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Piratenchefin gegen Frauenquote

Rozalia Romaniec / Kay-Alexander Scholz22. Mai 2013

Katharina Nocun, 26 Jahre jung, soll die deutsche Piratenpartei in den Bundestag führen. Im DW-Interview erzählt sie von ihren Wurzeln in Polen und ihren Plänen für Deutschland.

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Die Geschäftsführerin der Piratenpartei, Katharina Nocun (Foto: dpa)
Die Geschäftsführerin der Piratenpartei, Katharina NocunBild: picture-alliance/dpa

DW: Mit drei Jahren gingen Sie mit Ihren Eltern aus Polen nach Deutschland. Was verbinden Sie heute mit dem Heimatland Ihrer Eltern?

Katharina Nocun: Vor allem Erinnerungen aus meiner Kindheit. Ich bin aber auch regelmäßig dort, weil in Schlesien ein Teil meiner Familie lebt. Wir besuchen dann Verwandte und essen typische polnische Speisen. In Deutschland biete ich meinen Gästen gern auch polnisches Bier - Tyskie Piwo - an. Außerdem lese ich Bücher von polnischen Autoren, denn mich interessiert die Nachkriegsgeschichte des Landes sehr.

Auch in Polen gibt es eine Piratenpartei. Doch sie ist nicht so erfolgreich. Welche Verbindungen gibt es?

Im Moment entwickeln sich Piratenparteien in mehreren Ländern - in Polen, Frankreich, Italien. Wir möchten, dass daraus eine gesellschaftliche Bewegung wird, die es auch in die Parlamente schafft. In Polen ist die Lage besonders heikel, denn dort wurden die EU-Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung vollständig umgesetzt. Verdachtsunabhängig werden große Mengen an Verbindungsdaten gespeichert und man kann überprüfen, mit wem man telefoniert, wo man ins Internet geht, welche Seiten man öffnet - die IP-Adresse ist da ein richtiger Fingerabdruck im Internet. Die Daten werden zwei Jahre aufbewahrt, das ist sehr lange. Außerdem greift der Staat in Polen sehr häufig auch auf die Daten zu - mehr als eine Million Mal im Jahr. Es gab Fälle von Überwachung von Journalisten, die das Missbrauchpotential anschaulich machten. Und sie zeigten, dass alle Befürchtungen diesbezüglich berechtigt sind.

Ist aber nicht gerade die polnische Szene sehr aktiv, wie der Fall des umstrittenen Anti-Piraterie-Abkommens ACTA zeigte?

Das stimmt. Als ACTA geplant wurde und in Deutschland erst Konsultationen in Fachkreisen stattfanden, gingen in Polen schon viele Leute auf die Straße, um gegen ACTA zu protestieren. Ich konnte es kaum glauben, welche faszinierende Dynamik damals entstand und dann alles aus Polen nach Westeuropa überschwappte. Bis man ACTA dann schließlich blockierte.

Blockieren, stoppen, protestieren - das klingt nach Rebellennatur. Seid Ihr - die Piraten in Deutschland - die Grünen-Partei von heute?

Die Grünen hatten damals kein Internet, wir sind schon deshalb anders. Aber was beide Parteien verbindet, ist, dass sie den Geist ihrer Zeit widerspiegeln. Wir sind zwar die jüngste Partei, trotzdem sind bei uns alle Altersgruppen vertreten. Die Älteren arbeiten zum Beispiel am Thema "Pensionsmodelle". Denn heute gibt es immer mehr Menschen, die zuhause arbeiten - das erfordert ein Umdenken, denn es ändert das Berufs- aber auch das soziale Leben. Wir wollen, dass man das Internet als Chance begreift und sehen dabei Lücken, die wir ausfüllen wollen.

In der Parteitagsrede nach Ihrer Wahl zur neuen politischen Geschäftsführerin haben Sie den Piraten im Saal zugerufen: 'Wir werden uns den Arsch aufreißen und angreifen!' Wen zuerst?

Zuerst die Parteien, die Bürgerrechte einschränken wollen - und das sind die meisten. Deshalb bereiten wir gerade eine Verfassungsbeschwerde vor, weil wir gegen die jüngst beschlossene Liberalisierung beim Zugang zu Telekommunikationsdaten durch zum Beispiel Polizei, Geheimdienste oder das Zollamt sind. Wir finden, dass die Hürden dafür zu niedrig und die Pläne daher insgesamt verfassungswidrig sind. Ich selbst habe außerdem eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission gegen die Bundesregierung eingereicht, denn diese setzt meiner Meinung nach die Richtlinie zur Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht ausreichend um. Der Beauftragte sollte unabhängiger von der Regierung sein, als er es gegenwärtig ist.

Was will die Piratenpartei eigentlich anders als die anderen machen?

Alle Parteien versuchen gerade, irgendwelche Löcher zu stopfen oder etwas anzupassen. Wir halten die Zeit reif für grundsätzliche Veränderungen in manchen Bereichen. Das betrifft zum Beispiel das Berufsleben, das heute nicht klar und voraussehbar ist wie noch bei unseren Eltern. Wir sind auch für ein Grundeinkommen vom Staat für alle, die lernen - und zwar nicht als Darlehen. Denn in Deutschland hängen die Bildungschance der Kinder zu stark vom Geldbeutel der Eltern ab.

Die Medien unterstreichen ihre Kompetenzen im Bereich Datenschutz, aber ebenso Ihre Attraktivität. Fühlen Sie sich nicht manchmal als eine Art "Köder für die Wähler"?

Ich glaube nicht, dass mein Aussehen eine Rolle bei der Wahl zur Geschäftsführerin gespielt hat. Mein Abenteuer mit den Piraten begann schon vor einigen Jahren und damals waren mein Interesse und meine Kompetenzen wichtig. Dazu, dass die Presse über mein Aussehen schreibt, kann ich nichts sagen. Ich kann ja nichts dafür.

Was halten Sie eigentlich von der Frauenquote?

Ich persönlich finde nicht, dass wir sie brauchen.