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Perspektiven für Nahost

Das Interview führte Frank Gazon16. Januar 2009

Seit drei Wochen dauert der Krieg in Gaza an, unzählige Vermittler sind bereits in die Region gereist, zahllose Gesprächsrunden hat es schon gegeben. Warum ist eine Lösung so schwierig?

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Die Publizisten Hakam Abdel-Hadi (l.) und Gad Lior, Quelle: DW
Die Publizisten Hakam Abdel-Hadi (links) und Gad Lior (rechts)Bild: DW

Die Deutsche Welle hat Experten beider Konfliktparteien gefragt, warum eine Einigung zwischen Israel und der Hamas so schwer ist. Für die israelische Seite ist dies Gad Lior, Redakteur bei der israelischen Tageszeitung "Yedioth Ahronoth". Der Publizist Hakam Abdel-Hadi aus Dschenin vertritt die palästinensische Position.

DW-WORLD.DE: Wie kann Ihrer Meinung nach ein Waffenstillstand erreicht werden?

Gad Lior: Zuerst muss man mit dem Raketenbeschuss auf Israel aufhören, das ist ganz sicher. Denn dieser ganze Krieg hat nur wegen dieses Raketenbeschusses angefangen. Die andere Sache ist natürlich die, dass man damit aufhören muss, Waffen durch Tunnel von Ägypten nach Gaza und in andere palästinensische Städte zu bringen. Der dritte Schritt wäre, dass Israel sein Militär zurückholt und die Grenzen zum Gazastreifen öffnet. Der Gazastreifen soll offen und nicht wie ein Gefängnis sein.

Hakam Abdel-Hadi: Der Waffenstillstand kann nur mit ägyptischer Hilfe vermittelt werden. Die Ägypter sind inzwischen sehr aktiv geworden und verhandeln jetzt mit der Hamas. Aber Israel weigert sich, mit der Hamas zu verhandeln, was ich sehr bedauerlich finde. Das ist die Hauptursache dieses Krieges. Wenn man von vornherein miteinander gesprochen hätte, wäre es nicht soweit gekommen.

Was kann die internationale Gemeinschaft tun?

Gad Lior: Es ist kaum vorstellbar, dass ohne die Hilfe der USA, der Europäer und anderer eine Lösung möglich ist. Denn Israel spricht nicht mit der Terrororganisation Hamas. Darum müssen sich andere Mächte einmischen. Dabei müssen sie vor allem zwei Dinge tun: Sie müssen dafür sorgen, dass keine Raketen mehr auf Israel geschossen werden und den Waffennachschub in den Gazastreifen unterbinden. Sie können aber natürlich auch dabei helfen, Medikamente und Lebensmittel in den Gazastreifen zu bringen.

Hakam Abdel-Hadi: Wenn die internationale Gemeinschaft entschlossen wäre, könnte sie sehr viel tun - vor allem die USA: Sie versorgen Israel mit Waffen und Geld in Höhe von drei Milliarden Dollar jährlich. Wenn sie wollen, könnten sie Israel innerhalb weniger Wochen dazu bewegen, die besetzten Gebiete zu räumen und dafür sorgen, dass die UN-Beschlüsse 242 und 338 umgesetzt werden. Auch die Europäische Union hat hervorragende Beziehungen zu Israel - vor allem Deutschland. Aber leider nutzt Deutschland diesen Einfluss nicht aus und wird im Allgemeinen sogar zum Bremser, wenn es darum geht, Israel unter Druck zu setzen.

Wie kann der Hass zwischen Israelis und Palästinensern gestoppt werden?

Gad Lior: Das ist schwer. Es gibt leider einen richtigen Hass auf beiden Seiten, nicht bei allen, aber bei vielen - wegen der Terroranschläge, wegen der isralischen Vergeltung, wegen der getöteten Kinder und Frauen. Darum muss man zuerst einmal viele Veranstaltungen zusammen machen. Man muss miteinander sprechen und Kinder und Schüler für ein paar Wochen zusammenbringen, wie man das zum Beispiel in Zypern gemacht hat. Man muss sich wieder kennenlernen und sehen, dass es sich im Frieden viel besser lebt als im Krieg.

Hakam Abdel-Hadi: Kriege und Waffengewalt führen nur zu einer Anstauung von Hass - das ist natürlich kein Weg. Die einzige Möglichkeit, Frieden herbeizuführen, wäre Wohlstand für die Palästinenser, wenn auch nur partiell. Wir haben allerdings auch gute Verbindungen zwischen beiden Seiten, wenn wir wollen. Nach meiner These ist die Verbindung und die Nähe - auch religiös gesehen - zwischen dem Judentum und dem Islam sehr stark. Nur die meisten Leute vernachlässigen das, weil zur Zeit leider die Vorurteile gepflegt werden.

Was hat der Krieg gebracht?

Gad Lior: Der Krieg hat eine Sache gebracht, das ist ganz sicher. Es kann nicht sein, dass ein Land acht Jahre unter Raketenbeschuss steht, ohne dass es reagiert. Jetzt haben die Palästinenser, die diese Raketen aus dem Gazastreifen abgeschossen haben, verstanden, dass es so nicht weitergeht. Es ist wie im Libanon damals. Zweieinhalb Jahre lang hat man auf Israel geschossen und jetzt schießt man nicht mehr. Das hat dieser Krieg gebracht! Es kann nicht sein, dass man Raketen auf südisraelische Städte schießt, ohne dass wir reagieren. Wenn das beide Seiten kapieren, dann wird es vielleicht in ein paar Jahren Frieden geben.

Hakam Abdel-Hadi: Der Krieg hat vor allem Zerstörung für Gaza gebracht und vielleicht einige Parlamentssitze für den Verteidigungsminister, für den starken Mann dort. Der Krieg wird höchstwahrscheinlich, das müssen wir aber abwarten, die Hamas stärken. Politisch bringt uns der Krieg überhaupt nicht von der Stelle. Wir müssen miteinander verhandeln, es gibt keine andere Alternative.