeizigen Plan hält Hans-Ulrich Klose, SPD-Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, das Princeton Project. In der Diskussion in der American Academy zeichnete er ein Worst-Case-Szenario: Er halte es für möglich, dass der Irak bald in einem Bürgerkrieg zerbreche, die NATO in Afghanistan erfolglos bleibe und der Iran in einigen Jahren über Atomwaffen verfüge. "Ist es da nicht an der Zeit für ein intelligentes, schrittweises Krisenmanagement für jedes einzelne dieser Probleme?", fragte Klose. "Und ist es wirklich die richtige Zeit für den großen Wurf?" "Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragte Slaughter zurück. Und sie gab Klose zu bedenken, dass man immer "große Ideen" verkaufen müsse, wenn man dem amerikanischen Volk überhaupt etwas verkaufen wolle."