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Ökokraftwerke sind konkurrenzfähig

Gero Rueter4. November 2013

Umbruch in der deutschen Energiewirtschaft: Strom aus erneuerbarer Energie kostet jetzt so viel wie aus fossilen Ressourcen, sagt Frank Peter von Prognos. Kohle- und Gaskraftwerke lohnen sich so immer weniger.

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Frank Peter, Prognos AG, Diplomingenieur (Foto: Florian von Ploetz)
Ingenieur Frank Peter vom europäischen Zentrum für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung PrognosBild: Florian von Ploetz

Deutsche Welle: Herr Peter, Sie vergleichen Kraftwerkstechnologien und rechnen aus wie hoch die Stromkosten jeweils sind. Aktuell haben Sie eine Studie für Deutschland veröffentlicht. Was sind die Ergebnisse?

Es gibt regionale Unterschiede. Windstrom im Norden von Deutschland ist die günstigste Erzeugungstechnik und liegt in der langfristigen Betrachtung unter sechs Cent/kWh. Der jeweilige Betrachtungszeitraum beträgt immer 40 Jahre. Strom aus einem neuen Steinkohlekraftwerk in der gleichen Region kostet dann über acht Cent und aus einem sehr effizienten Gasturbinenkraftwerk (GUD) und großem Solarkraftwerk etwas über neun Cent/kWh.

In Süddeutschland gibt es andere Umweltbedingungen - mehr Sonne, aber der Wind ist weniger stark. Strom aus großen Solarparks ist hier sehr viel günstiger und kostet in der langfristigen Betrachtung rund 7,5 Cent/kWh, Windstrom ist dagegen teurer und kostet im Schnitt dann neun Cent/kWh. Man kann also sagen, von heute an gesehen kostet Strom aus erneuerbarer Technik ähnlich viel wie traditionelle, konventionelle Techniken.

Kosten für Strom aus neuen Kraftwerken in Deutschland (Infografik: DW)

Ihre Studie zeigt, dass erneuerbarer Strom jetzt Wettbewerbsfähig ist. Was bedeutet das für die Energiewirtschaft in Deutschland?

Der Strom aus Wind und Sonne ist abhängig vom Wetter. Das ist ein Manko. Die Anlagen sind nicht regelbar. Erzeugung und Verbrauch müssen entsprechend gesteuert werden. Diese große Herausforderung muss gelöst werden. Und an dieser Stelle muss die Energiewende weiterentwickelt werden.

Die großen Energiekonzerne in Deutschland verdienen mit der alten Technik, mit Kohle und Gas. Wie reagieren die auf die Studie?

Für die Betreiber konventioneller Kraftwerke ist die Studie keine Neuigkeit. Wir machen auch Studien für die großen Energieunternehmen wie Vattenfall, RWE, EON oder große Stadtwerke. Die basieren auf der gleichen Datenbasis und unterscheiden sich im Ergebnisse nicht grundsätzlich. Für die Energiekonzerne ist die Konkurrenz der erneuerbaren Energien nicht das Problem, sondern, dass die Wirtschaftlichkeit der konventionellen Kraftwerke schwindet.

Im Moment ist das Marktsystem auf die Entwicklung noch nicht eingerichtet. Zum einen gibt es große Mengen Wind- und Sonnenstrom die wetterabhängig schwanken und gleichzeitig wird auch ein Backup-System gebraucht wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Vor uns liegt ein Transformationsprozess. Wir brauchen ein entsprechendes Marktdesign für die neuen Gegebenheiten. Gas oder teilweise auch noch Kohlekraftwerke müssen zukünftig in diesem System noch wirtschaftlich betrieben werden können. Das ist eine der zentralen Herausforderungen, die die neue Bundesregierung in den Fokus nehmen muss.

Sie sagen, dass die Wirtschaftlichkeit der konventionellen Kraftwerke schwindet. Werden deshalb keine neuen Kohle und Gaskraftwerke mehr geplant und gebaut?

Ja, so ist es. Sie können sich zahlreiche Planungen von Gas- oder Kohlekraftwerken in den letzten Jahren anschauen: Die wurden teilweise zurückgezogen auf unbestimmte Zeit. Bei den konventionellen Kraftwerken geht es derzeit auch darum, dafür zu sorgen, dass nicht überproportional viele bestehende Anlagen aufgrund von schwindender Wirtschaftlichkeit vom Netz genommen werden.

Werden in anderen EU-Ländern noch neue Kohle- und Gaskraftwerke geplant?

Mir ist nicht bekannt, dass außerhalb von Nischenprojekten oder in Verbindung mit Kraftwärmekopplung im Moment in Zentraleuropa noch Kohle- und Gaskraftwerke geplant und gebaut werden. Momentan ist der Trend in Europa ganz klar und dies ist nicht nur ein deutsches Phänomen. Auch in anderen europäischen Staaten, auch in Südeuropa sieht man keine Investition in konventionelle Technik.

In Südeuropa gibt es viel Sonne, Solarstrom ist günstiger. Lohnt sich der Transport nach Zentraleuropa?

In Süditalien, Südspanien oder Griechenland gibt es deutlich mehr Sonne, die Kosten für Solarstrom liegen im langfristigen Mittel zwischen fünf und sechs Cent/kWh. Der Transport dieses Stroms nach Deutschland würde aber mindestens noch mal 2,5 bis drei Cent/kWh kosten. Solarstrom aus dem Süden für Zentraleuropa hat deshalb keinen Kostenvorteil gegenüber Solarstrom aus Anlagen in Zentraleuropa.

Das Konzept von DESERTEC war, dass Solar- und Windstrom aus Südeuropa und Nordafrika nach Zentraleuropa exportiert wird. Ist dies nun ein Konzept der Vergangenheit?

Bei stark sinkenden Kosten für erneuerbare Technik macht der weiträumige Stromtransport heute immer weniger Sinn. Allerdings macht es Sinn die erneuerbare Stromerzeugung großflächig zu verbinden. Konventionelle Kraftwerke können so nachgebildet werden. So haben Sie eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass irgendeine erneuerbare Quelle gerade Strom produzieren kann. Das Argument für eine Netzverbindung ist nicht mehr der Kostenunterschied, sondern, dass mehr erneuerbarer Strom genutzt werden kann.

Der Ausbau von erneuerbaren Energien boomt in Deutschland. Lässt sich das so alles auf andere Länder übertragen?

Nein. Das ist ein kleines Problem. Wir sehen das beispielsweise in Griechenland. Sie haben dort höhere Kosten für Planung, Genehmigung und Netzanschluss im Vergleich zu Deutschland. Zudem gibt es in Deutschland sehr günstige Kredite zur Finanzierung erneuerbarer Techniken. In Südeuropa müssen Sie sehr viel höhere Zinsen bezahlen.

In Deutschland hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Boom ermöglicht. Wird es jetzt noch weiter gebraucht?

Für die Beibehaltung des Ausbautempos ist es elementar. Es gibt den Investoren Sicherheit. Andere Modelle erhöhen die Risiken für die Anlagenbetreiber. Das führt zu Risikoaufschlägen und macht die Technik teurer. Aus diesem Grund sollte man an den Grundfesten des EEG festhalten und nur kleine Anpassungen vornehmen.

Die Prognos AG berät europaweit Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik und erstellt Prognosen. Der Ingenieur Frank Peter ist Experte für Strommarktsimulation bei Prognos und erstellt Gutachten für Stromkonzerne, große Stadtwerke, Behörden und Industrie. Die Studie zur Entwicklung der Stromproduktionskosten wurde im Oktober 2013 veröffentlicht.

Das Interview führte Gero Rueter.