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Musik

"The Endless River"

Silke Wünsch
5. November 2014

Das neue Album von Pink Floyd ist da - mit altem Material. Angekündigt wurde es als Sensation. Doch das Sensationellste an der Platte ist das Coverdesign. Der Rest kommt einem ziemlich bekannt vor.

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Das Cover des neuen Pink Floyd-Albums "The Endless River"
Bild: Warnermusic

Ein Mann rudert mit wehendem Hemd in den Sonnenuntergang hinein - auf Wolken. So präsentiert sich das Cover der neuen Pink Floyd-Platte, und so wurde es auch zunächst mal zerrissen. Entsetzt fragten sich Fans und Kritiker, wer denn dem Gestalter dieses Covers etwas in den Tee gerührt habe, und wo denn das geniale Design früherer Platten geblieben sei. Große Besorgnis herrschte darüber, was - bei solch einem kitschigen Cover - auf dem Album zu hören sein könnte …

Eine winzige Sneak-Preview hat es im Vorfeld gegeben: Eine gerade einmal 30-sekündige Kostprobe. Sofort denkt man: Dieses Stück hat nicht mehr auf "The Dark Side of the Moon" gepasst. Der Schnipsel klingt wie ein Outtake aus einer früheren Platte. Und tatsächlich: Dieses Album besteht aus musikalischen Fragmenten aus älteren Pink-Floyd-Zeiten. Genauer gesagt, es sind Überbleibsel von den Aufnahmesessions zur letzten Studio-Platte "The Division Bell" von 1994. "Wir hörten uns durch 20 Stunden Material, auf dem wir drei zusammen gespielt haben", erklärt Gitarrist David Gilmour. "Viele dieser alten Momente sind so schön, so magisch, dass wir sie jetzt benutzt haben. Wir haben sie natürlich mit moderner Studiotechnik noch mal etwas aufgepeppt. Dann haben wir ein paar neue Parts hinzugefügt, um ein Pink Floyd-Album zu erschaffen, das mit beiden Beinen im 21. Jahrhundert steht."

Pink Floyd Recording Session 1993: David Gilmour ©Jeremy Young
Aufnahmesession 1993: David GilmourBild: Jeremy Young

Mitgewirkt hatten damals Gilmour, Drummer Nick Mason und Keyboarder Rick Wright, letzterer ist 2008 verstorben. Das vierte Pink Floyd-Urmitglied, Bassist Roger Waters, war heillos mit den anderen zerstritten und schon 1985 aus der Band ausgestiegen. So hat er bei den Sessions zu "The Division Bell" gar nicht mehr mitgemacht. Und ist folglich auf dieser Scheibe nun auch nicht zu hören.

"Ich habe nichts mit dieser Platte zu tun!"

Dabei soll "The Endless River" nicht nur eine Art Resteverwertung aus früheren Jahren sein, sondern auch eine Hommage an den toten Rick Wright, eine Erinnerung an alte Zeiten und der endgültige Abschied der Band Pink Floyd aus dem Musikgeschehen. Wäre das nicht ein perfekter Zeitpunkt für eine Reunion der noch lebenden Musiker gewesen? Eine Frage, die Roger Waters ungemein aufregt. Auch die Annahme einiger Fans und Medien, er sei nun wieder dabei, brachte ihn so auf die Palme, dass er schließlich auch auf seiner Facebook-Seite Dampf abließ: "Hä?! Ich habe kein Album, das erscheint. David Gilmour und Nick Mason haben ein Album gemacht. David und Nick gehören zur Gruppe Pink Floyd. Ich aber gehöre nicht zu Pink Floyd. Ich hatte nichts mit den Alben 'A momentary Lapse of Reason' und 'The Division Bell' zu tun. Und - uff! Ich habe nichts mit 'The Endless River' zu tun."

Pink Floyd Recording Session 1993: Rick Wright ©Jeremy Young
Richard Wright ist 2008 an Krebs gestorbenBild: Jeremy Young

Alter Streit um Namen und Rechte

Anscheinend ist der alte Groll bis heute nicht verflogen. Das einstige Mastermind der Band, Mitautor von "The Dark Side of the Moon", einer der erfolgreichsten Platten aller Zeiten, war der Ansicht, dass mit Pink Floyd nichts mehr los sei, verließ die Gruppe und musste dann mit ansehen, dass sie weiterhin Erfolg hatte. Da fühlte er sich betrogen. Das hatte jahrelanges Gezänk um den Namen "Pink Floyd" und die Rechte an den Songs zur Folge. Pink Floyd durften schließlich auch Waters' Stücke weiter spielen. Waters machte dafür einen Alleingang mit der Megashow "The Wall", mit der er 1990 auf dem Berliner Postdamer Platz auftrumpfte. Mit dabei: Stars wie Bryan Adams, Cindy Lauper, Joni Mitchell. Keine Spur von Gilmour, Wright oder Mason.

Konzert Roger Waters The Wall August 2013 Foto: Reuters
Roger Waters mit seiner Show "The Wall", August 2013Bild: Reuters

Heute blickt Drummer Nick Mason mit einer gewissen Altersweisheit auf den Streit zurück. Im Interview mit der "Welt" erzählt er, dass die beiden längst wieder miteinander sprechen, schließlich sei Waters mit Abstand sein ältester Freund. Trotzdem habe es sich nicht richtig angefühlt, Waters zu den Aufnahmen zu "The Endless River" dazu zu bitten. "Aber er ist immer noch furchtbar wichtig für mich. Ich persönlich hätte es sogar geliebt, wenn er dabei gewesen wäre."

Ein Abschied für immer?

David Gilmour ist da härter, er hat eine erneute Zusammenarbeit mit Waters strikt abgelehnt. Nun also ist das Album da, bei Amazon ist es allein durch die Vorbestellungen längst Nummer 1 der Verkaufscharts. Es hat quasi vier Seiten, teils mit ganz kurzen Titeln, die nicht länger als anderthalb Minuten sind. Alle Stücke stehen in Korrespondenz zueinander, ein einziger Song ist gesungen, der Rest ist instrumental. Sicherlich ein Leckerbissen für eingefleischte Pink Floyd-Fans, die Lust auf den alten Pink Floyd-Sound haben. Von dem gibt es hier eine ganze Menge. Mal glaubt man, etwas aus "Wish You Were Here" zu hören, mal ein bisschen "Echoes", mal ein bisschen "Us And Them". Viele Stücke werden von langen und elegischen Soli getragen - so wie der Mann im weißen Hemd auf dem Cover von den Wolken getragen wird.

Pink Floyd Recording Session 1993: Nick Mason ©Jeremy Young
Nick Mason kann nicht ganz loslassenBild: Jeremy Young

Das Motiv des Plattencovers lässt eine Menge Interpretationsspielraum. Ist es wirklich das allerletzte Album der gealterten Kultband oder könnte vielleicht doch noch eine Fortsetzung kommen? Während Schlagzeuger Nick Mason nicht so ganz abgeneigt ist (zumindest wird er 2015 eine Solo-Platte veröffentlichen), markiert dieses Album für Gitarrist David Gilmour das endgültige Ende der Band Pink Floyd. Er setzt im letzten und einzigen gesungenen Stück der Platte, der Ballade "Louder Than Words", einen wahrlich philosophischen Schlusspunkt: "Wir haben gezankt und gekämpft, aber das, was wir hier tun, ist lauter als Worte".

Und so könnte der Mann auf dem Cover auch ein Symbol sein: Für die letzten beiden Pink Floyd-Freunde, die mit ihrer neuen alten Musik wie im Western in den Sonnenuntergang hinein reiten. The End.