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Mit der Bundeswehr in Mali

Sandrine Blanchard8. Dezember 2013

Blutige Anschläge, ungelöste Konflikte: Malis Armee will die Kontrolle über den Norden zurück. In einer Trainingsmission macht die EU malische Soldaten fit für den Einsatz. Auch deutsche Ausbilder sind dabei.

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Malische Soldaten der EU-Trainingsmission in Koulikoro (Foto: Sandrine Blanchard/DW)
Bild: DW/S. Blanchard

60 Kilometer sind es von der Hauptstadt Bamako nach Koulikoro. Hier, im Süden Malis, ist die Trainingsmission der EU stationiert, die "European Union Training Mission Mali" (EUTM). Der Weg führt über eine holprige Piste. Die schweren Transporte der EUTM, die hier seit April 2013 entlang fahren, haben Schlaglöcher hinterlassen. Die malische Armee hat der EU Gebäude für ein Camp zur Verfügung gestellt. Auf der einen Seite arbeiten und wohnen die Europäer, insgesamt 500 Frauen und Männer: Es gibt eine Kantine, ein Militärkrankenhaus, Unterrichtsräume, auch Bars und sogar einen Pizzaofen, den italienische und deutsche Soldaten gebaut haben. Einige hundert Meter weiter übernachten die malischen Soldaten in Zelten.

Die Aufgaben sind klar verteilt unter den 20 Nationen, die sich an der EU-Trainingsmission in Koulikoro beteiligen. Die Deutschen sind mit 90 Sanitätern und Ausbildern vor Ort. Insgesamt 600 malische Pioniere sollen sie trainieren - innerhalb von 15 Monaten, denn so lange dauert das Mandat der Mission. "Wir bilden Kampftruppen der malischen Armee aus, damit sie im Norden des Landes eingesetzt werden können", sagt Oberstleutnant Thorsten Ickert, der das deutsche Kontingent führt. Die Bedingungen in Nordmali sind hart: Die Infrastruktur in der Wüste ist schlecht, am Tag wird es sehr heiß, in der Nacht kalt. "Wer dort militärisch im Einsatz ist, muss sehr selbstständig sein", sagt der Oberstleutnant. Das heißt: Die Truppen müssen lernen, mit Versorgungsengpässen klar zu kommen oder nachts draußen zu schlafen.

Im deutschen Camp in in Koulikoro (Foto: Sandrine Blanchard/DW)
Im deutschen Camp in KoulikoroBild: DW/S. Blanchard

Prekäre Sicherheitslage im Norden

Der Norden Malis gilt als besonders instabil und gefährlich: Im April 2012 besetzten Tuareg-Rebellen der MNLA ("Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad") weite Gebiete. Islamisten terrorisierten die Bevölkerung, immer wieder gibt es blutige Anschläge - auch gegen die Stellungen internationaler Truppen im Land. Begünstigt wurde das Chaos im Norden von einem Militärputsch im Süden: Eine Gruppe von Offizieren stürzte im März 2012 in der Hauptstadt Bamako Präsident Amadou Toumani Touré. Frankreich hatte daraufhin Truppen entsandt. Mit malischer und afrikanischer Hilfe gelang es, die Extremisten weitgehend aus der Region zu vertreiben.

Wahlplakate in Mali (Foto: Sandrine Blanchard/DW)
Training: Ein britischer Offizier spielt einen DschihadistenBild: DW/S. Blanchard

In den vergangenen Monaten schien Mali auf einem guten Weg: Seit dem Sommer versuchen internationale Truppen der MINUSMA-Friedensmission, darunter auch deutsche Soldaten, den Norden zu stabilisieren. Im Juni hatten die Tuareg-Rebellen einen Waffenstillstand mit Streitkräften der malischen Armee geschlossen. Im September trat ein neu gewählter Präsident ins Amt. Und erst vor Kurzem konnte Putschisten-Chef Haya Sanogo verhaftet werden.

Doch der Frieden ist äußerst fragil: Zwei Wochen vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen am 15. Dezember - kündigten die Tuareg-Rebellen die Waffenruhe auf, nachdem es wieder häufiger zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Armee gekommen war. Die Soldaten im Trainingslager der EU-Mission in Koulikoro wissen noch nicht, was sie nach der Ausbildung erwartet.

Disziplin und Übung für den Ernstfall

Am Tag unseres Besuchs trainieren Pioniere des dritten Bataillons, die bereits am Ende ihrer Ausbildung angelangt sind, gemeinsam mit Infanterie-Soldaten. Die Übung findet auf offener Straße statt, unter möglichst realistischen Bedingungen. Die malischen Pioniere sollen eine Brücke auf Sprengsätze überprüfen. Die Ausbilder greifen nur ein, wenn sich die Soldaten in Gefahr bringen würden. Bereits ausgebildete Offiziere sehen bei der Übung zu, um später selbst als Trainer zu arbeiten. "Wir haben etwa 200 Meter vor uns eine Brücke. Es wird jetzt überprüft, ob sich dort ein IEDD befindet", erklärt Hauptmann Alexander Rost im typisch militärischen Fachjargon und meint einen improvisierten Sprengsatz. "Ich habe ihnen gesagt, dass sie weiter links suchen sollen", gibt ein malischer Offizier Anweisungen. Die Pioniere arbeiten sich langsam in Richtung Brücke vor.

Übung der Bundeswehr mit malischen Pionieren in Koulikoro (Foto: Sandrine Blanchard/DW)
Malische Soldaten beraten sich bei einer ÜbungBild: DW/S. Blanchard

Sprengsätze und Anschläge

Zu Beginn ihrer Mission waren die Bundeswehrsoldaten nicht nur überrascht von der schlechten Ausbildung, sondern vor allem von der mangelhaften Ausrüstung der Pioniere. Doch nach einigen Wochen Zusammenarbeit haben auch die Deutschen von den Maliern etwas gelernt. "In Deutschland können wir viele Überlebenswerkzeuge einfach im Baumarkt kaufen, hier haben das die Soldaten eben selber gebaut", erklärt ein deutscher Soldat. "Die Malier bewegen sich auf diesem Terrain sehr gut. Unsereins würde wahrscheinlich nach zwei Tagen verdursten. Die Malier wissen genau, den Schatten auszunutzen und hauszuhalten."

Wahlplakate in Mali (Foto: Sandrine Blanchard/DW)
Wahlplakate: Im Dezember stimmt Mali nochmals über ein Parlament abBild: DW/S. Blanchard

Plötzlich werden die Übungs-Teilnehmer unruhig. "Sehen Sie diese Steine, die mitten auf der Straße aufeinander gestapelt sind? Das ist suspekt!", ruft ein malischer Pionier. Er will die Brücke sichern und den Minenräumdienst benachrichtigen. Dann fallen unerwartet Schüsse, die Soldaten werfen sich auf den Boden. Ein Ausbilder hat sich versteckt, und spielt den Dschihadisten im Hinterhalt. "Der Feind steht uns gegenüber. Das heißt, dass wir uns auf den Kampf vorbereiten müssen, bevor wir die Minen entschärfen", erklärt der Soldat.

Es bleibt noch viel zu tun

Ein Schwerpunkt der Ausbildung in Koulikoro liegt auch auf der Einhaltung der Menschenrechte. Dazu gehört der Umgang mit Kriegsgefangenen, etwa dass sie ein Recht auf Nahrung und Getränke haben. Auch wenn sie mit der deutschen Ausbildung zufrieden sind, wünschen sich die malischen Pioniere mehr Zeit und eine bessere Ausrüstung - gerade diejenigen, die bereits im Norden im Einsatz waren.

Auch die Bundeswehrausbilder sehen, dass noch viel zu tun ist, bevor die malische Armee professionell funktioniert. "Wann das so weit ist, das kann ich jetzt noch nicht sagen, aber wir sind dabei, die ersten Schritte jetzt zu gehen", sagt Oberstleutnant Thorsten Ickert. Es gebe aber schon Bemühungen, die Mission nach 15 Monaten zu verlängern. Die EU will Mitte Dezember beraten. Dass die Deutschen noch eine ganze Weile in Koulikoro bleiben werden, gilt als wahrscheinlich.