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Pay-TV: Ende der Show?

Thomas Kohlmann9. April 2002

Auch wenn bislang nur ein Unternehmensteil des Kirch-Imperiums, Kirch Media, Insolvenz angemeldet hat, Dreh- und Angelpunkt der Unternehmens-Schieflage ist das Bezahl-Fernsehen Premiere.

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Das Schicksal von Premiere ist noch ungeklärt.Bild: AP

Das unter dem Unternehmensteil KirchPayTV zusammengefasste Abo-Fernsehen hat mittlerweile über vier Milliarden Euro Verlust angehäuft - immerhin doppelt so viel wie die mit 1,9 Milliarden Euro verschuldete KirchMedia, die am Montag Insolvenz-Antrag beim Münchner Amtsgericht gestellt hat.

Allein im vergangenen Jahr machte Premiere rund 800 Millionen Euro Verlust. Der neue Chef Georg Kofler wollte bereits 800 von 2400 Stellen streichen, bevor sich die Existenz-Krise im Hause Kirch richtig herumgesprochen hatte.

Premiere World Kartons
Bild: AP

Statt der geplanten fünf Millionen Abonenten hat es der Bezahl-Sender bislang nur auf 2,4 Millionen zahlende Zuschauer gebracht. Viel zu wenig, um damit Geld zu verdienen. Und zu wenig, um Rupert Murdoch bei der Stange zu halten. Denn der hatte sich von Kirch vertraglich zusichern lassen, aussteigen zu können, sollte Premiere bis Ende 2001 nicht die Zielmarke von drei Millionen Abonenten geschafft haben. Und so bekräftigt Rupert Murdoch munter weiter, seinen Premiere-Anteil von 22 Prozent im Herbst für rund 1,7 Milliarden Euro bis Oktober zurückgeben zu wollen.

Pay-TV: "the english way" und "à la francaise"

Mit seinem Bezahlfernsehen auf der Insel, BSkyB, hatte Murdoch bereits Mitte 2000 mehr als acht Millionen Abonenten. Auch die andere europäische Macht in Sachen Pay-TV, die französische Canal Plus, kommt auf mehr als 6,5 Millionen zahlende Zuschauer. Kein Wunder, dass beide, Canal Plus und BSkyB, seit Mitte der 90er Jahre auf ihren Heimatmärkten Geld verdienen.

Ein Grund für den Erfolg von BSkyB: Murdoch verschenkte seine digitalen Set-Top-Boxen. Kirch dagegen vertraute auf das Zusatzgeschäft mit der von seiner 100-prozentigen Tochter Beta Digital entwickelten "d-box". Biel Geld kostete den Münchner Filme-Händler auch ein exklusiver Deal mit Nokia: Auf dem Gipfel der Internet- und Medien-Euphorie Ende der 90er Jahre verpflichtete sich Kirch, dem finnischen Gerätehersteller jedes Jahr abertausende der digitalen Boxen abzunehmen. Weil aber bei weitem nicht so viele neue Premiere-Abonenten hinzukamen, blieb Kirch auf den digitalen Kästen sitzen. "Dazu kommt noch, dass durch den Exklusiv-Vertrag mit Nokia jeglicher Wettbewerb – auch technologisch - im Keim erstickt wurde", gibt Hardy Dreier vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg zu bedenken.

Kann Pay-TV in Deutschland funktionieren?

"Fernsehen ist umsonst" lautet die in Deutschland weit verbreitete Mentalität. "Natürlich gibt es hierzulande die Rundfunkgebühren, doch die werden von den deutschen TV-Konsumenten nicht so wahrgenommen", meint Prof. Uwe Hasebrink, ebenfalls vom Hamburger Hans-Bredow-Institut. Warum das Geschäftsmodell "Pay-TV" in Deutschland nicht so funktioniert, wie beispielsweise in Großbritannien, Frankreich oder Spanien, hat einen ganz einfachen Grund: Während es in diesen Ländern im Schnitt nur fünf frei empfangbare Programme gibt, kann der deutsche Durchschnittshaushalt zwischen 38 Free-TV-Kanälen auswählen. Außerdem zieht bei uns das Argument "Spielfilme" nicht: "Wer im deutschen Fernsehen – mit dem Riesen-Angebot an neueren US-Produktionen bei SAT 1 oder Pro7, den Dritten Programmen der ARD, dem ZDF und bei Sendern wie arte oder 3Sat keinen Spielfilm findet, der ihm zusagt, der wird auch beim Bezahl-Fernsehen nicht fündig", so Hasebrink.

Und noch immer ist nicht erwiesen, dass Pay-TV überall in Europa funktioniert. Das meint jedenfalls Medien-Experte Hardy Dreier, der sich seit Jahren mit dem Phänomen des Bezahlfernsehens befasst: "Ob wirklich Geld damit verdient wird, ist aus den Sender-Bilanzen oft nur schwer heraus zu filtern. Wenn Murdoch aber sein italienisches Pay-TV-Geschäft "Stream" an die franko-amerikanische Vivendi-Universal verkauft, dann deshalb, weil sich dort kein Geld verdienen ließ." Auch Pay-TV Platzhirsch Vivendi, der über die italienische Canal Plus-Tochter Telepiù den Konkurrenten Stream schluckt, hat im vergangenen Jahr mit Telepiù 200 Millionen Euro allein in Italien verbrannt. Und im Kernland Frankreich leidet Canal Plus unter Abonenten-Schwund.

Eines haben die europäischen Akteure gelernt: Das Erfolgsmodell des amerikanischen "Home Box Office" HBO, dem ersten Pay-TV weltweit, lässt sich nicht eins zu eins auf den alten Kontinent übertragen. Dreier: "Es ist die Zeit für neue Akteuere gekommen mit neuen Geschäftsmodellen. Vielleicht könnte in Zukunft eine Pay-TV-Senderfamilie auch durch den Profit aus einem Home-Shopping-Kanal finanziert werden."