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Passgenaue Krebsmedizin

Fabian Schmidt24. Februar 2016

Der Deutsche Krebskongress, der am Mittwoch in Berlin beginnt, dreht sich unter anderem um personalisierte Medizin. Krebspatienten sollen in Zukunft gezielt maßgeschneiderte Medikamente und Therapien erhalten.

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Krebszelle
Bild: Imago/Science Photo Library

Der Deutsche Krebskongress in Berlin steht unter dem Zeichen von vier "P": Krebsmedizin soll auf Prävention setzen, sie soll präzise sein, partizipativ - also den Patienten in die Heilungsprozesse einbinden - und personalisiert. Aber was ist eigentlich personalisierte Krebsmedizin?

In den meisten Fällen werden Ärzte bei einer Krebserkrankung zunächst auf bewährte klassische Behandlungsmethoden zurückgreifen: operative Entfernung des Tumors, verbunden mit einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung.

Sollte der Krebs sich damit aber nicht in den Griff bekommen lassen, kommt eine personalisierte Strategie in Frage. Durch die molekulare Analyse des Tumors können Ärzte Medikamente passgenau auswählen und einsetzen. Meist ist die Therapie dadurch weniger belastend für den restlichen Organismus.

Um die Krebsmedizin zu personalisieren, müssen die Mediziner zuerst die molekularen Wirkmechanismen und Stoffwechselprozesse verstehen, die zur Entstehung der Krebszellen führen, zu ihrer Vermehrung und Streuung. Ebenso wichtig sind die Mechanismen, die eine Vermehrung blockieren und die Krebszellen absterben lassen.

Den Krebs und die Genetik verstehen

Große Fortschritte hat die Medizin seit der Entschlüsselung und Sequenzierung des gesamten menschlichen Genoms durch das internationale Humangenomprojekt gemacht. Dieses begann im Jahr 1990 und war 2003 vollständig abgeschlossen. Die eigentliche Sequenzierung des menschlichen Genoms dauerte sieben Jahre.

Heutzutage lässt sich durch die sogenannte Hochdurchsatzsequenzierung das Genom eines Patienten in wenigen Tagen entschlüsseln. Damit haben Mediziner die Möglichkeit, eine Veranlagung für bestimmte Krebsarten zu erkennen. Sie können etwa ererbte Gendefekte aufspüren, die das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs erhöhen.

Ist die Veranlagung einmal bekannt, können sie Vorsorgeuntersuchungen gezielter und häufiger durchführen. Ist der Krebs schon vorhanden, können sie mit ihrem Wissen über die molekularen Bedingungen zielsicher therapieren.

Dem Erbgut der Krebszellen auf der Spur

Mediziner haben in den letzten Jahren Veränderungen im Erbgut von Lungenkrebszellen ausfindig gemacht - sogenannte Treibermutationen. Diese sind wahrscheinlich für die Gefährlichkeit dieser Tumorarten verantwortlich. Es ist gelungen, Wirkstoffe zu entwickeln, die diesen Mutationen entgegenwirken.

Da aber nicht alle Lungenkrebsarten dieselben Genmutationen aufweisen, müssen die Mediziner die Tumoren zunächst sequenzieren, um herauszufinden, welcher Wirkstoff genau sich als Hemmstoff eignet. Ist einmal der richtige Wirkstoff gefunden, lässt sich das Wachstum des Krebses gut bremsen.

Diese Hemmstoffe wirken aber nur gegen sehr wenige der auftretenden Tumorarten. Einige Wirkstoffe können nur etwa einen Prozent der Krebs-Varianten bekämpfen. Insgesamt gibt es solche Medikamente gegen etwa ein Fünftel aller bekannten Lungenkrebsvarianten.

Krebszelle Lungenkrebs
Gegen etwa ein Fünftel der bekannten Lungenkrebsarten gibt es mittlerweile spezifische Medikamente.Bild: Imago/Science Photo Library

Unterstützung der Immunabwehr

Vielversprechend ist die personalisierte Krebsmedizin vor allem bei der Bekämpfung von Tumoren durch Stärkung der körpereigenen Immunabwehr. So setzen Onkologen gentechnisch maßgeschneiderte Immunzellen und sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren ein. Das sind Antikörper oder Proteine, die eine Immunantwort des Körpers anregen oder abmildern. Diese Wirkstoffe haben sich schon heute gegen eine große Zahl von Tumoren bewährt.

Ähnlich intensiv verläuft die Suche nach Biomarkern. Diese sind charakteristisch für spezifische Krebsarten.

Ärzte können durch eine zielgerichtete Diagnostik schon vor der Verabreichung eines Medikaments herausfinden, ob die Behandlung eines bösartigen Krebses anschlagen wird oder nicht. Dazu wenden sie etwa Mutationstests an, die ihnen sagen, wie und unter welchen Umständen sich der Krebs vermehrt.

Medizin neu erfunden

Durch die molekulare Personalisierung verändert sich auch das Verständnis von Medizin: So wird jede Behandlung eines Patienten praktisch zum Bestandteil einer eigenen Medikamentenentwicklung. Das funktioniert aber nur, wenn sich die Zulassungsverfahren verkürzen. Bei der oft tödlich endenden Prognose Krebs ist das ethisch vertretbar.

Wichtig für den Erfolg der personalisierten Medizin mit molekularbiologischer Diagnostik ist die gute Vernetzung der forschenden Krebsbehandlungszentren, etwa Universitätskliniken. Frankreich hat dabei eine Vorreiterrolle eingenommen und hat die molekulare Diagnostik in 28 Zentren landesweit zentralisiert. Alle Proben von Patienten mit bestimmten Krebsarten laufen dort zusammen, und die Experten legen dann passende individuelle Therapien fest.