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Prüfer täuschte Kontrollen im AKW nur vor

14. April 2016

Der Atomreaktor Philippsburg 2 darf vorerst nicht wieder ans Netz. In mehreren Fällen wurden Sicherheitsprüfungen dokumentiert, die nie stattgefunden haben. Einzelfall oder Methode?

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Kernkraftwerk Philippsburg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Mit Blick auf die Täuschungen will das baden-württembergische Umweltministerium dem Kraftwerksbetreiber, dem Energiekonzern EnBW, den Betrieb des Atommeilers Philippsburg 2 (Artikelbild) bis auf Weiteres untersagen. Der Reaktor ist seit dem 8. April wegen einer turnusmäßigen Revision ohnehin nicht am Netz.

Erklärungsfrist für EnBW bis Montag

Wie das Stuttgarter Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft als zuständige Aufsichtsbehörde mitteilte, hatte EnBW bei Untersuchungen festgestellt, dass ein Mitarbeiter eine wiederkehrende Sicherheitsprüfung an einem Störfallmonitor zwar in einem Prüfprotokoll dokumentiert, tatsächlich aber gar nicht durchgeführt hatte.

Nachforschungen ergaben zudem, dass die Kontrolle in weiteren Fällen nur vorgetäuscht wurde. Das Unternehmen selbst habe am 5. April die meldepflichtigen Informationen an das Ministerium weitergeleitet. Bis Montag muss EnBW einen Bericht zu den Zweifelsfällen vorlegen.

Atomsicherheit in Deutschland gewährleistet?

Im Raum steht jetzt die Frage, ob es sich bei der vorgetäuschten Sicherheitskontrolle in Philippsburg um einen Einzelfall gehandelt hat. Politiker und Umweltverbände fordern schon Konsequenzen. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) kündigte an, jetzt auch das zweite im Land noch betriebene Atomkraftwerk Neckarwestheim II unter die Lupe zu nehmen.

Nach Unterstellers Angaben sind im Atomkraftwerk in Philippsburg nach dem am 5. April aufgedeckten Fall bei 450 Sicherheitsprüfungen insgesamt sieben weitere zweifelhafte Protokolle aufgefallen. Stets sei derselbe Mitarbeiter eines externen Prüfteams verwickelt, teilte der Minister mit. Nach seinem Wissen sei es das erste Mal, dass eine vorgeschriebene Prüfung in einem deutschen Kernkraftwerk offenbar bewusst vorgetäuscht wurde. "Das ist hochgradig beunruhigend und nicht akzeptabel."

Nach derzeitigem Kenntnisstand hätten die vorgetäuschten Prüfungen keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen gehabt, erklärte Untersteller. EnBW müsse aber erst nachweisen, "dass die Anlage vorschriftsmäßig und sicher betrieben wird", bevor sie wieder hochgefahren werden dürfe.

Forderung: Bessere Kontrolle der Kontrolle

Die Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl forderte die Bundesatomaufsicht auf, sich der Sache anzunehmen. Vor allem müsse analysiert werden, ob es Lücken im Regelwerk für Akw-Prüfungen gebe, die eine Vortäuschung von Prüfungen ermöglichen, teilte die Bundestagsabgeordnete mit. Weiter sei zu klären, ob es auch in anderen Atomkraftwerken ähnliche Tricks gegeben habe. Es müsse zumindest eine stichprobenartige Analyse wiederkehrender Prüfungen geben, die zwangsläufig Spuren im System hinterlassen, wenn sie wirklich durchgeführt wurden.

Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital sprach nach dem Vorfall in Philippsburg von einem schweren Mangel in der Sicherheit. Das Atomkraftwerk sei schon früher wegen ähnlicher Pannen negativ aufgefallen. Jetzt müsse man über eine endgültige Abschaltung früher als geplant nachdenken.

Block 2 in Philippsburg soll noch bis spätestens Ende 2019 am Netz bleiben, Block 1 wurde 2011 abgeschaltet.

qu/uh (rtr, dpa, afp)